“Von wegen: Die Lesbe steht auf der Bühne und kämpft für ihre Frau“
Christine Hödl, Siegerin der ORF-Sendung “Die Große Chance“, über ihr Leben in und nach der Castingshow
Interview:
Ingrid Brodnig & Gerhard Stöger
Die Sängerin wirkt genau so, wie man sie aus dem Fernsehen kennt: Sie ist klein, unkompliziert und einnehmend sympathisch. Einen Unterschied gibt es aber doch: Während Hödl im Fernsehen recht wortkarg war, sprudelt es beim Interview nur so aus ihr heraus. Im Büro ihrer neuen Plattenfirma Sony spricht sie über den Alltag hinter den Kulissen der „Großen Chance“, über den ambivalenten Umgang der Medien, über ihre Karrierehoffnungen – und sie lacht über die Frage nach ihrer Größe, die ihr zuvor auch schon Woman gestellt hatte: Es sind exakt 153 Zentimeter.
Falter: Frau Hödl, wie geht es Ihnen eine Woche nach dem Sieg?
Christine Hödl: Ich konnte mir noch gar nicht die Zeit nehmen, das Ganze Revue passieren zu lassen und abzuklären, was da eigentlich gerade mit mir passiert. Es gibt viel zu viel Trubel um mich herum, außerdem haben die Aufnahmen meines Albums bereits begonnen.
Bekommen Sie eine Auswahl an Songs vorgelegt, die Sie aufnehmen müssen?
Hödl: Nein, das darf ich mir schon aussuchen. Das Album wird meines. Am ersten Studiotag haben wir einen Teil meines Repertoires in einer Rohversion aufgenommen, jetzt müssen wir schauen, was davon wirklich verwendbar ist.
Was war das für ein Gefühl, als plötzlich nur mehr Sie im Scheinwerferlicht standen?
Hödl: Ich habe das gar nicht mitbekommen. Irgendwann hat der Kandidat neben mir gemeint: „Christine, äh, du bist das.“ Ich hatte da längst ein Blackout.
„Die Große Chance“ lebte von permanenter Reizüberflutung. Hatten Sie nie Angst, da unterzugehen?
Hödl: Das Spektakel hat mich nicht gestört. Jeder hatte seine Art, eine Show zu machen, meine war halt sehr minimalistisch. Es ging nicht darum, mit Bomben und Granaten einzuschlagen. Das bin nicht ich.
Wie viel Arbeit steckt hinter so einer Show?
Hödl: Ohne Spaß würde es nicht funktionieren, aber man glaubt gar nicht, wie viel harte Arbeit das hinter den Kulissen ist. In den zwei Wochen vor dem Finale mussten wir täglich ab Mittag dort sein, dann ging es meistens bis Mitternacht. Ich habe eine ganze Sammlung an ORF-Essensgutscheinen zu Hause liegen, weil ich oft gar nicht dazu gekommen bin, die einzulösen. Nikotin und Koffein waren meine Rezepte, um mich bei Laune und munter zu halten.
Hat es Sie überrascht, dass das Showgeschäft so harte Arbeit ist?
Hödl: Ich bin offenkundig sehr naiv in das Ganze hineingegangen. Ich dachte mir: Ich mache die eine oder andere Probe, lasse mich in ein Kostüm stecken und tu halt so als ob. Jetzt weiß ich es besser.
Bei Popmusik geht es immer auch um Show und Illusion. Ihr künstlerisches Konzept ist die Natürlichkeit. Auch weiterhin?
Hödl: Das war kein bewusster Show-Plan. Ich bin so, und das wird so bleiben. Ich darf Gott sei Dank mit Leuten zusammenarbeiten, die mich lassen, wie ich bin. Eigentlich war das auch bei der Show so – ich hab schnell gelernt, mich durchzusetzen, wenn man mich verbiegen wollte.
Christina Stürmer punktete anfangs auch mit ihrer Ungekünsteltheit, aber noch während „Starmania“ wurde sie umgestylt, bekam eine neue Frisur und sprach bald darauf plötzlich Hochdeutsch.
