Die Menschen, die diese Computer erfunden haben, gehören umgebracht
Steve Wozniak hat den ersten Apple erfunden, blind will er den Maschinen aber nicht vertrauen. Ein Gespräch über seine Hassliebe zu den Geräten
Steve Wozniak hat uns das eingebrockt. Er ist mitverantwortlich, dass heute in jedem Haushalt ein Computer steht. In den 70er-Jahren entwickelte er den ersten Apple, mit dessen Nachfolgemodell revolutionierte er dann den Computermarkt – der Apple II war für viele Konsumenten der erste Rechner. Aber selbst ein Steve Wozniak muss sich oft über die Technik ärgern. Auf welche Weise die Maschinen klüger werden müssen und welche technologischen Entwicklungen uns bevorstehen, erklärt der Apple-Mitgründer im Interview.
Falter: Herr Wozniak, welche elektronischen Geräte haben Sie immer dabei?
Steve Wozniak: Das Allerwichtigste für mich ist mein Laptop, ein MacBook Pro mit Highend-Ausstattung. Dann trage ich drei iPhones bei mir, eines mit meiner Hauptnummer, das zweite als Ersatz, wenn die Batterie leer wird. Und mit dem dritten iPhone experimentiere ich. Ich probiere gerne neue Dinge aus. Weiters habe ich ein Palm Pre und ein Android-Handy. Außerdem besitze ich einen Gameboy.
Kein iPad?
Wozniak: Doch, auch ein iPad und einen Kindle. Meine Geräte sind im Rucksack verstaut, ich stecke sie nie in meinen Koffer, sondern trage alles auf dem Rücken.
Sie besitzen etliche Handys und verbringen angeblich extrem viele Stunden mit E-Mails. Raubt uns die Technik zu viel Zeit?
Wozniak: Ja, darüber schimpfe ich regelmäßig. Vor dem Internet war es nicht so schlimm, aber heute wird ständig kommuniziert. Einst war ich eine zurückhaltende Person, jetzt habe ich das Gefühl, ich muss auf jedes E-Mail antworten. Man bezieht auch seine Nachrichten übers Netz statt aus der Zeitung. Dann wird man sehr leicht mit 5000 neuen Artikeln überflutet. Das wird sich ändern müssen, wir können nicht auf alle Ewigkeit so viele Stunden pro Tag für Internetarbeit aufwenden.
Was wäre denn Ihre Antwort? Sollen sich die Maschinen unseren Bedürfnissen anpassen?
Wozniak: Genau. In der Zukunft müssen Maschinen mehr wie wir Menschen werden. Sie sollen so denken wie wir und auch vorausblicken. Googles Suchmaschine kann zum Beispiel die Bedeutung von Wörtern schon sehr gut nachvollziehen. Sie versucht den Kontext herauszufinden.
Wofür brauchen wir denn diese Form der künstlichen Intelligenz?
Wozniak: Jeder kennt bereits die Produktempfehlungen von Amazon oder Apple. Die können recht treffsicher den Geschmack eines Konsumenten erkennen und vorhersagen, welcher Film oder welche Musik ihm gefallen wird. Wir Menschen sind zwar nicht gerne vorhersehbar, aber es ist schon sehr beeindruckend, wie die Computer das immer besser beherrschen. Kann man den Geräten bereits ebenso vertrauen wie einem Menschen? Also ich tue das nicht.
Apropos Vertrauen: Google testet bereits Autos, die selbstständig durch die Gegend fahren.
Wozniak: Ja, ich glaube, Google ist da auf dem richtigen Weg. Sie versuchen ein Auto zu bauen, das eigenständig fahren und Hindernissen ausweichen kann. Ein Problem gibt es jedoch: Jedes technische Gerät macht irgendwann Fehler. Was tun wir dann? Wir schalten es aus und wieder ein. Was würde das für Autos bedeuten? Mein eigener Wagen ist mit einem elektronischen System ausgestattet. Manchmal funktioniert etwas nicht, mal ist es der Blinker, dann das GPS. Ich stoppe dann den Wagen und starte ihn neu, plötzlich geht wieder alles. Ich scherze gerne darüber, dass uns jeder Computer im Stich lassen wird. Die Menschen, die diese Dinger erfunden haben, gehören umgebracht.
Sollten wir uns also vor der Technik fürchten?
Wozniak: Hmm, in meinem jetzigen Auto verwende ich einen Tempomat und Abstandsmessung per Radar. Mein Wagen wird automatisch langsamer, um Auffahrunfälle zu vermeiden. Und ich kann”s gar nicht erwarten, bis es 3-D-Bildschirme gibt, um Abstände besser einschätzen zu können. Doch diese Technologie ersetzt nicht wirklich den Menschen. Der Wagen weiß nicht, wer ich als Person bin oder welche Routen ich lieber fahre.
