„Die Leute sagen: Mir reicht’s!“
Der Protestsongcontest im Rabenhof wird zehn. Erfinder Gerald Stocker im Gespräch
Vom Weltschmerz zum Einzelschicksal, von einer schwarz-blauen Regierung zum Flüchtlingscamp in der Wiener Votivkirche. In zehn Jahren Protestsongcontest (PSC) haben sich nicht nur die politischen Themen verändert. Diesen Samstag zeigt ein Best-of-Konzert, wie sich die zugehörigen Lieder entwickelt haben. Am Dienstag steigt dann Protestsongcontest Nummer zehn. Gerald Stocker, Erfinder und Mitorganisator der Veranstaltung, verrät schon jetzt, wer seine Favoriten sind.
Herr Stocker, seit zehn Jahren betreiben Sie den Protestsongcontest. Hat er in dieser Zeit politisch etwas bewirkt?
Gerald Stocker: Wegen uns ist sicher kein Politiker zurückgetreten und es wurde kein Gesetz geändert. Aber ich glaube schon, dass er etwas bewirkt, weil sich viele junge Menschen mit politischen Themen beschäftigen. Wir bieten ihnen eine Plattform.
Haben sich die Themen über die Jahre verändert?
Stocker: Absolut. Einige politische Feindbilder haben sich überlebt, die schwarz-blaue Regierung etwa oder George W. Bush. In den ersten Jahren gab es viele allgemein gehaltene Stücke, mittlerweile wurden die Texte individueller und sozialkritischer. Die Leute erzählen von Einzelschicksalen, von Ausländerfeindlichkeit oder wirtschaftlich prekären Situationen.
Warum singen die Menschen jetzt verstärkt in der Ich-Perspektive?
Stocker: Ich vermute, weil ihnen die Probleme immer näher rücken. Manche Leute sind derartig verzweifelt, dass sie nicht mehr über allgemeine Themen reden wollen. Sie sagen: Mir reicht’s! Viele Lieder bringen diese persönliche Krise zum Ausdruck.
Soll der Protestsongcontest auch dazu führen, dass sich diese Leute mit ihren Einzelschicksalen zusammenschließen?
Stocker: Ich sehe das schon so. Im Laufe des Protestsongcontests merken viele Leute, dass sie die gleichen Dinge beschäftigen. Diesmal sind die Refugees des Wiener Refugee Camps im Finale. Die brauchen vermutlich nicht den Protestsongcontest, um auf ihr Anliegen hinzuweisen. Aber so erreichen sie noch eine weitere Gruppe von Menschen, die dann sagt: Okay, wir haben schon davon gehört, aber jetzt beschäftigen wir uns noch intensiver damit.
Was ist Ihnen wichtiger: Dass der Text oder die Musik eines Liedes überzeugt?
Stocker: In der Vorjury ist zumindest nicht entscheidend, ob jemand den Ton trifft, sondern ob er uns im Herzen trifft. Den Sieger wählt ohnehin die Jury im Finale aus.
Am Samstag vor dem Protestsongcontest gibt es ein Best-of-PSC-Konzert. Wer tritt dort auf?
Stocker: Binder & Krieglstein mit ihrem Beitrag “Alles verloren“. Mieze Medusa, die als erste und leider bislang einzige Frau den Protestsongcontest gewann. Das Erste Wiener Heimorgelorchester, Manuel Normal, Rotzpipn und andere mehr. Jeder singt seinen Protestsongcontest-Beitrag und zwei andere Nummern. Es soll auch eine Zeitreise sein, um zu zeigen: Wo haben wir angefangen, wo sind wir jetzt?
Wie wichtig ist der Rabenhof für den Protestsongcontest?
Stocker: Ohne den Rabenhof gäbe es ihn gar nicht. Thomas Gratzer vom Theater im Rabenhof meinte damals, er wolle ein Projekt zum 12. Februar 2004 machen, dem 70. Jubiläum des Bürgerkriegs. Ich sagte: Pass auf, das soll was Erdiges sein, die Leute sollen sich einbringen können. Gemeinsam mit dem Dramaturgen und Regisseur Roman Freigaßner entwickelten wir zu dritt das Konzept.
Einer der schönsten Momente beim Protestsongcontest ist immer, wenn der Arbeitersängerbund auf die Bühne tritt und die “Arbeiter von Wien“ singt.
Stocker: Stimmt, da sieht man, wie es den Leuten kalt den Rücken runterrinnt. Der Arbeitersängerbund soll auch in Erinnerung rufen, warum wir das ausgerechnet am 12. Februar im Rabenhof machen. Der Rabenhof ist ja ein Gemeindebau. Bei den Februarkämpfen 1934 wurde hier auch geschossen.