Hödl: Bei so etwas würde ich nicht mitmachen. Ich habe mich vorher informiert, ob das eh keine dieser Shows ist, wo man mich weiblicher machen möchte, mit Glitzer, Haarverlängerungen und solchen Dingen.
Das Gros der Kandidatinnen und Kandidaten bei Castingshows ist sehr jung. Was hat Sie mit Mitte 30 dazu gebracht teilzunehmen?
Hödl: Meine Ehefrau hat mich überredet. Das Casting war gleich ums Eck, und ich habe mir gedacht: Okay, mache ich es halt, just for fun. Als es dann wirklich so weit war, hab ich mich schon gefragt: Na, ob das künstlerisch wirklich so wertvoll ist?
Ihre Frau gab den nötigen Anstoß?
Hödl: Ich bin ein sehr selbstkritischer Mensch. Sie wollte mir meine Zweifel nehmen. So von wegen: „He, hallo, du machst das und du kannst das, also zeig das jetzt!“
Offensichtlich hat es funktioniert. Mit dem Sieg haben Sie 100.000 Euro gewonnen. Was wollen Sie damit machen?
Hödl: Über Geld, das ich noch nicht habe, rede ich lieber nicht, der Koffer in der Show war ja nur ein Fake. Ich muss mich erst um die Geldübergabe kümmern. Es wird aber sicher nie ein Porsche vor unserer Tür stehen. Ich stehe zwar auf Vespas und alte Autos, aber das Geld wird sicher gut angelegt. Eventuell kaufe ich mir eine schöne Gitarre. Wobei – Gitarren habe ich genug. Die 100.000 Euro sind einfach ein Polster, damit wir uns für die nächste Zeit nicht so viele Gedanken machen müssen.
Würden Sie Ihre Tochter mit zwölf Jahren an so einer Show teilnehmen lassen?
Hödl: Schwierige Frage. Ich glaub nicht.
Warum nicht?
Hödl: Weil ich weiß, was sich hinter den Kulissen abspielt. Es gibt Situationen, die man auch mit 35 nicht so leicht wegsteckt. Einmal ganz zu schweigen von der körperlichen Anstrengung. Ich habe mir nicht nur einmal gedacht: „Ich kann nicht mehr, will ich das eigentlich wirklich?“ Ich glaube nicht, dass man als Kind schon mit diesem Druck umgehen kann.
Ausgerechnet Schandmaul Sido war als Juror von Beginn an auf Ihrer Seite. Hat Sie das überrascht?
Nein: Ich gehe nicht davon aus, dass ich meine Seele verkauft habe.Hödl: Mich hat die gesamte Show überrascht, auch das Publikum, und Sido sowieso. Nicht dass ich so viel Angst vor ihm gehabt hätte. Die Jury war mir beim ersten Casting herzlich wurscht. Ich dachte: Entweder es gefällt ihnen oder es gefällt ihnen nicht. Aber es war schon angenehm, zu spüren, dass ich offenkundig einer von Sidos Favoriten war.
Sido sorgte für Aufsehen, als er sich im Casting mit Krone-Kolumnist Michael Jeannée anlegte. Wie fanden Sie das?
Hödl: Witzig. Ich denke, dass Sido genauso bodenständig ist wie ich. Uns verbindet, dass man Dinge so sagt, wie sie sind. Er hat nicht gewusst, wer da vor ihm steht, aber ich hätte genau so reagiert. Es war einfach unter jeder Kritik, was die beiden Vögel da aufgeführt haben. Die zwei haben sich gekonnt lächerlich gemacht.
Bei Castingshows hört man immer wieder von Knebelverträgen für die Teilnehmer. Haben auch Sie Ihre Seele am Tag des Castings verkauft?
Hödl: Wie jeder andere Kandidat auch habe ich gleich einmal einen Stapel Verträge zum Unterschreiben bekommen und wie alle das auch gemacht. Ich bekomme jetzt eine Rechtsberatung. Aber nein: Ich gehe nicht davon aus, dass ich meine Seele verkauft habe.
Viele Castingshowgewinner landen schnell wieder in der Versenkung.
