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Die Vermessung der Weltenbummler

Immer weniger geht es beim Reisen um den Zufall. Immer mehr geht es um Algorithmen und Apps, die uns einen besseren Urlaub versprechen

Wenn er auf Urlaub fährt, sucht er eine Unterkunft über den Onlinedienst Airbnb. Während der Reise lädt er Fotos hoch, damit seine Freunde und Familie an dem Abenteuer teilhaben können, und natürlich trägt er dabei seine Reiseroute ein – das funktioniert ganz einfach, denn sein Handy weiß ja jederzeit, wo er ist.

Andreas Röttl, 29, ist der Prototyp eines digital Reisenden. Digital reisen ist sogar sein Beruf. Der gebürtige Kärntner hat mit seiner Freundin und einem Kumpel das Wiener Start-up Journi gegründet, das nun eine erste App herausgebracht hat. Sie soll revolutionieren, wie wir online unsere Reiseerlebnisse dokumentieren.

Röttl sitzt in einem modern eingerichteten Gemeinschaftsbüro in Wien-Margareten. Er trägt -sehr passend – Flipflops und ein stylisches Surfer-T-Shirt, auf dem man eine Palme in strahlendem Sonnenschein sieht. Das iPhone hat er stets zur Hand.

Seine App, die ebenfalls Journi heißt, ist simpel: Man macht während der Reise Fotos, schreibt ein paar Zeilen dazu. Der Ort wird automatisch getaggt, sofern man dies erlaubt hat. Abends, wenn man im Hotel wieder Internet hat, lädt die Software die Bilder hoch. “Auf ganz simple Weise kann man ein digitales Fotobuch erstellen. Bisher war das deutlich schwieriger”, sagt Röttl. Mehr als 2000 Menschen nutzen mittlerweile diesen Dienst.

Heute lassen wir uns nur noch selten treiben, heute haben wir für jede ungewisse Situation eine App parat
Journi ist eine weitere App einer weiteren Firma, die zeigt, wie sich das Reisen verändert hat. Von der Planung bis hin zum Aufenthalt überlassen wir nichts mehr dem Zufall. Vorbei sind die Zeiten, in denen man mit riesigen Stadtplänen durch fremde Gassen stolperte und sich permanent verlief – jedoch gerade auf diesen Umwegen besondere Orte entdeckte: ein herrliches kleines Café, in dem nur Einheimische sitzen, oder ein Tapaslokal, von dem man noch Jahre später schwärmt.

Heute lassen wir uns nur noch selten treiben, heute haben wir für jede ungewisse Situation eine App parat. Ein Programm errechnet zum Beispiel, wie viel Trinkgeld man geben soll, ein anderes sagt einem, wann am Urlaubsort Vollmond ist. Geht dadurch ein Teil des Reiseerlebnisses verloren? Oder werden wir tatsächlich besser im Reisen?

Urlauben war vor dem Internet tatsächlich ein Wagnis. “Über Jahrzehnte hinweg fuhr man in den Urlaub mit einer ganz geringen Informationsdichte. Man kaufte eine Ware, die man im Vorfeld nie wirklich gesehen hatte”, sagt Axel Jockwer, ein Experte des digitalen Reiseangebots. Der Deutsche arbeitete jahrelang im Onlinetourismus, heute ist er Professor für Tourismusmanagement an der EBC Hochschule in Stuttgart.

Noch bevor es Youtube oder gar Facebook gab, krempelten schon Bewertungsseiten wie TripAdvisor die Hotelbranche um. “Früher konnten Hotels mitunter auch Mist verkaufen. Dann sind die verärgerten Kunden halt nächstes Jahr nicht mehr gekommen, dafür kamen andere Kunden”, sagt Jockwer. Das habe sich massiv verändert. Wer heute Touristennepp betreibt, wird darüber auch in seinen Bewertungen lesen.

Das Internet brachte also viel mehr Planbarkeit, und mit dieser Planbarkeit kamen neue Bedürfnisse: Man will nicht mehr in irgendein Hotel fahren, sondern in das Hotel, das genau zur eigenen Persönlichkeit passt. In eines, wo man sich durchgehend kohlehydratarm ernähren kann (das gibt es tatsächlich in Tirol), oder eines, wo man eine Art digitale Entschlackungskur angeboten bekommt, inklusive Stadtplan, Zeitung, Kerze und einen kleinem Safe, in dem sich das Smartphone wegsperren lässt (ein solches Hotel liegt in Dublin).

