Citymaut, Nacht-U-Bahn, Hausmeister, Ganztagsschule und böse Hunde: Von 11. bis 13. Februar entscheiden die Städter. Der Falter gibt Empfehlungen für die Wiener Volksbefragung ab, zwei davon habe ich verfasst. Hier meine Einschätzung zu Schule und U-Bahn
Nacht-U-Bahn
In Wien fahren täglich Nachtbusse von 0.30 bis 5.00 Uhr. Ein 24-Stunden-U-Bahn-Betrieb am Wochenende kostet pro Jahr fünf Millionen Euro und bewirkt veränderte Fahrtrouten der Nachtbusse an Wochenenden. Sind Sie dafür, dass die U-Bahn am Wochenende auch in der Nacht fährt?“ Die SPÖ lässt diese Frage so klingen, als sei die Nacht-U-Bahn der größte Schwachsinn. Ist sie aber nicht. Es gibt mehrere Städte mit hoher Lebensqualität, die dieses Service am Wochenende bereits bieten – etwa Stockholm, Hamburg, Berlin.
In Wien hingegen denkt man lieber zweimal darüber nach, ob man abends beim Ausgehen etwas länger bleibt. Die letzte U-Bahn? Fährt kurz nach Mitternacht davon. Das Taxi? Ist teuer. Die Nachtbusse? Brauchen lange, und viele wissen gar nicht, wo die nächste Haltestelle ist – es gibt immerhin 23 Nachtbuslinien.
Vom Reumannplatz bis Kagran, von Simmering bis Ottakring. Jeder Wiener kennt die U-Bahn-Stationen, weiß, wie er von dort nachhause findet. Kein anderes öffentliches Verkehrsmittel flitzt so schnell durch die Stadt. Vergleichbare Städte haben gute Erfahrungen mit der Nacht-U-Bahn gemacht. Hamburg führte sie schon vor fünf Jahren ein, die Zahl der Fahrgäste verdreifachte sich daraufhin. Nutzten 2004 noch 30.000 Menschen an Wochenendnächten die Öffis, waren es 2005 schon 90.000.
Freitagabends, samstagnachts. Alle 20 Minuten kommt in Hamburg die U-Bahn oder S-Bahn. Zusätzlich fahren einige Buslinien rund um die Uhr. Das ist notwendig für jene Menschen, die nicht direkt neben den Gleisen wohnen.
Freilich kostet mehr Transport auch mehr Geld. Die Hansestadt zahlt jährlich 3,5 bis vier Millionen Euro für das Service. Von fünf Millionen Euro wird in Wien gesprochen. 101 U-Bahn-Stationen müssten am Wochenende rund um die Uhr geöffnet sein.
Aber sind fünf Millionen Euro für die Stadt und ihre Verkehrsbetriebe eine derart astronomische Summe? Zum Vergleich: Die Volksbefragung kostet inklusive Werbekampagne 6,7 Millionen Euro. Die Wiener Linien befördern pro Jahr 800 Millionen Fahrgäste, heuer investieren sie 471 Millionen Euro in Infrastruktur. Allein in die Verlängerung der U-Bahn fließen davon 300 Millionen Euro. Das derzeitige Nachtbussystem kostet 6,7 Millionen Euro pro Jahr.
In der Volksbefragung wird die U-Bahn nun zu Unrecht auf eine Kostenfrage reduziert. Der öffentliche Verkehr kann nicht nur anhand wirtschaftlicher Kriterien beurteilt werden. Ansonsten müsste man alle Nachtbusse abschaffen und untertags den U-Bahn-Takt verringern. Damit ließe sich noch viel mehr Geld sparen.
Die Nonstop-U-Bahn ist ein Luxus, den sich andere Städte leisten. Denn er fördert auch die Mobilität und das Lebensgefühl. Wien möchte eine pulsierende Metropole und „anders“ sein – doch bitte nicht nach Mitternacht. Das gehört nun geändert.
