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Amnestie für die Frauen, Strafen für die Freier

Auf dem Wiener Straßenstrich sollen neue Regeln für mehr Ordnung, aber auch für mehr Schutz der Prostituierten sorgen

Der Wiener Straßenstrich, ein Dilemma. Die Prostituierten sind unglücklich, werden an den Stadtrand gedrängt und sollen mitunter in dunklen, gefährlichen Gassen stehen. Also pfeifen viele Prostituierte auf das Gesetz und riskieren hohe Strafen.

Die Anrainer sind wütend. Vor ihrer Haustür winken ihnen Dutzende Frauen, machen mitunter viel Lärm oder Müll.

Auch die Polizei ist unzufrieden. Sie muss ständig patrouillieren und strafen. Trotzdem ändert sich nichts, die Prostituierten stehen weiterhin in den verbotenen Zonen. Vergangenes Jahr kam es sogar zu einem furchtbaren Verbrechen: Auf der Linzer Straße wurde eine junge Rumänin mit Benzin übergossen und angezündet.

Von solchen Gewaltexzessen und dem Unmut profitiert bisher nur eine Partei: die FPÖ, die mit ihrem Geschimpfe unzufriedene Menschen anspricht.

So kann es nicht weitergehen. So wird es nicht weitergehen, versprechen SPÖ und Grüne. Die rot-grüne Koalition präsentierte ihr neues Prostitutionsgesetz. Es soll im Juli beschlossen werden und sieht eine Neuregelung vor.

Im Wohngebiet ist Straßenprostitution künftig verboten. Das ist die größte Änderung. Bisher war das viel komplizierter. Das Anschaffen war an der einen Ecke sanktioniert, ein paar Schritte entfernt hingegen erlaubt. Die neue Regelung ist ein Zugeständnis an die Anrainer. Sie fühlten sich zunehmend belästigt. In Teilen des 15. Bezirks müssen Frauen auf dem Heimweg damit rechnen, von Freiern angesprochen zu werden. Das neue Gesetz spricht Klartext: Wo viele Menschen wohnen, ist Straßenprostitution verboten. Wer dort als Freier trotzdem herumkurvt, riskiert nun Strafen.

Die rot-grüne Koalition versucht, den Straßenstrich in klare Bahnen zu lenken. Prostitution bleibt erlaubt – aber nur an ausgesuchten Orten. Bisher scheiterte die Stadtregierung mit diesem Vorhaben. Doch diesmal ist eine Sache anders: Die Prostitutionszonen werden nicht von irgendeinem Magistratsbeamten ausgesucht, sondern gemeinsam mit NGOs und Polizei. Die NGOs sollen dabei die Anliegen der Prostituierten einbringen: Denn all diese Regelungen funktionieren nur, wenn die Frauen diese befolgen und an den gewünschten Orten stehen.

Das ist ein großer Knackpunkt, räumt Birgit Hebein ein. Die grüne Gemeinderätin ist maßgeblich für das neue Gesetz verantwortlich, seit Jahren weist sie auf die eskalierende Situation am Wiener Trottoir hin. “Man braucht nicht davon zu träumen, dass die Frauen an den Stadtrand gehen werden, wo sie keiner mehr sieht“, sagt Hebein. Jetzt soll allerdings stärker auf den Dialog aller Betroffenen gesetzt werden. Das neue Gesetz zeigt generell mehr Verständnis für die Prostituierten: Die Strafen sind künftig viel niedriger. Alle bisherigen Strafen werden erlassen. “Die Frauen sollen nicht kriminalisiert werden. Es gibt eine Generalamnestie“, sagt die zuständige Frauenstadträtin Sandra Frauenberger (SPÖ).

Das ist ein Kurswechsel: weg von Strafen, hin zu besseren Arbeitsbedingungen. Das neue Gesetz schafft Anreize, die Straße zu verlassen und in kleinen Studios oder in Bordellen zu arbeiten. Dort will die Stadt für mehr Sicherheit sorgen: Die sogenannten “Prostitutionslokale“ unterliegen künftig einer Meldepflicht und werden kontrolliert. Die Lokale müssen die Gesundheitsbestimmungen einhalten, für die Frauen müssen Kondome aufliegen, und in jedem Zimmer gehört eine Alarmanlage installiert.

