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In Wien funktioniert nichts

Ein Aschenbecher in der Lugner-City. Darüber das Rauchverbots-Zeichen.

73 Anzeigen, dichter Qualm und eine verunsicherte Gastronomie: Risiken und Nebenwirkungen des neuen Tabakgesetzes

Diesmal ist Richard Lugner nicht wegen einer neuen Affäre in den Medien, sondern wegen seines Einkaufszentrums. Dort hat er weder die Aschenbecher abmontieren lassen noch das generelle Rauchverbot durchgesetzt. In den Indoor-Schanigärten qualmen die Besucher beim Kaffee, neben Tacos liegt Tabacco.

Bis auf das Schnitzelhaus verstoßen alle Wirte hier gegen das Tabakgesetz, sagt Robert Rockenbauer von der Schutzgemeinschaft für Nichtraucher (siehe oben). Sein Resümee nach einer Tour mit dem Falter durch Wiener Lokale: In dieser Stadt funktioniert nichts. Bislang wurden in Wien 73 Anzeigen wegen Verstoßes gegen das Tabakgesetz eingereicht. Es sind Privatpersonen wie Rockenbauer, die verqualmte Gaststätten bei der Behörde melden.

Im Café Westend, im Flex, in Irish Pubs wie dem Flanagans: Vielerorts verweisen die Lokalbetreiber auf eine Übergangsregelung. Viele bleiben Rauchergaststätten. So wie das Szenelokal Aromat. Im Moment habe ich das Raucherpickerl angeklebt, sagt Besitzer Oliver Schöninkle. Er will später eine Testphase für Nichtraucher einführen, um die Reaktionen zu testen.

Vielen geht es nicht ums Prinzip, sondern um den Umsatz. Tom Eller, Chef im Club Flex, sieht die Raucher bereits woanders an Zigaretten ziehen: Es wäre schon ein Konkurrenznachteil, wenn im Wuk oder in der Arena weiterhin geraucht werden darf und im Flex nicht. Also wartet man auch am Donaukanal ab.

Wer in seinem Lokal die Aschenbecher wegräumt, kann nämlich Kunden verlieren. Das zeigt das Beispiel von Wein & Co. Von Jänner bis Ende September 2008 waren sämtliche Bars der Weinhandelskette Nichtraucherbetriebe – der Umsatz ging um 15 Prozent zurück. Wir hätten zehn Leute entlassen müssen oder das Rauchverbot aufheben, sagt Firmengründer Heinz Kammerer. Ich bin für das Rauchverbot, sagt er, aber nicht als Einziger. Bei Wein & Co wird nun wieder geraucht. Rauchen ganz verbieten die wenigsten Wiener Betriebe. Das Ringstraßen-Café Schwarzenberg ist so eine Ausnahme. Seit Anfang des Jahres wird hier nicht mehr zur Melange gepofelt. Wir werden sicher Raucher verlieren, aber wir werden auch andere Kunden dazugewinnen, meint Geschäftsführer Alfred Altenburger.

Rauch in den Lokalen – nicht alle sehen darin ein Problem. 82 Prozent unserer Angestellten sind Raucher, sagt Walter Piller, Obmann der Sparte Gastronomie der Wiener Wirtschaftskammer. Es kann ein jeder seinen Arbeitsplatz wechseln, es muss keiner in der Gastronomie arbeiten. Für Piller wäre ein generelles Rauchverbot die schlechteste Lösung: In Irland sperren im Schnitt pro Tag 17 Lokale zu.

Das Wirtshaussterben ist eine weitere Furcht der Unternehmer. Ob es tatsächlich eintreten würde, ist umstritten. In Irland klagten die Gastronomen tatsächlich zuerst über Einnahmenverluste von bis zu 25 Prozent, dann stabilisierte sich der Umsatz. In Norwegen ist die Zahl der Lokalinsolvenzen nach Einführung des Rauchverbots zurückgegangen. In Deutschland hingegen gab es einen signifikanten Umsatzrückgang.

Rauchen oder Nichtrauchen? Langsam wird das zur Glaubensfrage. Das neue Tabakgesetz heize die Debatte an, meint Wein & Co-Mann Kammerer: Es bringt die Leute gegeneinander auf. Sie begreifen sich jetzt als Raucher oder Nichtraucher, und es gibt auch schon jene Blockwarte, die herumlaufen und Anzeigen machen. Während noch über die Schäden von Passivrauchen, die wirtschaftlichen Auswirkungen gestritten wird, sind sich viele Wirte in einem Punkt einig: Bald kommt das Rauchverbot sowieso, bald bringt die EU eine Richtlinie, die Nichtraucher am Arbeitsplatz, auch hinter der Bar, schützt. Die einen sehen das und resignieren. Die anderen hoffen, dass ihnen der teure Umbau erspart wird.

Ob die EU-Richtlinie aber tatsächlich so bald kommt, ist äußerst unsicher. Derweil gibt es zumindest noch den Kaffee mit Zigarette und den angsterfüllten Blick nach Brüssel.

Dieser Text ist im Falter 01/09 erschienen.

Ingrid Brodnig:
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