Wahlempfehlung: JA
Ganztagsschule
Internationale Studien zeigen, dass die Ganztagsschule der entscheidende Erfolgsfaktor für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie darstellt sowie das Bildungsniveau der Bevölkerung deutlich hebt. Sind Sie für ein flächendeckendes Angebot an Ganztagsschulen in Wien?“ Diese rhetorische Frage könnte sich die Stadtregierung sparen und ohne Zögern die Ganztagsschulen ausbauen. Diese werden dringend gebraucht. Jedes zehnte Kind von Vollzeit-Berufstätigen ist heute nachmittags unbetreut, rechnet die Arbeiterkammer vor. In Wien wünscht sich sogar die Hälfte der Eltern ein ganztägiges Schulangebot, ergab eine Befragung des Unterrichtsministeriums. Derzeit müssen Mütter und Väter mühsam eine Nachmittagsbetreuung suchen, einen Hortplatz zahlen oder wieder einmal die Großeltern um Hilfe bitten.
Es braucht also Schulen, in denen die Kinder nachmittags betreut werden. Nicht nur weil Eltern bis 17 Uhr arbeiten. Sondern auch weil es dem Lernprozess der Schüler entspricht: Derzeit pressen wir Mathematik, Englisch und Geschichte in vier bis sechs Stunden am Vormittag. Hirnforscher fanden heraus, dass sich die Aufmerksamkeit von Kindern auf Vormittag und Nachmittag aufteilt. Wichtig ist ein Rhythmus aus Lern- und Erholungsphasen.
Die Wiener SPÖ will nun mehr Ganztagsschulen mit verschränktem Unterricht anbieten. Unterricht, Sport und Betreuungsphasen wechseln sich ab. Kinder sollen vormittags nicht überlastet und nachmittags zusätzlich gefördert werden.
Österreich ist international eine Ausnahme, kaum ein Land kennt die Halbtagsschule. Diese führt zu sozialer Ungerechtigkeit: Schüler aus reicheren oder besser gebildeten Familien werden nachmittags in den Musikunterricht oder zur Nachhilfe geschickt. Natürlich brauchen solche Kinder die Ganztagsschule weniger als sozial Schwache. Für diese gibt es keine Klavierstunden, keine Mathenachhilfe und oft auch keine Betreuung. Deswegen rät die OECD Österreich, die Ganztagsschule einzuführen. Dort werden Kinder mit Migrationshintergrund auch nachmittags eingebunden und bekommen bessere Bildungschancen.
Die ÖVP warnt vor diesen Plänen. Sie befürchtet eine „Zwangstagsschule“, in der alle verpflichtend vormittags und nachmittags pauken müssen. Das ist Panikmache. Von „verpflichtenden Ganztagsschulen“ traut sich kein roter Politiker reden. Lediglich das freiwillige Angebot soll ausgedehnt werden. In jedem Bezirk will die SPÖ mindestens eine Ganztagsschule errichten.
Mutig wären die Sozialdemokraten, würden sie an einer verpflichtenden Ganztagsschule für alle arbeiten. Oder wenn sie es zumindest wagten, die Wiener Bevölkerung offen zu fragen: „Soll die Halbtagsschule in eine Ganztagsschule umgewandelt werden?“
Langfristig läuft alles auf diesen Schultyp hinaus: Mütter und Väter gehen arbeiten, die Kinder brauchen nachmittags Förderung, und es sollen alle gleich viel Aufmerksamkeit auch nach zwölf Uhr bekommen. Solange die Anzahl der Ganztagsschulen begrenzt und die Halbtagsschule Normalität ist, ist das nicht gegeben.
Wahlempfehlung: JA
Diese Texte sind im Falter 04/10 erschienen und Teil einer größeren Covergeschichte zur Wiener Volksbefragung. Fotos: Heribert Corn / Abstimmungs-Logo: Wienwillswissen.at