Der Hintergedanke: Die Stadt wird Prostitution und den Straßenstrich nicht los. Aber vielleicht kann man sie sicherer gestalten – und dabei gleichzeitig die erhitzten Gemüter am Trottoir abkühlen.

 

Dieser Artikel ist im Falter 22/11 erschienen. Illustration: Bianca Tschaikner

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  • Ich denke in der Diskussion werden gerade einige (juristische) Aspekte vermischt, die man auseinander halten und nicht in eine Topf werfen sollte.

    1. Es gibt eine Regelungslücke. Es ist sicher ein Problem, dass sich Frauen die derart extrem obszön beleidigt werden strafrechtlich nicht wehren können. Zivilrechtlich könnte frau den Absender wohl auf Unterlassung klagen. Einen Straftatbestand kann das aber natürlich nicht setzen. => hier muss der Gesetzgeber was tun. Zb die erwähnte deutsche Regelung übernehmen.
    2. Die Anfeindung von Frauen die sich währen: Das ist ein gesellschaftliches Problem und muss politisch/gesellschaftlich diskutiert und geändert werden. Z.B. durch Bewusstseinsbildung in Schulen etc.
    3. Die Rechte (mutmaßlicher) Täter. Auch wenn es vielen gerade nicht passt. Rechtsstaat heißt: Auch Arschlöcher haben Rechte. Z.B. gewisse Persönlichkeitsrechte, selbst wenn mann Täter ist. Der „steirische Arzt mit dem Spitzenpolitiker-Bruder“ wird in Medien nicht mit vollem Namen genannt. Obwohl absolut glaubwürdig ist, dass er ein richtiger Ungustl ist, hat er Persönlichkeitsrechte und es gilt für Ihn die Unschuldsvermutung. Gleiches gilt für den „niederösterreichischen Medienmanager“ der im Suff seinen Freund mit dem Motorboot überfahren hat. Der ist mittlerweile rechtskräftig verurteilt und durchaus eine Person öffentlichen Interesses. Trotzdem nennen Medien seinen Namen nicht.

    Der Twitter-Pranger und ein virtueller Lynchmob sind keine Lösung für die Probleme 1. und 2. Und das soll auch so bleiben. Maurer hätte die Nachrichten anonymisiert veröffentlichen sollen und den Typen (wenn möglich) klagen/anzeigen sollen

    • zu 1. Nein, Beleidigungen unter Erwachsenen müssen vollkommen straffrei bleiben, solange es zu keiner Bedrohung oder sonstigen Straftat kommt. Für Kinder gilt das natürlich nicht, weil diese Beleidigungen durch Erwachsene als Bedrohung empfinden. Auch, wo ein Machtgefälle herrscht, muss es Ausnahmen geben. Ansonsten muss es unter gleichberechtigten Erwachsenen - und um die handelt es sich bei Sigrid Maurer und Bierkraft - völlige Freiheit geben.
      zu 2. Hier müssen sich vor allem Frauen ändern. Dieses "Tante! Der blöde Bub war gemein zu mir!" von Sigrid Maurer war zum Fremdschämen. Sie braucht offensichtlich einen Kurs in Facebook. Die Kinder lernen das heute schon in der Schule. Sigrid Maurer hat das wohl verpasst.
      zu 3. vollste Zustimmung. Im konkreten Fall wurde die Privatsphäre des Absenders verletzt, indem seine Korrespondenz veröffentlicht wurde. Ich gehe davon aus, dass er es war, und glaube ihm nicht, dass ein Phantom in sein Geschäft geschlichen ist. Trotzdem hat er das Recht, dass seine - auch tiafsten - Ergüsse dort bleiben, wo er sie erzeugt hat - im Privatbereich. Sigrid Maurer und andere social-media-User müssen den Unterschied zwischen privat und öffentlich lernen, und die Grenze respektieren. Ich kann einer Freundin Hassnachrichten am Handy zeigen, aber nicht allen meinen Followern. Die dann hingehen und Bierkraft aufs Geschäft spucken.