Ein bisschen ähnelt Airbnb einer Partnerbörse, bei der allerdings nicht die Liebe, sondern leerstehende Appartements vermittelt werden
Eine Website hat diese Individualisierung des Reisemarkts vorangetrieben wie kaum eine andere: Airbnb. Es ist ein großartiges Tool, um Menschen zusammenzubringen. Die Amerikanerin Valerie hat ein ungenütztes Zimmer in Santa Monica, gleich neben dem Strand. Sie vermietet es an die Deutsche Anke und ihren Mann um 96 Euro pro Nacht. Pedro hat ein Luxusappartement an der Küste nahe Valencia, die Kanadierin Theresa steigt darin um 137 Euro ab und schreibt online: “Das Appartement ist stilvoll eingerichtet und sehr gemütlich.” Ein bisschen ähnelt Airbnb einer Partnerbörse, bei der allerdings nicht die Liebe, sondern leerstehende Appartements vermittelt werden. “Economy of sharing” nennen die Amerikaner das.

Airbnb ist ein weltweites Phänomen: In 190 Ländern und mehr als 35.000 Städten kann man über die Website absteigen, allein in Österreich gibt es 3500 Airbnb-Gastgeber. Wie viele Menschen aus Österreich Airbnb schon genutzt haben, sagt die Firma nicht. Bekannt ist nur: Eine Million Deutsche sind mit dem Dienst bereits verreist. Der Wert des Unternehmens wird von Anlegern sogar auf zehn Milliarden Dollar geschätzt.

“Bei den typischen Airbnb-Gästen denkt man vielleicht an junge Kiddies, an Mitte 20-Jährige, die nicht so viel Geld haben. Tatsächlich ist der durchschnittliche Gast in Deutschland 34 Jahre alt”, sagt Christopher Cederskog, Regional-Manager für Deutschland, Österreich, Mittel-und Südosteuropa. Es gehe längst nicht nur um den Preis, der oft niedriger ist als in den Hotels, sondern um die Individualität: “Wir haben ein sehr hochpreisiges Segment, mit dem wir Menschen ansprechen, die sonst in 4-oder 5-Stern-Hotels gehen würden.”

Cederskog ist ein eloquenter Manager, der erzählt, wie er selbst in Costa Rica in einem stilvollen Baumhaus abstieg oder in einem Appartement mit 360-Grad-Blick über die idyllische Landschaft. Er berichtet davon am Telefon, denn Cederskog befindet sich gerade im Firmensitz in San Francisco, wo Airbnb 2008 loslegte. Mit drei Luftmatratzen, auf Englisch “airbed”, und einer ziemlich großen Wohnung.

“AirBed and Breakfast”, so hieß das Startup anfangs. Heute wirbt man nicht mehr mit Luftmatratzen, sondern ” einzigartigen, wunderbaren Unterkünften” und “Gastgebern zum Anfassen”. Tatsächlich gibt es viele Airbnb-User, die von solchen Erlebnissen schwärmen: Der Wiener Start-up-Gründer Röttl mietete in der Toskana ein Appartement. “Die Gastgeber waren zwei Brüder und luden uns gleich zum Abendessen ein. Das war ein italienisches Festmahl, wie man es sonst nur in Filmen sieht.”

Der Erfolg der Website baut nicht zuletzt auf den Versäumnissen der Hoteliers auf. In städtischen Hotels wird man oft kaum beraten. Man fragt den Concierge, wo es die nächste Apotheke gibt, und der weiß es nicht. Jedoch üben die Hoteliers zum Teil auch berechtigte Kritik an Airbnb: etwa, dass viele Airbnb-Gastgeber ihre Einkünfte nicht versteuern und ein ungerechter Wettbewerbsvorteil entstünde.

Das kann sich die Wienerin Doris Neubauer gut vorstellen: “Dieses Geschäftsmodell ist einfach extrem schwierig zu kontrollieren: Wenn jemand eine private Wohnung durchgehend via Airbnb vermietet, dann kommt irrsinnig viel Geld herein. Nur, wie soll das Finanzamt das merken?”

Die freie Journalistin zeigt, dass es anders geht: “Ich versteuere das, so wie jede andere Einnahme auch. Aber so viel ist es nicht.” Neubauer, 35, bietet seit heuer ein Zimmer in ihrer Eigentumswohnung an: 13 Quadratmeter, hell, gut gelegen im 6. Bezirk, 35 Euro die Nacht. Die Wohnung hat einen Balkon, ein großes Wohnzimmer, an der Wand hängen viele Fotos von den unzähligen Auslandsaufenthalten.