Hödl: Es kommt drauf an, wie man mit seinem Sieg umgeht und was man daraus macht. Wenn man ein, zwei Monate nicht dahinter ist, dann war es das. Es ist nicht so, dass mir jetzt alles in den Schoß fällt. Am Album muss ich schon selber arbeiten, und um die Promotion muss ich mich dann auch kümmern.
Was ist das Mindeste, das Sie aus Ihrem Sieg herausholen möchten?
Hödl: Das Mindeste ist ein eigenes Album, noch dazu ein professionell produziertes Album. Damit geht ein sehr, sehr großer Wunsch in Erfüllung. Und dass sich die Konzerte ein bisschen vergrößern und ich nicht ewig in meinen Irish Pubs versumpere, sondern auch an Orten spielen kann, die man namentlich kennt. Szene Wien oder Porgy & Bess etwa.
Zu Ihren Vorbildern zählen unter anderem Tracy Chapman, Melissa Etheridge und die Indigo Girls. Wie wichtig ist für Sie, dass es auch bekennend homosexuelle Künstler gibt?
Hödl: Das ist reiner Zufall. Ich steh auch auf männliche Interpreten wie Jack Johnson, Travis, Pixies, Jethro Tull, die Stones oder Jimi Hendrix. Bei denen ist mir die sexuelle Ausrichtung übrigens genauso wurscht wie bei den Sängerinnen.
Popmusik hat auch mit Rolemodels zu tun. Männliche Homosexualität ist da seit Jahrzehnten eine Selbstverständlichkeit. Warum gibt es so wenige lesbische Popstars?
Hödl: Keine Ahnung, ich kann das nicht beantworten.
Wäre es für Sie als Teenager hilfreich gewesen, im Hauptabendprogramm des ORF eine junge Frau zu sehen, die so selbstverständlich mit ihrer Homosexualität umgeht?
Hödl: Ich glaube nicht, dass mich das weitergebracht hätte. Es gab da die TV-Serie „Ellen“. Die war ganz nett, aber sie war mir viel zu weit entfernt vom echten Leben. Die Realität sieht ganz anders aus. Man muss das selber durchboxen, da hilft einem definitiv keine Serie.
Kennen Sie den Film „The Kids Are All Right“, der von einem lesbischen Paar mit Samenspender handelt?
Hödl: Den haben wir uns natürlich angesehen, weil wir neugierig waren, ob es irgendwelche Parallelen zu uns gibt. Der Film ist aber typisch amerikanisch: irrsinnig überzogen und denkbar weit entfernt von der Realität. Ähnlich wie die TV-Serie „The L Word“: Da sieht man in erster Linie Reich und Schön, nur dass es halt reiche und schöne Lesben sind.
Gerade in Österreich fehlen die Vorbilder im öffentlichen Leben, weil sich so wenige Menschen outen.
Hödl: Ich muss gestehen, dass ich absolut kein Szenegeher bin. Das war nie das meine, für alle Rechte zu kämpfen. Ich setze mich nicht 24 Stunden am Tag mit dieser Thematik auseinander.
War Ihnen bewusst, dass Ihr Privatleben so ein zentrales Element der „Großen Chance“ sein würde?
Hödl: Nein. Mir war klar, dass das irgendwie interessant sein würde, weil wir schon seit dem ersten Casting von Kamerateams verfolgt wurden. Und es gab Momente, wo ich sagen musste: Stopp! Etwa, als man uns beim Stillen filmen wollte. Da hieß es dann: „Aber warum? Das ist ja so romantisch.“ Für mich war ganz klar: Such dir eine andere Stillende, aber sicher nicht meine Frau! Ich werde derzeit in vielen Medien abgestempelt. Von wegen: „Die Lesbe steht auf der Bühne und kämpft für ihre Frau“ oder „Christine, die Lesbierin, welch ein Wunder, hat gewonnen“. Ich stand auf der Bühne und tu das noch immer, ich bin Christine Hödl, die Musikerin, vielleicht die Kindergartenpädagogin, aber in den Berichten geht es meist um etwas anderes, und das hat schon einen sehr negativen Beigeschmack.
In der ORF-Sendung „Direkt“ hieß es: „Christine Hödl – ein spezieller Mensch mit einem speziellen Lebensstil“. Was ist an Ihrem Lebensstil so speziell?