Technologisch hat das iPhone sehr viel bewirkt, nicht nur, weil wir jetzt überall Internet haben. Auch der Touchscreen hat unsere Umgangsweise mit den Geräten verändert. Glauben Sie, dass die Technik immer mehr mit unserer Umgebung verschmelzen wird?
Wozniak: Ganz klare Antwort: ja. Das ist wahrscheinlich der größte technologische Wandel in den nächsten Jahren. Die Geräte werden uns immer mehr als Person wahrnehmen und unsere Mimik und unsere Stimme verstehen lernen. Für das iPhone gibt es bereits etliche Apps mit Stimmeingabe, und es werden immer mehr. Und dann muss man nicht einmal mehr nachdenken, wie man am Computer etwas macht, man spricht es einfach aus, zum Beispiel: Wie ist das Wetter heute?
Sie haben drei iPhones …
Wozniak: … derzeit habe ich drei iPhones bei mir. Meine Frau besitzt auch noch ein paar und ich besitze überdies ein iPad.
Auf diesen Geräten fährt Apple einen sehr rigiden Kurs. Es entscheidet, welche Apps, also welche Programme am iPhone und iPad laufen dürfen – und welche nicht. Wie denken Sie darüber?
Wozniak: Ich finde das ziemlich schlecht. Warum sollen Menschen nicht selbst den Sound auswählen können, den das iPhone beim Eintreffen einer E-Mail macht? Auf welche Weise könnte das dem Telefon schaden? Oder wen beschützt Apple damit? Andererseits gibt es extrem viele Apps, technisch versierte Leute können selbst etwas entwickeln und damit Geld machen oder es herschenken. Apple hat ihnen diese Möglichkeit gegeben. Ich persönlich fühle mich nicht eingeschränkt. Ich verwende vielleicht 50 Apps von den insgesamt 200.000, die angeboten werden. Aber da geht es ums Prinzip, dass man nicht eingeschränkt werden will. Und was wäre, wenn Apple eines Tages böse werden würde?
Und es stellt sich die Frage: Ist Zensur in Ordnung, solange es gute Zensur ist.
Wozniak: Fast jeder würde wohl zustimmen, dass ein gute Diktatur besser funktioniert als viele andere Regierungsformen. Wir haben auch keine Firmen, die wie die Regierung der Vereinigten Staaten verwaltet würden. Manchmal wünschte ich mir, unsere Regierung wäre von Apple geleitet oder würde Apple ähneln.
Aber Sie sagen selbst, dass Apple irgendwann böse werden könnte.
Wozniak: Jede Firma kann irgendwann böse werden. Ich gehe aber nicht davon aus, dass das bei Apple passiert. In meinen Augen ist es derzeit das beste Unternehmen der Welt.
Wie denken Sie über Google? Deren Firmenmotto lautet sogar: Don”t be evil.
Wozniak: Mir scheint, denen ist das auch ein Anliegen. Wenn Google ein neues Produkt herausbringt, ist dieses sehr offen und gut mit anderen Produkten kombinierbar. Man wird nicht gezwungen, ausschließlich Google-Produkte zu verwenden. Wenn Google anfängt, lausige Produkte zu machen, dann nenne ich sie böse. Das könnte bei Android (dem Handy-Betriebssystem von Google, Anm.) passieren. Android muss mit vielen unterschiedlichen Hardware-Teilen verschiedener Hersteller kompatibel bleiben, das könnte sie hinunterziehen.
Dabei müsste Ihnen doch der Gedanke von Android gefallen, Google lässt unabhängigen Softwareentwicklern freie Hand.
Wozniak: Ich mag diesen Aspekt an Android, insgesamt bin ich von den Geräten aber weniger begeistert als vom iPhone. Das iPhone kann mittlerweile so ziemlich alles, was ich mir von Beginn an wünschte. Und nach den Gerüchten, dass es zu einer kartellrechtlichen Untersuchung kommen könnte, hat Apple auch viele weitere Apps zugelassen, zum Beispiel Google Voice.
Google Voice arbeitet auch mit Spracherkennung. Es ist doch faszinierend, wie dumm die Geräte nach wie vor sind. Sie können zwar alles superschnell berechnen, aber verstehen können sie uns fast nicht.
