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Die USA späht die Internet-bevölkerung aus und viele Staaten machen eifrig mit. Ist der Kampf um die Privatsphäre schon verloren?

Die Lage ist trist. So trist, dass sich der deutsche Innenminister Hans-Peter Friedrich vergangene Woche zu einem extremen Ratschlag veranlasst fühlte. Er empfahl quasi ein Internet ohne Google, Facebook oder Twitter. “Wer auch immer fürchtet, dass seine Kommunikation irgendwie abgefangen wird“, sagte der CSU-Minister, “soll keine Dienste nutzen, die über amerikanische Server laufen.“

Ein gut gemeinter Rat, doch der Großteil unseres Netzes wird von amerikanischen Firmen dominiert, vom Suchmaschinenriesen Google bis zum Computerhersteller Apple. Wer eine Gmail-Adresse besitzt, mit seinen Freunden über Facebook kommuniziert oder ein iPhone besitzt, kann auf amerikanische Dienste nicht verzichten.

Tag für Tag ereilen uns neue Schreckensmeldungen zum Abhörprogramm Prism. Der Guardian berichtet, die USA hätten den umfassendsten Überwachungsapparat seit der Erfindung des Internets aufgebaut, sie würden Bürger außerhalb der USA ausspähen. Laut Spiegel zeichnen die Amerikaner allein in Deutschland im Monat rund eine halbe Milliarde Verbindungsdaten auf; etwa die Information, wer wann wem ein E-Mail sendete. All diese Anschuldigen stammen von Edward Snowden, jenem Whistleblower, der einst als Systemadministrator für den Geheimdienst NSA arbeitete und den Medien etliche Unterlagen zuspielte.

Wie groß der Datenspeicher der USA sein könnte, zeigt ein internes E-Mail, das der Guardian veröffentlichte. Darin gratuliert sich angeblich eine Untereinheit der NSA selbst. Man feierte “its One Trillionth metadata record“. Zu Deutsch: die einebillionste Aufzeichnung von Verbindungsdaten, also wer wann mit wem Kontakt hat.

Eine Billion, das ist ein Einer mit zwölf Nullen dran, und die Zahl stellt womöglich nur einen Bruchteil der Überwachung dar. Wenn all das stimmt, ist die Chance nicht einmal so gering, dass man in den riesigen Datenspeichern Amerikas bereits irgendwo vermerkt wurde. Aber ist der Kampf um die Privatheit tatsächlich schon verloren?

Die Schlacht verläuft an drei Fronten: einer technischen, einer wirtschaftlichen und einer rechtlichen. Rein technisch gäbe es Möglichkeiten, zumindest nicht ganz so transparent zu sein. Jeder Internetuser kann Software herunterladen, um seine E-Mails zu verschlüsseln, um sein Surfverhalten zu verschleiern oder Anhänge in Mails ohne Zugangscode unlesbar zu machen. Diese Programme heißen PGP (Pretty Good Privacy), TOR oder TrueCrypt. Laut Whistleblower Snowden kann nicht einmal die NSA solche verschlüsselten Nachrichten lesen. Technik ist also ein guter Start.

Jedoch verschlüsselt kaum wer E-Mails und nur wenige nutzen Anonymisierungsdienste wie TOR. Das Problem ist: Je sicherer ein System wird, desto umständlicher und unbequemer muss es auch werden. Es dauert mitunter länger, eine Seite aufzurufen, und der Empfänger der Nachricht muss auch Verschlüsselungstechnologie nutzen, sonst funktioniert das Ganze nicht. Auch gibt es keine Möglichkeit, verborgen via Facebook oder iPhone zu kommunizieren. Kurz gesagt: Software ist eine Lösung, aber eine komplizierte.

Wenn Europa langfristig vor amerikanischen Überwachern sicher sein will, braucht es auch Datensouveränität.
Wenn Europa langfristig vor amerikanischen Überwachern sicher sein will, braucht es auch Datensouveränität. Ein Weg dorthin ist die Wirtschaft. Das meint zumindest der österreichische EU-Abgeordnete Josef Weidenholzer (SPÖ). “Hier hätten europäische Unternehmen sogar einen Wettbewerbsvorteil, den starken Datenschutz.“ Das würden vielleicht auch Konsumenten in Lateinamerika, Asien oder dem arabischen Raum schätzen. Zunehmend entdeckt auch die EU dieses Thema und versucht langsam, den digitalen Markt zu harmonisieren. So sollen große europäische Webdienste entstehen, die mit den amerikanischen Riesen konkurrieren können.