Hödl: Gar nichts. Unsere Familienkonstellation ist halt eine andere, aber ich wage zu behaupten, dass wir ganz normal vor uns hin leben und nichts an uns speziell ist.
Würden Sie mit Ihrem heutigen Wissen noch einmal mit dieser Offenheit in die Sendung hineingehen?
Hödl: Es gäbe sicher Situationen, in die ich mich nicht mehr so leicht hineinpressen lassen würde. Man hat mich zu nichts gezwungen, aber dieses „Direkt“-Team sollte mich 24 Stunden lang begleiten. Dann sieht man einen Tagesablauf, der nicht wirklich unserer ist. Ich sollte unsere Tochter etwa mit der Rockgitarre in den Schlaf wiegen – was ich natürlich nicht gemacht habe, weil ich es auch sonst nicht mache. Mir wurde erst jetzt bewusst, in welches Fahrwasser ich meine Tochter hineingeschleudert habe. Das tut mir wahnsinnig leid. Ich versuche jetzt auch, sie überall herauszuhalten.
Homestorys gibt es also keine mehr?
Hödl: Genau.
Die „Große Chance“ hat sich auch als Chance für Österreich erwiesen: Die Präsenz von Ihnen und Conchita Wurst hat vermutlich mehr gegen Homophobie bewirkt als viele Aufklärungskampagnen.
Hödl: Zu 99,9 Prozent gab es positives Feedback, vor allem aus der Szene. In Wirklichkeit trage ich jetzt auch eine gewisse Last auf meinen Schultern, weil ich so eine Vorreiterrolle habe – obwohl es die Medien mit mir gemacht haben und nicht umgekehrt. Aber das sehe ich nicht wirklich negativ. Offenkundig hat es sehr viele Leute positiv gestimmt, weil sie bemerkt haben, dass wir eh ganz normal sind. Keine Ahnung, was sie sich sonst vorstellen.
Medial war von einem „Sieg für die Toleranz“ die Rede. Sagt Ihr Sieg wirklich etwas über die Toleranz in Österreich aus?
Hödl: Hmm, gefährliche Frage. Es kommt darauf an, warum man mich gewählt hat. Ich wage zu behaupten, dass es mein Gesamtpackage war. Als Künstlerin hoffe ich, dass es wegen der Musik war. Dass meine Tochter einiges dazu beigetragen hat, ist mir klar. Bis zu einem gewissen Grad kann man schon sagen, dass Österreich ein bisschen Toleranz gezeigt hat.
Wie wichtig ist es, dass viele Österreicherinnen und Österreicher durch Sie erstmals mit der fehlenden Gleichstellung homosexueller Partnerschaften konfrontiert sind?
Zu einem gewissen Grad kann man schon sagen, dass Österreich ein bisschen Toleranz gezeigt hat.Hödl: Schaden kann es jedenfalls nicht. Es gibt viele lesbische Pärchen, die nicht wissen, dass es seriösere Wege gibt, zu einem Kind zu kommen, als sich einen schwulen Freund zu suchen. Da werden wir sehr direkt angesprochen: Wo kommt euer Kind her? Wo ist die Klinik? Wie ist das mit Spenderlisten? Das sehe ich sehr positiv, denn ich weiß, wie lange wir recherchiert haben. Wie einfach wäre es gewesen, hätten wir jemanden gekannt, der uns informiert.
Sehr fortschrittlich ist Österreich offensichtlich nicht, wenn man mit seinem Kinderwunsch nach Dänemark gehen muss.
Hödl: Fortschrittlich sind wir sicher nicht! Dem Gesetz zufolge habe ich rein gar keine Rechte, was meine Tochter betrifft, theoretisch bräuchte ich für alles und jedes eine Vollmacht. So lange man sich das familiär untereinander ausmacht, ist das aber weniger ein Problem.
Was wäre, wenn Sie sich trennen würden?
Hödl: Dann wäre ich wieder ein Single ohne Kind.
Was sind für Sie die dringendsten rechtlichen Anpassungen?