Sie ist eine Reiseidealistin, arbeitete zwei Jahre als Reisebloggerin und freie Autorin: “Wir haben alle schon so viel gesehen. Das Einzige, was uns noch überraschen kann, sind die Menschen.” Um diese Menschen tatsächlich kennenzulernen, nützt sie seit langem das Internet. 2007 begann sie couchzusurfen. Couchsurfing ähnelt Airbnb, ist aber gratis. Und weil es gratis ist, liegt man oft tatsächlich auf einer Couch. “Ich habe auf Couches geschlafen, am Boden, im Zimmer neben jemandem”, erzählt sie von ihren Reisen von Südamerika bis Indien.

Airbnb Kapitalismus in Reinform, die Website macht aus Privatpersonen Unternehmer und ermöglicht, dass jeder ungenützte Raum auf dem Markt feilgeboten wird
“Beim Couchsurfing ging es gerade in den Anfangszeiten nicht nur um die Gratisübernachtung, sondern um die Begegnung mit Menschen. Ich habe das Gefühl, dass es bei Airbnb viel mehr ums günstige Übernachten geht.” Sie bezweifelt, dass die meisten Gäste tatsächlich den Kontakt zu den Einheimischen suchen würden, wie das Airbnb gerne behauptet. Ihrer Erfahrung nach wollen viele gar kein Zimmer mieten, sondern die ganze Wohnung für sich allein.

Streng genommen ist Airbnb Kapitalismus in Reinform, die Website macht aus Privatpersonen Unternehmer und ermöglicht, dass jeder ungenützte Raum auf dem Markt feilgeboten wird, und sei es nur das leerstehende Kinderzimmer.

Urlaub ist ein trügerisches Thema: Jeder macht gerne Urlaub, die Branche ist darauf ausgerichtet, dass sich Menschen dabei wohlfühlen. Vor allem geht es aber um Geld, um verdammt viel Geld. Der Tourismus macht neun Prozent des Weltbruttosozialprodukts aus, erwirtschaftet somit mehr als die Ölindustrie.

Einen großen Teil der Einnahmen bringen aber noch immer Offl ine-Produkte, darunter der gedruckte Reiseführer. In Österreich macht er 7,6 Prozent aller Buchumsätze aus – trotz der Konkurrenz in den App-Stores. Warum eigentlich?

“Das liegt auch an der Schwäche der Smartphones: Eines der größten Probleme ist der Akku, der zu schnell leer wird”, sagt Röttl, der seine Journi-App deswegen extra so designt hat, dass sie möglichst wenig Batterie frisst. Röttl verreist deswegen selber noch immer mit dem gedruckten “Lonely Planet”. Er ist aber davon überzeugt, dass sich der digitale Reisemarkt stark weiterentwickeln wird: “Derzeit suchen viele fieberhaft nach einer Art Reisebüro 2.0. Die Idee ist, dass es online bessere Lösungen geben muss, um gute Reiseempfehlungen zu bekommen.” Ganz wie bei Amazon: Der Onlinehändler ist bekannt für seinen Algorithmus, der einem – oft ziemlich treffsicher -Bücher vorschlägt, die einen interessieren könnten. Bislang fehlt eine derartige Seite für das Reisen, die das eigene Reiseverhalten analysiert und den passenden Urlaub dazu vorschlägt.

Das würde Röttl gefallen: “Es ist aber eine totale Gratwanderung, das so zu designen, dass es den Leuten noch behagt. Diese Reiseempfehlungen sollten wie bei Amazon eher dezent im Hintergrund sein – und im Vordergrund sollte weiterhin die Möglichkeit stehen, alle Inhalte selbst zu durchsuchen.” Da ist sie wieder, die Idee, dass Algorithmen den perfekt zugeschnittenen Urlaub berechnen und Datenbanken uns das Besondere vermitteln können.

“Wenn man den Urlauber mit großer Aufmerksamkeit beobachtet, erahnt man die Veränderung in unserer Gesellschaft. Man sieht die Signale des Wertewandels”, meint Manfred Kohl, ein weiterer Kenner der Reisebranche. Der Villacher Unternehmensberater, 66, beobachtet seit Jahrzehnten Urlauber und erklärt Hoteliers und Tourismusregionen, was dem heutigen Reisenden wichtig ist.