Wozniak: Seit 40 Jahren suchen wir nach künstlicher Intelligenz. Aber jedes Mal, wenn ein technologischer Durchbruch erwartet wurde, war es in Wirklichkeit nur ein minimaler Fortschritt. Unser Hirn kann extrem viele Prozesse gleichzeitig erledigen. Überlegen Sie: Könnte ein Computer als Lehrer fungieren? Es gibt Unterrichtssoftware, die kleine Spiele anbietet oder den Schüler zu motivieren versucht. Aber wenn der Schüler eine Frage hat, muss er selbst danach suchen. Warum kann das Programm nicht einfach auf die Frage antworten? Warum erkennt es nicht, wenn ein Schüler müde wird, oder erkundigt es sich nicht, wie das Picknick mit der Familie war? Ein echter Lehrer würde das tun. Und je mehr ein Computer menschliche Züge annimmt, desto mehr lieben wir ihn. Dann verfallen wir dem Gerät. Und ich glaube, in genau diese Richtung geht es in der Zukunft.
Zur Person
Steve Wozniak gründete 1976 mit Steve Jobs Apple. Der 60-Jährige schuf den Apple I und Apple II und revolutionierte damit den IT-Markt, weil Computer plötzlich für normale Konsumenten interessant wurden. Heute ist er nicht mehr in die Firmengeschäfte involviert, bezieht aber ein Gehalt von Apple. Er war vergangene Woche auf Einladung der Telekom Austria in Wien zu Gast und sprach bei dem Event Future Talk
Dieses Interview ist im Falter 43/10 erschienen. Foto: Heribert Corn, Illustration: http://www.jochenworld.de/
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Danke für den tollen Artikel!
Hab nur eine kleine Anmerkungen zu Punkt 2:
"Man hätte das laut Fussi eher als Frage einbringen können, zum Beispiel. ob es fair sei, dass nur große Söhne in der Bundeshymne vorkommen. "
Diese Diskussion hatten wir afaik bereits. Sie mündete in der Änderung des Textes der Hymne, wirksam ab 1.1.2012.
Das stimmt. Ich bin auch nicht sicher, ob es politisch sinnvoll ist, die ganze Debatte nochmal zu eröffnen, wenn die Regierung diese Debatte dann gar nicht führen will. Aber was Fussi wohl meinte ist, dass die Tonalität des Postings ungünstig war. Hier erklärt er, was er genau meint: http://www.rudifussi.at/2014/06/27/analyse-heinisch-hosek-im-scheissgewitter/
Shitstorms werden in logischer Folge befördert wenn nicht ausgelöst dadurch, dass es auf facebook keinen Dislike-Button gibt. Wenn einem etwas nicht passt, muss man was schreiben. Und diese Mühe machen sich eher jene, die extrem dagegen sind - mit entsprechender Wortwahl. Jene, die dafür sind, klicken auf Like, und das war's.
Andere fühlen sich durch die schiere Sichtbarkeit dieser shitstormesken Kommentare bestärkt und lassen ihren Frust (der gern auch aus der allgemeinen Lebenssituation erwächst) ebenfalls los. Das schaukelt sich dann weiter hoch (bzw. "hinunter"). Der Teufel sch...t halt immer auf den größten Haufen.
Zudem haben wir im vorliegenden Fall nicht nur das Thema Gleichberechtigung sondern auch das prinzipielle Match Politiker vs. (populärer) Heimatmusiker. Heinisch-Hosek hätte wahrscheinlich irgendwas gegen Gabalier posten können. Hätte sie auch angeeckt und Widerspruch hervorgerufen.
Wäre auch interessant, wie die Struktur der Negativ-Poster aussieht. Wieviele Männer, Einkommenslevel, Geschiedene, Alter etc. Und ob diese Struktur repräsentativ für Österreich ist (oder auch jenen, die bei einer Volksabstimmung für die alte Hymne stimmen würden). 14.000 oder mittlerweile mehr sind für eine eingehendere statistisch Betrachtung schon nicht wenig.
Andererseits: 6 Millionen der Internetbevölkerung haben nicht geshitstormt (nur davon gelesen in der großen medialen Berichterstattung).