Hödl: Die Adoption ist ja schon im Gespräch, und um dieses Recht kämpfe ich auch. Sobald das möglich ist, wird sie von der Stelle weg adoptiert.
Eine letzte Frage noch: Viele Jungs fangen mit dem Gitarrespielen an, um Mädchen zu beeindrucken. War das bei Ihnen auch so?
Hödl: Nein, ich wollte niemanden beeindrucken. Die Gitarre ist optisch ein absolut geiles Instrument, und wenn man sie auch noch spielen kann, ist es umso geiler. Das war der einzige Grund.
Dieses Interview ist in Falter 47/11 erschienen und wurde von Gerhard Stöger und mir durchgeführt. Foto: Corn.
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Der Wecker hat geläutet, die wichtigsten europäischen Regierungen haben mitgemacht, möglicherweise auch die österreichischen Regierungen - falls das Frau Brodnig entgangen sein soll - und wenn der auch hier mobilisierte Antiamerikanismus (ein österreichischer Schulterschluß vom Falter bis zur FPÖ) der am Rande der Auflösung befindlichen EU nicht zu Hilfe kommt, werden die JournalistInnen wieder in geistigen Tiefschlaf verfallen, bis zurm nächsten Hornberger Schießen.
Ich würde die Hasspostings nur dann zensurieren, wenn Aufforderungen zur Gewalt gegen andere oder geheimes Material für den Bau von Atomwaffen oder Kinderpornographie darinnen enthalten ist.
Es gibt Leute, die möchten was vermitteln oder haben eine These zu einem Sachverhalt, der jetzt schlecht rennt und wollen Möglichkeiten aufzeigen, wie es besser gehen könnte.
Dieser Sachverhalt stellt aber gewisse regierenden Parteien vor ein Problem.
Die Hasspostings nehmen im Netz zu, weil die Leute auf Verämderung zum Positiven hoffen und versuchen etwas dazu beizutragen und dann permanent entäuscht werden.
Anstatt kommunikativ nach Lösungen zu suchen, wie "hey suchen wir gemeinsam eine Lösung" => wird in vielen Foren nur mit NLP oder Drüberfahren Meinungen discrambeld!
Wenn wissenschaftliche These durch Inquisition anstatt durch den Gegenbeweis falsifiziert wird => Mittelalter
Die Anonymität im Netz, Tor und die Wächter sichern, dass keine Schriften digital zerstört und verbrannt werden, weil eine Idee kann man nicht zerstören.
Schwierig.
Ich seh, dass es problematisch ist, wenn es Kommentarbereiche gibt und die werden nur mit unnützen Texten gefüllt. Aber ich finde die Möglichkeit der Anonymität von Webseitenbesuchen ist wichtiger als die Diskussionbereiche.
Das ist in der Tat eine schwierige Abwägungsfrage. Es gäbe jedoch etliche Maßnahmen, die Onlineforenbetreiber setzen könnten, um generell das Klima zu verbessern - auch ohne die Anonymität aufzuheben. Da ließe sich noch viel, viel mehr machen.
Gerade ein Forum wie das des Standard, in dem Postings nicht veröffentlicht werden, weil man den Autor eines Artikels auf Fehler wie "als" nicht "wie" hinweist, hat einen Community Manager eh dringend nötig.
Generell halte ich es für vermessen, zu glauben, dass man mit Leuten "eh auf Twitter diskutieren" kann. Grundsätzlich gibt es drei Kategorien von Menschen online: die einen wollen ihren Dreck ablassen und scheren sich sowieso nicht um die Konsequenzen/antworten/wasauchimmer. Die zweite Gruppe agiert politisch indoktriniert/motiviert uns ist nur auf Streit/Trolling aus. die dritte Gruppe ist diejenige, mit der man auch diskutieren könnte, die am Austausch interessiert ist. Dieser Gruppe ist auch die Grundvernunft nicht verloren gegangen, weswegen eine Diskussion mit Ihr auch weniger bringt, weil man sich auf Grundsätzlichkeiten verständigen kann. Im Gegensatz zu den beiden erstgenannten, die Dinge wie "Das Internet kommt aus den USA, also habe ich Absolute Redefreiheit" (:facepalm:) propagieren.