Der Chor soll also auch ein eine ernste Note reinbringen?
Stocker: Genau, wenn man mit dem Radiosender FM4 kooperiert, denken viele Menschen oft zu Unrecht: Eh klar, reine Spaßveranstaltung. Natürlich: Protest soll auch Spaß machen dürfen. Aber durch den Arbeitersängerbund wird das Ganze auch irgendwie geerdet.
Und jetzt? Wer gewinnt den zehnten Protestsongcontest?
Stocker: Das Refugee-Lied wird sicher gut ankommen. Es ist ein Liebeslied an Wien, das sehr brüchig ist, weil diese Refugees von Wien und von Österreich ja nicht geliebt werden. Die Anstaltskinda haben eine mitreißende Nummer gegen das ständige Sudern. Das sind so meine Songs. Aber ich muss anmerken: Bis auf Rainer von Vielen habe ich den Sieger noch nie erraten. Deswegen würde ich auf meine Vorhersage nicht zu viel setzen.
Veranstaltungshinweis:
– Best-of-Konzert am Samstag, 9. Februar, ab 19 Uhr im Rabenhof
– Der 10. Protestsongcontest findet am Dienstag, 12. Februar, ab 20 Uhr im Rabenhof statt
Eine kürzere Version des Interviews erschien im Falter, Ausgabe 6/12. Fotos: Dimo Dimov / Protestsongcontest. Disclaimer: Ich selbst bin nicht nur eine große Freundin des Protestsongcontests, sondern durfte auch bereits in der Jury sitzen.
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Ich glaube, dem ORF fehlt der Mut, wirklich zu diesen komplexeren Serien zu stehen und auch in Kauf zu nehmen, dass sie nicht ad hoc ein Massenpublikum anziehen. Für den Artikel habe ich mit mehreren Fernsehmachern oder -experten gesprochen und ein spannender Aspekt an dem Ganzen ist auch die Frage der Programmierung: Zu welcher Uhrzeit läuft was und weiß das Publikum das überhaupt?
Beispiel Serienmontag im ORF. Den gibt's mittlerweile seit ein paar Jahren und die Zuseher können sich darauf verlassen: Am Montag laufen abends unterhaltsame Serien wie Grey's Anatomy oder CSI NY. Das funktioniert sehr gut, weil der Serienmontag zu einer Art Marke des ORF wurde.
Wenn hingegen neue und komplexere Serien gar keine Chance gegeben wird und sie nach mittelmäßigen Quoten sofort in die späte Nacht verbannt werden, kann sich das Publikum gar nicht daran gewöhnen, dass es zu einer gewissen Uhrzeit einschalten und hochqualitatives Programm sehen kann.
Ich fände es zum Beispiel spannend, wenn der ORF sagen würde: Mittwoch ist unser Abend für anspruchsvolle, aber sehenswerte Serien. Egal, ob diese dann Californication, Dexter oder Damages heißen, kann man sich als Zuseher merken: Wenn ich am Mittwoch einschalte, erwartet mich kein Blödsinn, sondern gutes Programm. Natürlich ist die ganze Thematik noch komplexer als das. Aber eine verlässliche Programmierung ist wahrscheinlich ein wichtiger Aspekt beim Erfolg einer Serie.
Sowas wurde doch auch mit der Donnerstag Nacht versucht. Die war mal wirklich gut! Serie - (Grey's) - Serie (House) - Die 4 da - Sendung ohne Namen - Serie (My name ist Earl) oder so. Hat sich auch nicht so recht durchgesetzt. Die 4 da war dem ORF wohl zu systemkritisch.
Es ist ja nicht so, dass komplexere Serien nicht dem Zuseher Angeboten wurde. Auf alle Fälle gab es die erste Staffel Rom zu sehen und falls ich mich nicht komplett irre auch Band of Brothers. Für Rome wurde einiges an Werbeaufwand betrieben und soweit ich mich erinnern kann waren die Folgen mit 21:05 auch zu einer brauchbaren Uhrzeit.
Was zusätzlich noch zur ganzen Thematik aber auch die Frage aufwirft, warum sich die Masse des Fernsehpublikums lieber den 27sten Aufguss einer Castingshow ansieht als eine komplexe, spannende Fernsehserie und ist es wirklich so, oder ist es die Auffassung der ORF Programmgestalter?
Ist es echt nur, weil man dann ja keine Folge verpassen darf und der ORF mit Wiederholungen zu unflexibel ist, oder ist es weil sich Großteil des Publikums nur stumpfsinnig berieseln lassen will? Und wer hat den Konsument so werden lassen, wurde man durch immer mehr werdenden Stumpfsinn ausgehöhlt oder fordert das Publikum Stumpfsinn einfach ein?