      Aber den letzten Satz verstehe ich nicht. Auf was hätte sie ihn klagen bzw. wegen was anzeigen sollen?

  • Es ist schade, dass es in vielen Diskussionen zum Thema scheinbar(!) hauptsächlich um Frauen geht. Der Schein trügt: Auch Männer können sich aufgrund dieses Urteils - sofern es stand hält - nicht mehr effektiv vor Stalking und Mobbing schützen.
    Da wäre es wirklich wundervoll, wenn wir einfach mal von MENSCHEN sprechen. Dann fühlen sich hoffentlich wieder mehr Leute angesprochen, sich für eine bessere Gesetzgebung einzusetzen.

    • Zustimmung zur Frage des Geschlechts. Es wird auch nicht möglich sein, das Gesetz geschlechtsspezifisch zu formulieren, obwohl es natürlich so gemeint ist - Frauen Opfer, Männer Täter.
      Aber wo ich widersprechen muss, ist dass sich Beleidigungsopfer aufgrund dieses Urteils nicht mehr effektiv vor Stalking und Mobbing schützen können. Das ist nicht richtig. Stalking ist als beharrliche Verfolgung verboten und strafbar und hier außerdem nicht passiert, Mobbing ebenfalls nicht, weit davon entfernt. Es hat nur ein Facebook-Account eine Abgeordnete beleidigt. Das kommt bei Politikern sehr oft vor. Üblicherweise besitzen diese aber die persönliche Reife, damit nicht an die Öffentlichkeit zu gehen. Auch als Nichtpromi kann man solche Nachrichten einfach löschen, oder den Absender blockieren, oder einfach davon unberührt bleiben. Wenn man einen Kommunikationskurs gemacht hat, können sich daraus sogar nette Gespräche entwickeln.

  • Ich finde den Blogbeitrag interessant, aber etwas doof dass es nur auf Frauen bezogen ist. Auch Männer können obszöne Botschaften erhalten! Sollte alles auch etwas geschlechtsneutraler betrachtet werden!

    • Nicht nur. Solange es privat bleibt, ist es maximal lästig. Erst wenn sich ein bedrohliches Muster abzeichnet, sollte der Staat einschreiten. Aber passende Gesetze gibt es jetzt schon. Neue Gesetze für beleidigte Frauen würden sich verheerend auf die gesamte zwischenmenschliche Kommunikation auswirken.
      Potenziellen "Tätern" muss klar sein, wen sie vor sich haben, einen Erwachsenen oder ein Kind in einem Erwachsenenkörper. Sie haben einfach das Recht zu wissen, mit wem sie reden. Ob ein böses Wort adäquat gekontert wird, oder ob das Baby zum Weinen anfangt. Man ist sonst ständig mit einem Bein im Häfen.

  • Warum muss sich eine Frau dagegen "wehren". Wenn sie unaufgefordert solche Nachrichten bekommt, kann sie sie einfach ignorieren. Wenn sie etwas dazu beigetragen hat, ist es IHR Konflikt genauso wie der des Absenders, auf jeden Fall aber privat.
    Und grundsätzlich sind Frauen nicht schützenswerter als Männern, denn wir haben Gleichberechtigung, und sexuelle Beleidigungen nicht schlimmer als andere.
    Ja, eine erwachsene Frau muss das aushalten. Und ein Promi noch mehr.
    Ich möchte jedenfalls nicht per Gesetz auf die Stufe eines wehrlosen Kindes gestellt werden, nur weil ich eine Frau bin, und werde mich, falls es soweit kommt, dagegen wehren. Ich kann mit beleidigenden Nachrichten nämlich selbst ganz gut umgehen und möchte auch die Hoheit darüber behalten. Ich brauch keinen "Tante, der blöde Bub was gemein zu mir!"-Alarmknopf. DAS ist dann eine Beleidigung, mit der ich nicht umgehen kann.

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