R. hat seit 2002 unter mehreren, z.T. parallel geführten Nicks (zb. "A.B. Artig", "Xulu Hulu" etc.) ihr Unwesen getrieben.
Sie hat sich darauf spezialisiert Mitposter mit anderen Meinungen als Nazis zu denunzieren; hinter jedem unangenehmem Posting einen "Blaunen", mindestens, zu erschnüffeln und entsprechend zu beleidigen. Natürlich auch fleissig zu "melden", auf dass der Gegner es möglichst schwer hat, angesichts der Fülle an Denunzierungen vielleicht sogar gesperrt wird.
Sollte die Redaktion nicht von sich aus gewusst haben wer sich hinter den R.-Nicks verbirgt, so wurde sie schon vor Jahren von aufmerksamen Postern (die gelegentliche Hinweise auf Persönliches in den Beiträgen der R. logisch verknüpften) darauf aufmerksam gemacht, hat R. aber - die dann und wann Beiträge auf derstandard veröffentlichen durfte - einfach machen lassen. Ihr "Engagement" passt schliesslich zur Blattlinie.
Passen in Postings zum Ausdruck gebrachte Meinungen allerdings dauerhaft *nicht* zur Blattlinie - ist der Poster also "unbelehrbar" und widersetzt er sich politisch korrekter Erziehung by (Meinungs-)Zensur - dann wird dem die allgemeine Netiquette selbstverständlich achtende User auch gerne mal der Account gesperrt.
Der Art. 19.1. - "Jeder User hat das Recht auf freie Meinungsäusserung" - ist jedenfalls pure Heuchelei.
Aus dem gleichen Holz wie R. ist auch Misik geschnitzt, der ebenfalls gerne Klarnamen-Poster sähe auf dass die "Schwarmvertrottelung" (Öha - Publikumsbeschimpfung!) ein Ende haben möge. Er selbst leistet sich unfassbare Entgleisungen:
"geh, das sind doch die immergleichen 20 ausländerhasser, die sich gegenseitig grün geben. ..."
http://derstandard.at/plink/1361240962345?_pid=30385155&#pid30385155
"Der Misik hat auch schon mal Poster der 'KZ-Wächter Mentalität' bezichtigt."
http://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache:nqQmahDyDAEJ:https://derstandard.at/Userprofil/Postings/233095%3FpageNumber%3D150%26sortMode%3D2+&cd=1&hl=de&ct=clnk&gl=at
Das Motto dieses sich mit politischer Korrektheit tarnenden Heuchlertyps charakterisiert Shakespeare ganz gut: "Ich tu das Üble, schrei dann selbst zuerst. Das Unheil das ich angerichtet, leg ich den anderen dann zur Last"
Das ist pure Verleumdung und demaskiert sich von selbst.
Peinliche Anwürfe haben hier und auch anderswo übrigens nichts verloren und lenken auch nicht von der Tatsache ab, dass in den Foren Unduldbares stehen bleibt, z.b. Mordaufrufe an Muslimen.
Und, Richard, zu feig, deine Identität preiszugeben aber verleumden? Igitt.
"Das ist pure Verleumdung"...ja klar ;->
Selbst Der Standard schreibt ja dass sie aufgrund zahlreicher Problempostings, die natürlich unter verschiedenen Nicknames anonym gemacht wurden, fürs Forum gesperrt wurden.
Mir ist nur ein Rätsel warum man so einem Community-Troll dann auch noch eine mediale Bühne schenkt.
(Beitrag gelöscht, bitte bleiben Sie sachlich und breiten Sie hier keine persönlichen Animositäten aus. Danke, I.B.)
(Beitrag gelöscht, bitte bleiben Sie sachlich und beleidigen Sie nicht den Diskussionspartner. Danke, I.B.)