All das funktioniert nur, wenn Europa tatsächlich den eigenen Datenschutz ernst nimmt. Derzeit scheint das nicht so. Als das Überwachungsprogramm Prism aufflog, hielten sich einige EU-Staaten bedeckt. Das liegt womöglich auch daran, dass sie ein doppeltes Spiel treiben. Öffentlich plädieren Politiker für den Schutz der Privatsphäre, inoffiziell kooperieren ihre Geheimdienste mit den Amerikanern oder betreiben sogar selbst den Lauschangriff aufs Internet. Laut Guardian hat Großbritannien ein ähnliches Programm, bei dem sich der britische Nachrichtendienst ebenfalls Zugang zu Netzwerkkabeln verschafft haben und riesige Datenmengen auswerten soll. In Frankreich berichtete Le Monde erst vergangene Woche, dass dort sowohl Telefonate als auch die Webkommunikation überwacht und Verbindungsdaten auf riesigen Servern gespeichert würden. Auch fehle hier eine “ernsthafte Kontrolle“.

Ohne das Wissen der Bevölkerung scheinen einige Geheimdienste massive Abhörprogramme gestartet zu haben, die mitunter sogar legal sind. In den USA warnen Juristen schon seit Jahren vor dem sogenannten “Foreign Intelligence Surveillance Act“, der der NSA weitgehende Befugnisse einräumt, aber keine herkömmliche richterliche Kontrolle vorsieht. Stattdessen wurde ein Geheimgericht installiert, dessen Entscheidungen nicht öffentlich sind. “Wir wissen nicht, wie das Gericht das Gesetz genau interpretiert“, sagt Anjali Dalal, Verfassungsexpertin der Yale Law School.

Die Demokratie ist die wichtigste Front im Kampf um die Privatheit.
Die Demokratie ist die wichtigste Front im Kampf um die Privatheit. Im Kern geht es um zwei Fragen: Wie unkontrolliert dürfen Geheimdienste vorgehen? Und was können andere Staaten gegen derartige Spionage tun? Europa wirkt ohnmächtig, ist es aber gar nicht. Derzeit wird im EU-Parlament die neue Datenschutzverordnung ausverhandelt, ein zentrales Dokument zum Schutz vor allzu großer Neugier von Staaten oder Firmen.

Die neue Verordnung könnte dazu führen, dass US-Firmen nicht länger europäische Grundrechte ignorieren können, sonst drohen hohe Strafzahlungen. Außerdem verbot die ursprüngliche Fassung fremden Staaten auch den Zugriff auf die Daten europäischer Bürger. Im berüchtigten Artikel 42 stand wortwörtlich geschrieben, dass kein Gericht und keine Behörde eines Nicht-EU-Staats die Herausgabe von persönlichen Daten der europäischen Bevölkerung erzwingen darf. Verstößt dann ein US-Unternehmen wie Facebook dagegen, könnten hohe Strafen folgen.

Doch dann machten die Amerikaner Druck, Artikel 42 verschwand wieder aus der Verordnung. Sie drohte bis zur Unkenntlichkeit abgeschwächt zu werden – bis Prism aufflog. Seither sind die Gegner eines harten Datenschutzes stiller geworden. “Ich sehe sogar gute Chancen, dass Artikel 42 in die Verordnung kommt“, sagt der Abgeordnete Weidenholzer.

Die Verordnung ist nur eines von vielen Beispielen, wie Europa reagieren kann. Ebenfalls ließen sich Handelsabkommen aufkündigen oder laufende Verhandlungen mit den USA stoppen. Sehr unklar ist jedoch, ob sich Europa dazu durchringen wird. Derzeit scheint sich kein Staat offen mit den Amerikanern anlegen zu wollen.

