Die politische Satire floriert im Netz. Ganz nach dem Motto: Lache, wenn es nicht zum Weinen reicht
Achtung! ÖVPler sollten diese Seite lieber nicht aufrufen. Das Blog “When you really act like ÖVP“ lässt kein gutes Haar an der Partei, macht sich über ihr Führungspersonal und deren politische Missgeschicke gnadenlos lustig. Zum Beispiel illustrieren tollpatschige Katzen, wie der Wahlkampf für die Volkspartei bisher läuft. Die Jungen ÖVPler werden wiederum als Möchtegern-Aufreißertypen dargestellt, die gar nicht so geil sind, wie sie glauben. Auch Ursula Stenzel, die strenge schwarze Bezirksvorsteherin der Wiener Innenstadt, kommt mit einem kurzen Video vor. Darin sagt sie wortwörtlich: “Es geht darum, dass man im öffentlich Raum sauft. Das ist es. Und da sind viele, viele Menschen auf meiner Seite.“ Komplett aus dem Zusammenhang gerissen ist dieser Clip ziemlich kurios – und ziemlich fies.
Katzen treffen auf Spitzenpolitiker, bunte Animationen heitern die weniger lustige Innenpolitik auf. “When you really act like ÖVP“ zeigt, wie schräg der Humor im Netz sein kann. Zwei junge Studentinnen aus Wien stecken dahinter. “Wir wollen gar keine große politische Ansage machen. Uns geht’s eher um den hämischen Fingerzeig. Das funktioniert mit lächerlichen Katzenvideos am besten“, erklärt eine der beiden, die nicht mit ihrem Namen in der Zeitung stehen will. Die beiden ärgerten sich zuletzt darüber, wie die ÖVP mit Asyl- und Menschenrechtsfragen umgeht. Nun kommt ihre Retourkutsche anonym aus dem Web.
Politische Satire floriert online. In den letzten Wochen und Monaten starteten einige Netzprojekte, die auf verschiedenste Weise die Parteien veralbern. Besonders gut funktioniert das dann, wenn selbst in der größten Zuspitzung noch ein Körnchen Wahrheit zu finden ist.
“Trotz Sommerschlussverkaufs: Stronach kauft keine neuen Politiker.” “Welt jubelt: Papst rückt Kirche einen Zentimeter weiter ins 21. Jahrhundert.” “Erdmännchen-Rudel ersetzt Österreicher am Golan.” So lauten einige der Schlagzeilen der Satireplattform dietagespresse.com. Auf den ersten Blick wirkt sie wie ein seriöses Nachrichtenportal, weiter unten steht aber: “Ausnahmslos alle Artikel sind frei erfunden.“
Fritz Jergitsch, 22, ein adrett gekleideter Wiener, der gerade sein Volkswirtschaftsstudium abgeschlossen hat, denkt sich die Gags aus. Sein bisher größter Erfolg: Keuschi. Dabei handelt es sich um ein fiktives Känguru-Maskottchen, mit dem die Kirche angeblich Jugendliche von vorehelichem Sex abhalten wollte. dietagespresse.com zitierte dazu Kardinal Christoph Schönborn: “Känguru Keuschi ist cool und christlich. Mit dieser Figur haben die jungen Österreicherinnen und Österreicher endlich wieder ein Vorbild, an dem sie sich orientieren können.“ Einige hielten die Nachricht für echt. Drei Tagen lang hatte die Seite je 40.000 Besucher, manch einer glaubt vielleicht noch heute, dass Keuschi existiert.
Das Internet führt zu einer Demokratisierung der SatireWarum boomen die Satireseiten gerade jetzt? Das hat drei Gründe: Den allgemeinen Frust über die Politik, die Tatsache, dass heuer Wahljahr ist und die technologische Entwicklung. Mittlerweile ist es ein Kinderspiel, ein eigenes Blog einzurichten, Fotomontagen zu erstellen oder Katzenvideos zu verlinken. “Man muss sich nur vorstellen: Wie viel Aufwand wäre ein Satireportal vor der Verbreitung des Internets gewesen?“, meint etwa Jergitsch. Auch Facebook spielt hier eine Rolle: Oft verbreiten sich diese Parodien schneeballartig über die sozialen Netzwerke. Online hat sich seit der letzten Nationalratswahl vor fünf Jahren einiges getan, laut Socialmediaradar.at sind mittlerweile drei Millionen Österreicher auf Facebook.
Nicht jeder Witz sitzt. Aber das muss er auch nicht. Viele dieser Seiten beanspruchen gar nicht für sich, den professionellen Kabarettisten tatsächlich Konkurrenz zu machen. Vielmehr zeigt sich, dass das Internet zu einer Demokratisierung der Satire beiträgt, da wirklich jeder leicht öffentlich herumscherzen kann. Manches ist dann halt mehr und manches weniger lustig.
Aber auch die Unterhaltungsprofis müssen manchmal schmunzeln. Robert Stachel von der Mediengruppe Maschek sagt etwa: “Auf der ‚Tagespresse‘ stand neulich: ‚Alle Einwohner schon ermordet: SOKO Kitzbühel wird eingestellt.‘ Das fand ich witzig.“
Sorgen macht sich der Entertainer eher über den unkritischen Medienkonsum: “Manch ein User schaut gar nicht so genau, wo der reale Wahnsinn endet und die erfundene Parodie beginnt.“ Unreflektiert werden Falschmeldungen geteilt, als wären sie echt. Das könnte auch dem Dirty Campaigning, dem politischen Anpatzen des Gegners, nützen. Zuerst werden falsche Gerüchte und untergriffige Witze gestreut und wenn die Richtigstellung kommt, kriegen das viele User gar nicht mehr mit.
Dass Satire ein Streitthema ist, belegt ein aktuelles Beispiel. Die “Freunde der Tagespolitik“ zeigten unvorteilhafte Fotos der ÖVP-Ministerinnen. Maria Fekter, Beatrix Karl und Johanna Mikl-Leitner fletschten auf den Bildern gerade die Zähne oder schnitten eine Grimasse. Daneben stand der Text: “Frauenquote. Da wollen wir mehr davon.“ Ist das untergriffig? Das sieht der Oberösterreicher nicht so – er ist auch vehement gegen die Frauenquote.
Wann ist Satire fair? Muss sie überhaupt fair sein? “Mir ist zumindest wichtig, in alle Richtungen zu schießen“, meint der Betreiber der Seite. Er sagt, für ihn sei die ganze Politik nur noch ein großes Theater, er wisse nicht, welche Partei er wählen solle. Gerade das lässt ihn weitermachen: “In einer scheinbar ausweglosen Situation ist der Humor dann, na ja, doch irgendwie ein Ausweg.“
Dieser Artikel erschien in Falter 33/13. Bilder: When You Really Act Like ÖVP (Screenshot), Verein Freunde der Tagespolitik