Der Hinweis auf dieses "absolute Rededreiheit"-Denken ist gut! In der Tat ist ein Teil des Problems, dass Leute die Meinungsfreiheit mit der Freiheit verwechseln, herumzumaulen oder wirre Verschwörungstheorien zu verbreiten. Teilweise ist dabei nicht einmal die konkrete Meinung das Problem, sondern die Tonalität der Postings. Aber stimmt, das liegt auch daran, dass Leute ein Ventil für ihren Unmut suchen und an diesem Gefühl der Konsequenzenlosigkeit. Bei diesem Gefühl müsste man ansetzen und das Online-Diskutieren auch aufwerten. Das versuchen übrigens einige Foren auch zunehmend. Insofern bin ich zu einem gewissen Grad sogar hoffnungsvoll.
Wie kommst du darauf das Kommentatoren die gleiche Meinung wie der Autor oder die Masse der Besucher teilen müssen? Und wenn man nicht bereit ist das ganze Meinungsspektrum zu ertragen, sollte man entweder diese Seiten nicht mehr besuchen oder techn. Hilfsmittel zum ausblenden nutzen. Damit wir uns nicht falsch verstehen, ich hab kein Problem wenn persönl. Kränkungen und OT sonstwohin verschoben werden. Aber gerade der Kommentarbereich zeigen andere Meinungen abseits dpa und sonstiger Propaganda, die in den Medien unterrepräsentiert sind und für die Medienlandschaft zu kontrovers sind. Debatten wie Sarrazin haben gezeigt, dass es nicht ein unbedeuteter Teil der Bevölkung, weltfremder Spinner sind; eher haben die meisten das Gefühl der Einheitsbrei etwas entgegenzusetzen zu müssen.
Das ist das große Missverständnis: Ich bin für Meinungsvielfalt, aber gegen untergriffige, hasserfüllte und beleidigende Postings. Eine derartig aggressive Tonalität verhindert, dass diskutiert werden kann und Menschen ihre Argumente austauschen. In den meisten Fällen ist nicht unbedingt die Meinung der Poster das Problematische, sondern die Beleidigungen, die gemeinsam mit dieser Meinung gepostet werden. Wie negativ die Auswirkungen davon sind, kann man hier nachlesen: http://www.nytimes.com/2013/03/03/opinion/sunday/this-story-stinks.html?_r=0
Ich halte es für zumutbar, dass in einem Land wie Österreich die Menschen hinkünftig nur mehr unter ihrem Klarnamen posten. Anonyme oder Fake-Leserbriefe werden ja - zumindest in Qualitätsmedien - nicht in Printprodukten veröffentlicht. Mein Hinweis an für Standard.at und Presse.com: Die teilweise unterirdischen, und manchmal wirklich völlig inakzeptablen Postings haben meiner Meinung nach das Potential, die Medien-Marken der Posting-Hosts erheblich zu beschädigen.
Nein, Klarnamenpflicht halte ich für den absolut falschen Weg. Gerade wenn man etwa einen "selteren" Namen hat, reicht eine Google-Suche um alle Beiträge die man geschrieben hat für andere aufzulisten. Abgesehen davon wären damit nicht nur die Pöbler abgeschreckt, sondern auch Menschen, die interessantes zu sagen haben.
Onlinemedien wie standard.at und presse etc kommen da wohl nicht drumherum aktiv zu moderieren und dafür auch das Geld in die Hand zu nehmen entsprechende Leute zu bezahlen. Ich sehe nichts falsches darin wenn hier ein paar neue Studentenjobs entstehen, die die Qualität der Foren steigern.
Nein, Herr "McFly", das stimmt nicht.
Die Idee hinter diesem Vorschlag ist ja genau, solche Pöbler aus der allzu bequemen Anonymität herauszureißen. Wenn ihnen bewusst ist, dass ihre menschenverachtenden Äußerungen mit ihrer Person assiziiert werden können, denken sie hoffentlich zwei Mal nach. Wer etwas Kluges oder Sinnvolles zu sagen hat, wird sich dafür nicht verstecken wollen. So handhabe ich das zumindest.
Der einzige Weg um Klarnamenzwang durchzusetzen wäre doch Post-Ident, abgesehen vieleicht davon, die Leute mit einem Ausweis antanzen zu lassen.
Nutzen Sie wirklich diesen Weg, oder darf sich jeder einen real klingenden Namen aussuchen? Wodurch natürlich wieder nur die Ehrlichen die Dummen wären.