Interessant, dass Sie auf den Dislike-Button zu sprechen kommen. Ich habe ja zum "Gefällt mir nicht"-Knopf, den sich viele wünschen, eine andere Meinung: Facebook lässt den bewusst weg, weil er den Trollen nützen würden, die nur Zwietracht säen wollen. Die würden es dann als Auszeichnung sehen, möglichst viele Dislikes zu ernten und selbst permanent Dislikes zu verteilen. Aber wie Sie richtig sagen, eines vergisst man oft bei solchen Debatten: Die schweigende Mehrheit hat online nicht geschimpft und sich nicht am Shitstorm beteiligt. Nur das ist leider dann oft (auch für die Betroffenen) dann nicht sichtbar.
thx, ich freue mich über Ihre Replik. Ja, das kann prinzipiell in beide Richtungen gehen. Auf einer ganz grundsätzlichen Ebene könnte man mit der Frage spielen, ob "der Mensch" (heutzutage, in Social Media) eher tätig wird, wenn - all other things being equal - er zur Startaussage pro eingestellt ist oder contra (pathetischer ausgedrückt sie aufbauen oder zerstören, verteidigen oder angreifen will). Sicher hängt es auch davon ab, wie die Startaussage gepolt ist - um bei dem manichäischen Weltbild zu bleiben ;) ...ich weiß... sehr sehr pauschal und abstrakt... ;)
Das genaue, konkrete Gegenexperiment und damit den Vergleich, wie es ausgesehen hätte, wenn Gabalier Heinisch-Hosek in derselben Tonart und Stärke und zuerst angegriffen hätte, ist leider nicht möglich. Hätte es dann die bösen Kommentare eher zugunsten der neuen Hymne gegeben bzw. gegen den Aggressor Gabalier?
Mit einem Dislike-Button gäbe es Waffengleichheit zwischen den beiden Typen. Dann hätten auch die negativ Eingestellten die Convenience-Option des Button Drückens (und manche von ihnen würden sich den bösartigen Kommentar vielleicht sparen).
Ich meine, man sollte auch noch deutlicher zwischen dem klassischen Troll und Shitstorm-Teilnehmern unterscheiden, wenn man über Manieren im Internet spricht. Klassische Trolle sind lieber unbekannt - in meiner von Freunden und Gutgesinnten bevölkerten Timeline gibt es kein Trollen (bzw. zeigt mir facebook keins). Shitstorm-kompatible Bemerkungen seh' ich von bekannten Personen schon.
Danke für diesen Beitrag! Da ich mir vorgenommen habe, eine Recherche zum Thema Sexismus und Internet zu machen, würde mich interessieren, woher die Information kommt, dass es nur eine kleine, aber umso lautere Minderheit ist, die antifeministische Postings schreibt. Wie findet man so etwas überhaupt heraus und wie kann man so etwas quantifizieren? Gibt es dazu Umfragen? Und nebenbei bemerkt denke ich nicht, dass wir ein Problem mit der Wut an sich haben, sondern mit einer ganz bestimmten Wut. Und zwar ein Zorn, der sich als hasserfülltes Ressentiment und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit Luft verschafft. Man kann angesichts der Verhältnisse in unserer gegenwärtigen Gesellschaft schnell einmal wütend werden, aber das heisst nicht zwangsläufig, dass man seine Mitmenschen virtuell anpöbeln und anspucken muss, wie das die Wutbürger mit ihren Shitstorms tun. Ist aber nur ein kleines Detail, ansonsten finde ich den Artikel recht gut.
Es gibt eine großartige Studie zum Thema Antifeminismus, die die Heinrich-Böll-Stiftung in Auftrag gab: http://www.boell.de/de/content/die-antifeministische-maennerrechtsbewegung Sie behandelt zwar in erster Linie den deutschsprachigen Raum, einiges davon lässt sich aber auch hierzulande beobachten. Für Deutschland wird geschätzt, dass dort die Zahl der Antifeministen niedriger als 1000 ist.
Vielen dank für die Info und den Lesestoff!
Man ist geneigt zu sagen, das Internet verdirbt den Charakter, Aber das stimmt nicht.
In den sozialen Medien wird so "geredet, wie man seit jeher im Wirtshaus redet. Das haben aber bestenfalls ein paar Hanseln vernommen und es war wurscht, was einige Deppen von sich gegeben haben.
Durch die sozialen Medien erfährt man viel über die Seele eines Volkes. Was früher nur vermutet werden konnte, kommt nun tatsächlich zum Vorschein.
Ich glaube auch nicht, dass das Internet den Charakter verdirbt - das wäre eine zu einfache Erklärung. Viel mehr würde ich vermuten, dass wir alle schönere und wenigere schöne Seiten haben, jedoch leider im Netz vielfach letztere sichtbar werden. Und umso mehr glaube ich, dass wir online Tools und Umgangsformen finden müssen, damit wir uns als Gesellschaft nicht ständig so anstänkern. Ein öffentliches Forum ist eben kein Wirtshaus und diejenige, über die hergefahren wird, kriegen diese Beleidigungen durchaus mit und nehmen sie (auch wenn das manche nicht zugeben würden) sehr wohl zu Herzen.
Ich finde den Artikel sehr interessant und gut, sehe jedoch einige Dinge etwas anders.
