Barack Obama hat das politische Marketing neu erfunden. Das wirkt sich auch auf Österreich aus
Obamas Onlinekampagne ist ziemlich ausgefuchst. Die Software weiß genau, wie viel der User in der Vergangenheit spendete, wie sehr er sich im Wahlkampf einbringt, welche Themen ihm unter den Nägeln brennen. Je nach Interesse werden einzelne Formulierungen in den Mails verschärft oder abgeschwächt. Kampagnenexperten nennen das “Digital Targeting“, zielgruppengerechte Kommunikation. Es ist der große Trend der US-Wahl 2012.
Obama, der twitternde Präsidentschaftskandidat mit Blackberry, führte schon 2008 vor, wie man Wähler im Netz mobilisieren kann. Die konservativen Republikaner machen es ihm mittlerweile nach und setzen ähnliche Software ein. Im Rennen zwischen Demokraten und Republikanern steht zumindest ein Sieger schon fest: die jungen Technologiefirmen, die millionenschwere Etats für ihre digitale Wahlwerbung bekommen und deren Chefs sechsstellige Gagen beziehen. 46 Millionen Dollar kassierten die drei wichtigsten Firmen aus den Wahlkampfetats bereits, berechnete die Agentur Bloomberg im Juli.
Kein Facebook, sondern E-Mail
Es ist ein Irrglaube, dass Facebook oder Twitter dabei die entscheidenden Medien seien. “Zwar wird dauernd über soziale Netzwerke berichtet“, sagt Adam Ruff, “das wichtigste Kommunikationstool ist aber immer noch E-Mail.“ Ruff kennt sich da aus, er war Manager bei Blue State Digital, jener Firma, die schon 2008 die Onlinekampagne von Obama entwickelt hat.
Mit herkömmlichen E-Mails haben Obamas Nachrichten wenig zu tun: Jeder Beistrich, jedes noch so unscheinbare Wort wird gezielt eingesetzt und jede Reaktion darauf gemessen. Wenn Obamas Wahlkampfteam eine Onlinepetition bewirbt und Millionen von Mails verschickt, behält die Software den Überblick: Sie weiß von jedem einzelnen User, ob er das E-Mail geöffnet hat, ob er auf einen Link darin geklickt, dann die Onlinepetition ausgefüllt oder die Seite wieder verlassen hat. Das funktioniert mittels HTML-Codes, personalisierter Links und sogenannter Cookies, die das Browserverhalten beobachten. Alles ganz legal.
Je nach Reaktion adaptiert das Wahlkampfteam die E-Mails. Wenn jemand auf den Link klickt, aber nicht die Onlinepetition ausfüllt, heißt es im nächsten Mail vielleicht: “Lassen Sie uns jetzt nicht im Stich! Wir brauchen Leute wie Sie.“
Die Nachrichten vermitteln dem User den Eindruck, als würde die gesamte Wahl nur von ihm abhängen. “Warte nicht länger“, “teile das auf Facebook“, “gib nicht auf“, schreibt Obamas Team. Konkurrent Mitt Romney kommuniziert ähnlich. Dort steht: “In ein paar Stunden endet eine wichtige Fundraising-Deadline“, “jede Anstrengung zählt“ oder “wir müssen alles geben“. (Alle E-Mails von Romney und Obama findet man bei ProPublica)
Von Washington nach Wien
Nach dem Mund reden. Das tun nicht nur die Republikaner und Demokraten, sondern auch die Konzerne. Die Nachrichten von Obamaoder Romney ähneln durchaus den Mails von Amazon.com. Das Versandhaus weiß von seinen Kunden auch ganz genau, womit sie gerne Zeit verbringen, wie viel Geld sie bereit sind auszugeben. So funktioniert Marketing im 21. Jahrhundert.
In Frankreich setzte Sozialist François Hollande die Blue-State-Software im Präsidentschaftswahlkampf ein und gewann. 2012 könnte es ähnliche Versuche bei der österreichischen Nationalratswahl geben.
“Ein Hauch von Obama“, verspricht Aktivist und SPÖ-Dissident Rudi Fussi, der mit dem grünen Wirtschaftssprecher Hans Arsenovic und Druckereichef Michael Gitzi die PR-Agentur Mindworker gründete. Die drei haben eine spezielle Software gekauft, die jener von Blue State ähnelt, aber zusätzlich auch personalisierte Briefe verschicken kann.
Mehreren Parteien hat Fussi die Software schon vorgestellt, sogar bei manch einer Vorfeldorganisation getestet. “Näheres dazu geben wir aber nicht bekannt“, sagt Rudi Fussi, der übrigens auch das Team Stronach in Social-Media-Fragen berät. Bisher habe sich keine Partei die Software für die Wahl 2012 gekrallt. “Aber ich bin mir sicher, dass es auch bei uns im Wahlkampf zum Einsatz kommt“, meint Fussi, “an diesem Trend führt kein Weg vorbei.“
Ein mögliches Einsatzgebiet: der Parkpickerl-Streit in Wien. Je nachdem, in welchem Bezirk man wohnt und ob man ein Auto besitzt, könnte die rot-grüne Regierung die Wähler unterschiedlich ansprechen. Ein Autobesitzer in Währing bekommt dann einen anderen Brief als die Öffi-Fahrerin aus Rudolfsheim-Fünfhaus.
Unterschiedliche Botschaften für unterschiedliche Menschen? Am Wahlkampfstand gab es das schon immer, da haben Politiker ihre Tonalität durchaus dem Gegenüber angepasst. Die Software hingegen macht das noch viel großflächiger: Das Team von Obamaversendete beim letzten Wahlkampf mehr als zwei Milliarden E-Mails. 13 Millionen Menschen hatten dafür ihre Mail-Adresse angegeben, drei Millionen Menschen spendeten tatsächlich.
Die Schwächen der Software
“Diese Tools sind toll, um Sympathisanten für eine Kampagne zu begeistern“, meint auch Kampagnenexperte Adam Ruff, “die Frage ist aber, können sie auch jemanden an die Wahlurne bringen, der bisher weder den einen noch den anderen Kandidaten unterstützt?“ Der Amerikaner wundert sich sogar ein bisschen über den Hype rund um die neuen Kanäle. “Einen Präsidenten wählt man ja nicht nach Nullen und Einsen aus.“ Letztlich sollte halt doch das politische Programm und nicht die Programmierkunst zählen.
Dieser Artikel erschien im Falter 44/12. Illustration: P.M. Hoffmann
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