Das konnte man übrigens auch vergangene Woche am Wiener Flughafen beobachten. Die Maschine des bolivianischen Präsidenten Evo Morales wurde zur Landung gezwungen, da Spanien, Frankreich und Portugal den Überflug verweigerten. Es hieß, das Staatsoberhaupt könnte Edward Snowden in seinem Flugzeug versteckt halten – was nicht der Fall war. Dieser sitzt weiterhin am Moskauer Flughafen fest. Erst nach 13 Stunden unfreiwilligen Aufenthalts in Wien, und nachdem seine Maschine von österreichischen Beamten durchsucht worden war, konnte Morales weiterfliegen. Ein diplomatischer Eklat, bei dem auch die Rolle Österreichs sehr umstritten ist.

Der Vorfall zeigt, wie angespannt die Lage ist. Die USA üben Druck aus, um des Whistleblowers Snowden habhaft zu werden und weitere peinliche Veröffentlichungen zu verhindern. Die EU scheint zögerlich und intern gespalten. Die Lage ist trist und sie wird wohl noch trister. Der Guardian hat bereits weitere Enthüllungen angekündigt, die den Einblick in die Welt der Überwacher vertiefen.

Machtlos gegenüber den Geheimdiensten wären Politik und Bevölkerung aber nicht. Von harten Gesetzen über Verschlüsselung bis hin zu alternativen Web-Angeboten – Europa und die einzelnen Staaten könnten sehr wohl etwas tun, sofern ihre Bürger das einfordern. Verloren ist der Kampf um die Privatheit nämlich dann, wenn sich keiner mehr dafür einsetzt.

 

Dieser Artikel ist im Falter 28/13 erschienen. Illustration: Oliver Hofmann

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  • Ich glaube, dem ORF fehlt der Mut, wirklich zu diesen komplexeren Serien zu stehen und auch in Kauf zu nehmen, dass sie nicht ad hoc ein Massenpublikum anziehen. Für den Artikel habe ich mit mehreren Fernsehmachern oder -experten gesprochen und ein spannender Aspekt an dem Ganzen ist auch die Frage der Programmierung: Zu welcher Uhrzeit läuft was und weiß das Publikum das überhaupt?

    Beispiel Serienmontag im ORF. Den gibt's mittlerweile seit ein paar Jahren und die Zuseher können sich darauf verlassen: Am Montag laufen abends unterhaltsame Serien wie Grey's Anatomy oder CSI NY. Das funktioniert sehr gut, weil der Serienmontag zu einer Art Marke des ORF wurde.

    Wenn hingegen neue und komplexere Serien gar keine Chance gegeben wird und sie nach mittelmäßigen Quoten sofort in die späte Nacht verbannt werden, kann sich das Publikum gar nicht daran gewöhnen, dass es zu einer gewissen Uhrzeit einschalten und hochqualitatives Programm sehen kann.

    Ich fände es zum Beispiel spannend, wenn der ORF sagen würde: Mittwoch ist unser Abend für anspruchsvolle, aber sehenswerte Serien. Egal, ob diese dann Californication, Dexter oder Damages heißen, kann man sich als Zuseher merken: Wenn ich am Mittwoch einschalte, erwartet mich kein Blödsinn, sondern gutes Programm. Natürlich ist die ganze Thematik noch komplexer als das. Aber eine verlässliche Programmierung ist wahrscheinlich ein wichtiger Aspekt beim Erfolg einer Serie.

  • Sowas wurde doch auch mit der Donnerstag Nacht versucht. Die war mal wirklich gut! Serie - (Grey's) - Serie (House) - Die 4 da - Sendung ohne Namen - Serie (My name ist Earl) oder so. Hat sich auch nicht so recht durchgesetzt. Die 4 da war dem ORF wohl zu systemkritisch.

    Es ist ja nicht so, dass komplexere Serien nicht dem Zuseher Angeboten wurde. Auf alle Fälle gab es die erste Staffel Rom zu sehen und falls ich mich nicht komplett irre auch Band of Brothers. Für Rome wurde einiges an Werbeaufwand betrieben und soweit ich mich erinnern kann waren die Folgen mit 21:05 auch zu einer brauchbaren Uhrzeit.

    Was zusätzlich noch zur ganzen Thematik aber auch die Frage aufwirft, warum sich die Masse des Fernsehpublikums lieber den 27sten Aufguss einer Castingshow ansieht als eine komplexe, spannende Fernsehserie und ist es wirklich so, oder ist es die Auffassung der ORF Programmgestalter?
    Ist es echt nur, weil man dann ja keine Folge verpassen darf und der ORF mit Wiederholungen zu unflexibel ist, oder ist es weil sich Großteil des Publikums nur stumpfsinnig berieseln lassen will? Und wer hat den Konsument so werden lassen, wurde man durch immer mehr werdenden Stumpfsinn ausgehöhlt oder fordert das Publikum Stumpfsinn einfach ein?

