Die Briten sperren Flüchtlinge ein, Österreich gilt als internationales Asylvorbild. Mit solchen Aussagen verblüfft die Innenministerin die Öffentlichkeit. Maria Fekter im Fact-Check.
Wer die österreichische Grenze überschreitet und um Asyl ansucht, soll eingesperrt oder – wie Innenministerin Maria Fekter das ausdrückt – „anwesenheitsverpflichtet“ werden.
Mit dieser Idee und ihrem Auftritt in der ORF-„Pressestunde“ sorgte sie für Protest. Doch worauf beruft sich die ÖVP-Ministerin überhaupt, wenn sie meint, eine „Anwesenheitspflicht“ sei keine Haft und Österreich sei ein weltweites Best-Practice-Beispiel? Einige Zitate* der Ministerin im Fact-Check.
Meine Antwort ist, eine verfassungskonforme Regelung zu finden, die es ermöglicht, dass wir Anwesenheitspflicht von diesen Asylwerbern haben
Maria Fekter plant eine „Anwesenheitspflicht“ für 28 Tage. In dieser Zeit soll geklärt werden, ob Österreich oder ein anderer Staat für das Asylverfahren des Flüchtlings zuständig ist. Der Asylwerber soll sich währenddessen nur mehr im Erstaufnahmezentrum aufhalten dürfen. Laut Ministerin ist dies verfassungskonform. Viele prominente Juristen sehen das anders. Laut Menschenrechtsprofessor und UN-Sonderberichterstatter Manfred Nowak widerspricht dieses Vorgehen Artikel 5 der Europäischen Menschenrechtskonvention. „Jeder Mensch hat ein Recht auf Freiheit und Sicherheit“, heißt es dort, und es wird aufgezählt, in welchen Fällen diese Freiheit eingeschränkt werden darf.
Es ist keine Haft, das möchte ich ganz entschieden zurückweisen
Die Ministerin will nichts von „Haft“ hören und beharrt darauf, dass sich die Flüchtlinge innerhalb des Erstaufnahmezentrums frei bewegen dürften. Einmal mehr widersprechen ihr Juristen. „Das ist zweifellos eine Haft, wenn man Leute zwingt, 28 Tage in einem bestimmten Transitraum oder einem Lager zu verbringen“, erklärt Verfassungsrechtler Heinz Mayer. „Rechtlich gesehen ist das eine Haft mit offenem Vollzug“, meint auch Manfred Nowak. Auch im modernen Strafvollzug ist es oft üblich, dass sich Häftlinge frei innerhalb des Gefängnisses bewegen dürfen – eingesperrt sind sie trotzdem.
Wir haben diese Idee aus Großbritannien, dort gibt es diese Regelung
Nein, eine solche Regelung gibt es in Großbritannien nicht – zumindest nicht so, wie sie bisher von Maria Fekter dargelegt wurde. Im Vereinigten Königreich dürfen Asylwerber nicht 28, sondern maximal sieben Tage festgehalten werden. Das betrifft auch nicht alle Asylwerber, sondern nur einen Teil davon. Jene, deren Asylverfahren geringe Erfolgsaussichten haben, landen mitunter im „Detained Fast Track Process“. In diesem Blitzverfahren wird binnen weniger Tage erstinstanzlich über den Asylstatus entschieden. Übrigens ist dieses Eilverfahren sehr umstritten, weil es dem Flüchtling wenig Möglichkeiten gibt, seine Asylgründe darzulegen.
Es gibt ein EuGH-Erkenntnis in Hinblick auf die Unterbringung in einer Kaserne. Es gibt einen gewissen Rahmen vor, dass man sie (die Asylwerber, Anm.) unterbringen kann und anwesenheitsverpflichtet
Fekter beruft sich auf ein Urteil – sie meint dabei allerdings kein Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofs (EuGH), sondern des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Im Fall „Saadi gegen das Vereinigte Königreich“ befand das Gericht 2006, dass der Staat Asylwerber bis zu sieben Tage lang einsperren darf, um ein rasches Asylverfahren zu ermöglichen. Ob dieses Urteil Österreich erlaubt, Asylwerber provisorisch festzuhalten, bezweifelt Nowak: „Der Fall Saadi wäre ganz anders ausgegangen, wäre der Asylwerber 28 Tage lang eingesperrt worden.“
Ich würde sagen: 28 Tage, ein Monat, brauchen wir im Durchschnitt, bis wir das alles abgeklärt haben
Ob Österreich für einen Asylwerber zuständig ist, wird laut Fekter im Schnitt binnen 28 Tagen geklärt. Allerdings kann es vereinzelt wesentlich länger dauern. Eine parlamentarische Anfrage der Grünen ergab, dass im Jänner 2009 neun Asylwerber bereits mehr als ein Jahr und zwei davon länger als zwei Jahre auf eine Abklärung warteten.
In der Erstaufnahme sind wir schon ganz, ganz schnell. Da sind wir europaweit die Besten und das Bundesasylamt hat bei ihren Verfahren auch vom UNHCR zuerkannt bekommen, dass wir in Österreich im Bundesasylamt ‚Best Practice‘ weltweit sind
In der Tat gab es Lob vom UN-Flüchtlingskommissariat (UNHCR) – allerdings nicht für die Erstaufnahme, sondern für die interne Qualitätskontrolle. „Österreich ist hier schon sehr weit. Es gibt dafür eigene Mitarbeiter im Bundesasylamt“, sagt Christoph Pinter vom österreichischen UNHCR-Büro. Nun sollen andere Länder wie Polen oder Ungarn von Beispielen wie dem österreichischen lernen.
Die Erstaufnahmezentren klären ab, ob Österreich überhaupt zuständig (Anm.: für einen Asylwerber) ist. Wir sind ja nur in ganz geringen Fällen zuständig, in der überwiegenden Zahl sind wir nicht zuständig
In der überwiegenden Zahl der Fälle ist Österreich sehr wohl zuständig. Wie der Sprecher der Ministerin selbst erklärt, sind nur rund ein Drittel der Asylanträge sogenannte „Dublin-Fälle“. Diese Flüchtlinge können in andere Staaten abgeschoben werden. Bei der Mehrheit findet aber in Österreich das Asylverfahren statt.
* Die Zitate aus der ORF-„Pressestunde“ wurden zum Teil sinngemäß gekürzt. Dieser Artikel ist im Falter 02/09 erschienen. Foto: Heribert Corn