Im Grunde ist der Urlauber auf der Suche nach dem guten Leben, nach einem Leben, von dem er sich wünschte, er könnte es dauernd führen
In den 1980er-Jahren gab es etwa die Spaßgesellschaft, die den dazugehörigen Urlaub buchte. “Heute suchen viele Menschen Lebensqualität. Sie sagen zum Beispiel, sie wollen Orte und Dienstleistungen, die ,stimmig’ sind und möglichst auf sie zugeschnitten”, meint der Unternehmensberater. So schätzen viele ökologisch nachhaltige Hotels oder Airbnb-Wohnungen, bei denen man ein vermeintlich authentischeres Erlebnis bekommt. “Im Grunde ist der Urlauber auf der Suche nach dem guten Leben, nach einem Leben, von dem er sich wünschte, er könnte es dauernd führen”, sagt Kohl. Deswegen sage es viel über uns aus, wie wir urlauben.

Folgt man seiner These, ist unsere Gesellschaft auch eine ziemlich kalkulierende und zahlengläubige: Wir möchten bloß keine Ungewissheit haben und hoffen, dass wir den perfekten Urlaub bekommen, wenn wir nur einmal genügend Daten ins System eingespeist haben.

 

Dieser Text war die Cover-Geschichte der Falter-Ausgabe 26/14. Illustration: Jochen Schievink

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  • Wer keine Sorgen hat, der macht sich welche und untermauert sie auch noch wissenschaftlich... 🤣

  • Eine weitere Ursache könnte sein, dass solche Falschmeldungen aus journalistischer Sicht einfach "origineller" und damit auffälliger sind als die "alltägliche Wahrheit". Journalist/innen wollen, dass ihre Meldungen möglichst gut ankommen. Dafür haben sie vor allem zwei Möglichkeiten:
    1.) Sie finden ein Sensation und berichten darüber.
    2.) Sie erfinden eine Sensation und berichten darüber.
    Nur Qualitätsjournalist/innen haben eine dritte Option:
    Sie gehen in die Tiefe und decken Hintergründe sowie Beweggründe von Geschehnissen auf. Damit erreichen sie aber leider meist nicht die Massen.

  • zu 9: correctiv meldet am Schluss, dass nicht 2,6 sondern 5,3% aller Immigranten als Flüchtlinge anerkannt wurden. Wow, das ändert die Lage ja völlig, Hahaha!! Heißt jetzt, mit "5 von Hundert" wäre die Schlagzeile korrekt, die Aussage der Schlagzeile, dass nur ein verschwindend geringer Anteil der uns immer als "Flüchtlinge" verkauften Menschen tatsächlich Flüchtlingsstatus haben, bleibt also völlig intakt!

  • Zu dieser Thematik fallen mir gleich eine ganze Reihe von Zitaten ein, die belegen, dass die hier behandelten sozialen Wirkungen schon längst bekannt sind und kein wirklich neues Phänomen darstellen.
    „Aus Lügen, die wir ständig wiederholen, werden Wahrheiten, die unser tägliches Leben bestimmen.“ Hegel (1770-1831)
    „Nicht Tatsachen, sondern Meinungen über Tatsachen, bestimmen das Zusammenleben“ Epiktet (um 50 bis 138 n.Chr.)
    Und der größte Unsinn ist der Spruch im Volksmund:
    „wer einmal lügt, dem glaubt man nicht“
    Richtig ist: „wer ständig lügt, dem glaubt man schließlich“
    oder wenn oft genug Falsches gesagt, gedacht, geschrieben wird, wird es richtig!
    Siehe dazu auch solch banale Dinge, wie die Falschschreibung(sprechung) des Adjektivs extrovertiert.
    Natürlich heißt es extravertiert, aber es wurde die letzten 50 Jahre so oft falsch geschrieben und gesprochen, dass es schließlich in der falschen Form im Duden gelandet ist....
    keep groovin´& over the tellerrand thinkin´´

  • Tja, wenn's nur immer so leicht ginge eine Fake News zu identifizieren. Genau Schritt 3 ist nämlich das Problem - in vielen Fällen lässt sich eben nicht oder erst viel zu spät nachweisen, dass gezielte Irreführung betrieben wird. Und dann ist eine Fake News schon eine gewisse Zeit Fakt News geworden...