  • Eines der Hauptprobleme ist jedoch nicht das vervollständigen von Daten, sondern die meist Kontextlose Verwendung.

    Vor einigen Tagen erst wurde der Erfolg des neuen Personalausweises gerühmt, mit der bestärkenden Information, dass die Online Abfrage in der Verkehrssündenkartei im Vergleichszeitraum um 200% gestiegen ist. Problematisch nur, wenn man bei dieser Erfolgsstory verschweigt, dass es sich hier gerade mal um eine 2-stellige Personenzahl handelt.

    Viele Daten werden einfach so weit herunter-reduziert, dass man jede gewünschte Aussage damit untermauern kann.

  • Gut geschriebener Artikel - vor allem der Titel gefällt mir :-)
    Leider ist mein Zitat ein wenig aus dem Zusammenhang gerissen. Ich halte auch das jetzige, wenn auch noch kleine Angebot der Stadt Wien in Sache offene Daten keineswegs für einen Witz, sondern ganz im Gegenteil: Wien wird denke ich für andere österreichische Städte und auch den Bund Vorbild und Benchmark sein, was die nachhaltige Veröffentlichung von Datensätzen betrifft.
    Das auch mit wenigen Datensätze bereits nützliche Apps und Visualisierungen erstellt werden können, zeigt außerdem ja das App-Verzeichnis auf data.wien.gv.at
    Natürlich ist der Weg zur vollständigen Integration von Open Government-Prinzipien in der Wiener Stadtverwaltung/in Österreich noch weit (im Vergleich zu Großbritannien beispielsweise), aber die Richtung stimmt mal würde ich sagen :-)

  • Verstehe den Artikel - frag mich aber nach dem Sinn ...
    meiner Meinung nach sollte der ORF weniger Serien bringen. Das kann man ja den anderen (privaten) überlassen.
    der ORF sollte das Geld nehmen und eigene Formate entwickeln. Und wenn alle in die Hose gehen - was soll's? Immer noch besser als teure Serien zu kaufen, die sich dann nur die drei Leute (du und die anderen hippen Hyper [gebildet]) ansehen, die ein Bedürfnis danach haben, die Speerspitze von etwas zu sein, das eben hipp-gehypt wurde von jemandem, der das schon ist (Nüchtern vielleicht in dem seltsamen Artikel über die Serien - vor ein paar Faltern). Das klingt jetzt nicht so gemein, wie es klingen sollte. :-)

  • Domainnamen haben sich in Wahrheit nie wirklich durchgesetzt und sind bereits jetzt auf dem Rückzug, wo Otto-Normal-Nutzer sowieso nur mehr ein Stichwort in das Suchfeld des Browsers eingibt, und damit im Extremfall nach Google googlet.
    Mit den neuen TLDs wird das Chaos nur noch größer, niemand wird sich zusätzlich zu einem Stichwort auch noch die Endung merken (heute: implizit ".com").
    Schade.

  • Ich würde derartige Verallgemeinerungen vermeiden. Mathematik war für mich das einfachste Fach überhaupt, habe nie etwas gelernt, nicht aufgepasst und trotzdem fast nur "Sehr Gut" erhalten; dafür waren Aufsätze in allen unterrichteten Sprachen meist eher rot angezeichnet. Dennoch bin ich der Meinung, dass der Mathematik-Unterricht an der AHS, so wie er jetzt stattfindet, sinnlos ist.

  • Frage: Ist Loslösung von der Gesellschaft per se schlecht?
    2. Frage: Wie kann ich eine Vorstellung/Vision haben, wenn ich im banalen (nicht negativ gemeint) feststecke.
    Das Problem bei unseren doch oft sehr dumpfen Volksvertretern ist, dass viele von ihnen losgelöst von der Gesellschaft skuril banal sind.
    Hat wenig mit dem Thema zu tun - gebe ich hin. Ich habe mich durch den Artikel gequält ... seit wann brauchen artikel twists. Muss der Leser bis zum Schluß im Unklaren bleiben wo es hingeht?
    LG Paolo

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