Ich bin übrigens froh, dass mir keiner meine pubertären Ansichten von vor 20 Jahren vorhalten kann.
Ich bin auch skeptisch, ob eine Abschaffung der Anonymität funktionieren würde. Gerade auf staatlicher Ebene birgt das Gefahren, wie das Beispiel Südkorea zeigt, siehe auch hier: http://brodnig.org/2013/07/26/warum-hass-postings-so-gefahrlich-sind/
Nur eines sollte man schon anmerken: Es gibt durchaus eine Kompromisslösung - eine verbindliche Online-Identität. Etliche Foren wenden Mechanismen an, bei denen User zwar anonym sind, aber nicht ihrem eigenen Online-Ruf schaden wollen. Bei Gawker werden nur dann Postings automatisch freigeschaltet, nachdem User bewiesen haben, dass sie keinen Dreck posten. Und bei der Frage-Antwort-Seite Stackoverflow gibt es ein höchst komplexes Reputationssystem, bei der die User immer mehr Rechte erhalten, je mehr Reputationspunkte sie haben.
Das klingt jetzt sehr kompliziert, aber im Kern geht es darum, dass Leute selbst ernstnehmen sollen, was sie schreiben. Sie sollen sich selbst fragen: Stehe ich wirklich zu dieser Meinung und Ausdrucksweise?
Bei Ihrer Antwort auf meinen Kommentar bin ich voll auf Ihrer Seite.
Im Artikel geht es aber mehr um Zensur und so etwas steht einer Institutione, die selbest sehr von freier Meinungsäußerung profitiert, schlecht zu Gesicht.
Besonders wenn das Publikum die f. M. besonders hoch schätzt. Weil es zB. mit dem Internet und einer recht amerikanischen Einstellung dazu aufgewachsen ist. Ein Publikum dass beim erzwingen des Leistungsschutzgesetz mit erleben durfte, wie verlogen, intransparent, undemokratisch und die f. M. missbrauchend die etablierten deutschen Medien wirklich arbeiten wenn sie ihre Agenda durchdrücken wollen.
Daher empfehle ich, Zensur möglichst so wenig wie möglich, dafür so transparent es geht.
Natürlich sind Web Angebote keine demokratischen Systeme und der Betreiber kann mit seinen Nutzern so diktatorisch umgehen wie er will. Aber die Nutzer haben eben gefühlte unendliche Alternativen... und evtl es genau die f. M. liebenden Nutzer, welche die (Mühe auf sich nehmen und die) wünschenswerten Kommentare schreiben und mit Links für Reichweite sorgen.
Wenn man sich manche Kommentare auf z.B. Facebook (oder seit der Verknüpfung mit g+ auch auf Youtube) ansieht, bewirkt eine Klarnamenpflicht allerhöchstens noch etwas bei Menschen, die sich tendentiell noch vor dem Internet fürchten.
Hass Beiträge sollten ruhig gelöscht werden, die tragen nichts dazu bei, die Debatte voran zu bringen.
Aber wenn alles gelöscht wird, was dem Redakteur politisch nicht passt, dann ist das unschön.
Gerade in Medien die eher links stehen, leider nicht unüblich.
Sehe ich nicht so. Medien, die angeblich links sind, wird das häufig vorgeworfen. Nur warum sind dann dort trotzdem so viele rechte Meinungen zu finden? Würden die Redakteure tatsächlich so vorgehen, dann gäbe es all diese Postings nicht.
Aber sonst stimme ich zu: Solange die Tonalität passt, der Kommentar nicht off topic ist und keine bösartigen Untergriffe kommen, finde ich, sollte man auch Postings mit konträrer Meinung zulassen.
Aha, Buchwerbung.
Ansonsten bin ich ganz auf der Seite von Hitchens: “Freedom of Speech Includes the Freedom to Hate”.
Nein, Meinungsfreiheit bedeutet nicht Hassfreiheit. Zumindest werden strafrechtlich klare Grenzen gezogen, was nicht mehr zur Meinungsfreiheit gehört. Sogar in den USA, die noch viel mehr Hate Speech zulassen, gibt es Grenzen.