  • Ungefähr jedes Merkmal oder jede Manipulationstechnik, die hier exklusiv "rechts" zugeschrieben wird, ist von allen Akteuren im politischen Spektrum in exakt der angeprangerten Form genutzt worden und wird es weiterhin. Die "AfD-Wut" über irgendwas unterscheidet sich beim Facebook-Emoji nicht von der Wut über Lohnungerechtigkeit oder tote Kinder am Strand unter einem taz-Artikel, die patriotische App unterscheidet sich funktional rein gar nicht von gleichartigen Apps, die zur "Vernetzung von Protest" erstellt wurden und nun ja, "Revolutionsversprechen" sind rechts? ... kicher ... schon mal auf 'ner 1.Mai-Demo gewesen?

    • Es gibt signifikant messbare Unterschiede zwischen den Parteien - dass die AfD stärker Wut erntet als andere, ist das Ergebnis dieser Untersuchung von Josef Holnburger: http://holnburger.com/Auf_den_Spuren_des_Wutbuergers.pdf Man kann dort auch alle anderen Parteien ansehen und nachlesen, welche Reaktionen diese ernten. Aber natürlich: Wut ist eine universelle Emotion, gesellschaftlicher Wandel wird oft über Wut erreicht, zB weil Menschen einen unfairen Zustand nicht länger hinnehmen wollen. In meinen Augen macht es einen qualitativen Unterschied, in welche Richtung Parteien Wut einsetzen - problematisch wird Wut meines Erachtens, wenn man sie gegen gesellschaftlich schwächer gestellte Menschengruppen einsetzt

  • Vielleicht nur am Rande (oder auch gar nicht...) interessant, aber hier noch ein kleiner Exkurs zum Thema Technologie und Utopie: Bereits im Zusammenhang mit elektrischer Telegrafie und mit der Verlegung des ersten transatlantischen Unterseekabels in den 1850er/60er Jahren äußerten Zeitgenossen immer wieder die Idee, dass, sobald dieses Kabel verlegt und somit Kommunikation im Minutentakt zwischen Großbritannien und Nordamerika möglich sei, eine Ära immerwährenden Friedens zwischen GB und den USA ihren Anfang nähme. Wer sich minutenschnell austauschen könne, der könne schließlich alle potentiellen Konflikte oder Unstimmigkeiten im Nu aus dem Weg räumen. Bald musste man aber feststellen, dass dem nicht so war, wobei hier unterschiedliche Faktoren ihren Teil dazu beitrugen (hohe Kosten pro Nachricht, weshalb diese stark verkürzt wurden, diplomatisches Prozedere, das mit dieser neuen Form der Kommunikation nur schwer zu vereinbaren war, etc.) - In der britischen Presse der damaligen Zeit wurde diese Entwicklung dann wiederum ausgesprochen reflektiert betrachtet und techniksoziologische Betrachtungen angestellt, die heutigen Ansätzen in nichts nachstehen (ich habe da nur Einblicke in die britische Presse, wie an anderer Stelle darüber geschrieben wurde, weiß ich nicht). Ironischerweise war es dann einige Jahrzehnte später ein Telegramm, mit dem Österreich-Ungarn Serbien den Krieg erklärte...
    Aber wie gesagt... das nur am Rande.
    Ansonsten - schöner Vortrag! Like! Respect! :)

    • Das ist total spannend! Sorry für die späte Antwort, aber hatte den Kommentar noch gar nicht gesehen: Das ist eine extrem interessante Anekdote! Ist das vielleicht irgendwo beschrieben, wo ich mehr dazu lesen kann? Ich sammle solche Beispiele auch gerne, weil man weiß nie, wo man solche Beispiele unterbringen kann... Auf jeden Fall: Danke schön für die interessante Rückmeldung!

  • „Politische Diskussionskultur“ - das ist freilich speziell in Österreich sowieso eine der permanent endangered species.

  • Bald sind wir so durchgeregelt, dass wir gar keinen Spielraum mehr für Meinungsbildung haben und nur noch das politisch Erwünschte denken. Wünsche aber sind keine Rechte. Sie sind höchstens ein Anzeichen verwöhnten Wohlstands, der Befindlichkeiten zum Nachteil aller anderen hochhält, Menschen gegeneinander ausspielt und Beliebigkeit statt Kritik- und Konfliktfähigkeit kultiviert. Haben wir uns zur modernen Wohlstandsgesellschaft entwickelt, um solche Menschen zu werden?

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