Eines der Hauptprobleme ist jedoch nicht das vervollständigen von Daten, sondern die meist Kontextlose Verwendung.
Vor einigen Tagen erst wurde der Erfolg des neuen Personalausweises gerühmt, mit der bestärkenden Information, dass die Online Abfrage in der Verkehrssündenkartei im Vergleichszeitraum um 200% gestiegen ist. Problematisch nur, wenn man bei dieser Erfolgsstory verschweigt, dass es sich hier gerade mal um eine 2-stellige Personenzahl handelt.
Viele Daten werden einfach so weit herunter-reduziert, dass man jede gewünschte Aussage damit untermauern kann.
Gut geschriebener Artikel - vor allem der Titel gefällt mir :-)
Leider ist mein Zitat ein wenig aus dem Zusammenhang gerissen. Ich halte auch das jetzige, wenn auch noch kleine Angebot der Stadt Wien in Sache offene Daten keineswegs für einen Witz, sondern ganz im Gegenteil: Wien wird denke ich für andere österreichische Städte und auch den Bund Vorbild und Benchmark sein, was die nachhaltige Veröffentlichung von Datensätzen betrifft.
Das auch mit wenigen Datensätze bereits nützliche Apps und Visualisierungen erstellt werden können, zeigt außerdem ja das App-Verzeichnis auf data.wien.gv.at
Natürlich ist der Weg zur vollständigen Integration von Open Government-Prinzipien in der Wiener Stadtverwaltung/in Österreich noch weit (im Vergleich zu Großbritannien beispielsweise), aber die Richtung stimmt mal würde ich sagen :-)
Möchte gerne auf meinen Artikel in der Zeitschrift "Die Zukunft", Juli 2010, verweisen:
"Open Government - let the sunshine in"
http://diezukunft.at/?p=1463
sowie auf meine Linksammlung auf: http://bit.ly/aEwPsW
Mit besten Grüßen
Rudolf Legat
http://www.ref.gv.at/uploads/media/Oesterreichs_Weg_zum_Europaeischen_Shared_Environmental_Information_System.pdf
Darum habe ich Sky – Abo!
Verstehe den Artikel - frag mich aber nach dem Sinn ...
meiner Meinung nach sollte der ORF weniger Serien bringen. Das kann man ja den anderen (privaten) überlassen.
der ORF sollte das Geld nehmen und eigene Formate entwickeln. Und wenn alle in die Hose gehen - was soll's? Immer noch besser als teure Serien zu kaufen, die sich dann nur die drei Leute (du und die anderen hippen Hyper [gebildet]) ansehen, die ein Bedürfnis danach haben, die Speerspitze von etwas zu sein, das eben hipp-gehypt wurde von jemandem, der das schon ist (Nüchtern vielleicht in dem seltsamen Artikel über die Serien - vor ein paar Faltern). Das klingt jetzt nicht so gemein, wie es klingen sollte. :-)
Domainnamen haben sich in Wahrheit nie wirklich durchgesetzt und sind bereits jetzt auf dem Rückzug, wo Otto-Normal-Nutzer sowieso nur mehr ein Stichwort in das Suchfeld des Browsers eingibt, und damit im Extremfall nach Google googlet.
Mit den neuen TLDs wird das Chaos nur noch größer, niemand wird sich zusätzlich zu einem Stichwort auch noch die Endung merken (heute: implizit ".com").
Schade.
Ich würde derartige Verallgemeinerungen vermeiden. Mathematik war für mich das einfachste Fach überhaupt, habe nie etwas gelernt, nicht aufgepasst und trotzdem fast nur "Sehr Gut" erhalten; dafür waren Aufsätze in allen unterrichteten Sprachen meist eher rot angezeichnet. Dennoch bin ich der Meinung, dass der Mathematik-Unterricht an der AHS, so wie er jetzt stattfindet, sinnlos ist.
Frage: Ist Loslösung von der Gesellschaft per se schlecht?
2. Frage: Wie kann ich eine Vorstellung/Vision haben, wenn ich im banalen (nicht negativ gemeint) feststecke.
Das Problem bei unseren doch oft sehr dumpfen Volksvertretern ist, dass viele von ihnen losgelöst von der Gesellschaft skuril banal sind.
Hat wenig mit dem Thema zu tun - gebe ich hin. Ich habe mich durch den Artikel gequält ... seit wann brauchen artikel twists. Muss der Leser bis zum Schluß im Unklaren bleiben wo es hingeht?
LG Paolo