1) Sprache: Der Sprachgebrauch ist heute leider sehr gewalttätig und vulgär. Daher ist es kein Wunder, wenn die Leute auch im Internet entsprechend schlimme Dinge schreiben. Es scheint unter vor allem jüngeren Generation üblich zu sein sich gegenseitig zu beschimpfen obwohl es keiner wirklich ernst meint. Wenn ich in meiner Hauptschulzeit von einem Mitschüler während einem streit gehört hätte: "Ich bring dich um, du miese Sau" hätte ich ernsthaft um mein Leben gefürchtet. Soweit ich es mit bekomme ist dies heute eher eine mächtig Drohgebärde, welche aber aufgrund der Häufigkeit mit der sie eingesetzt wird nicht mehr so ernsthaft wirkt. Dies ist wahrscheinlich ein extremes Beispiel und solche Aussagen sollten niemals auf die leichte Schulter genommen werden, aber ich hoffe dass mein Anliegen damit klar ausgedrückt wurde.
2) Überkorrektheit: Durch die "Political Correctness" sind viele Leute über sensibilisiert und sehen hinter jeder noch so harmlos gemeinten Aussage gleich das Schlimmste. Bei einem Gespräch von Person zu Person kann man anhand der Tonlage, Gestik und Mimik besser einschätzen wie etwas gemeint ist. Im Internet geht dies nicht und ich denke, dass viele eigentlich harmlosere Aussagen oder Meinungen gern negativer interpretiert werden als sie sind. Wenn man zum Beispiel schreibt, dass die Frau Minister eine eingefleischte Femme ist und sich lieber um wichtigeres Kümmern soll wird man sofort als Frauenfeindlich und "schlecht" angesehen. Es kann aber auch einfach gemeint worden sein dass die Frau Minister stark für Frauenrechte einsteht aber meine persönliche Meinung ist, dass sie sich mehr um die anderen und wichtigeren Dinge in ihrem Aufgabengebiet als Ministerien widmen soll (z.B. Unterrichtsreform und Familienbeihilfe). Der Mensch fühlt sich leicht angegriffen und der, meines Erachtens, "Wahn" der politischen Korrektheit hat dieses Gefühl verstärkt
3) Shitstorm: Ich habe die Kommentare auf Facebook zu diesem Thema gestern Vormittag gelesen. Ich möchte nicht leugnen, dass leider einige Kommentare nichts als Beschimpfung waren, jedoch konnte ich von einem Shitstorm nichts erkennen. Die meisten Kommentare waren einfach Meinungsäußerungen, dass man die alte Hymne wieder haben will. Man macht es sich leider viel zu einfach. Sobald ein Haufen Leute per Internet mit einer gegenteiligen Meinung reagiert ist es gleich ein Shitstorm. Das äußern einer anderen Meinung als der gewünschten hat nichts mit Shitstorm zu tun.
4)Toleranz: Solange man sachlich bleibt und den anderen nicht beschimpft muss eine jede, nicht vom Gesetz verbotene, Meinung toleriert werden. Meist sind es jedoch die Leute Zurückhaltung und Toleranz verlangen, welche sich am lautesten aufregen. Auch in diesem Artikel wurde mit wenig Toleranz auf nicht genehme Aussagen reagiert. So sind laut Artikel alle Leute, welch der Meinung sind, dass die Aktionen von Feministinen bereits zu weit gehen Antifemen und Frauenfeinde, die nur lautstark schreien und Unruhe stiften können. (Da sieht man wie leicht das geschriebene Wort negativ interpretiert werden kann) Ich selbst bin jedoch auch der Meinung, dass man teilweise bereits zu Weit gegangen ist. Ich bin deswegen jedoch noch lange kein Frauenfein und bedroht oder beschimpft habe ich wegen diesem Thema auch noch keinen Menschen.
Abschließend möchte ich einfach sicherheitshalber festhalten, dass ich nicht das Verhalten von den "Schwarzen Schafen", welche Drohen, Schimpfen und Demütigen rechtfertigen will. Mein Ziel ist es auf zu zeigen, dass wenn einmal die Emotionen hoch wogen, sehr vieles nur negativ gesehen wird und vieles schlimmer erscheint und dargestellt wird als es in Wahrheit ist.
Das Problem liegt nicht an der Anonymität. Das Problem liegt auch nicht an der Wut. Menschen dürfen wütend sein und sollen dies auch, auf gesittete Weise, zum Ausdruck bringen dürfen. Das Problem ist, dass wir den Leuten nicht mehr bei bringen, dass man nicht immer recht haben muss und dass es nicht immer nur richtig oder falsch gibt. Solange die Gesellschaft nur die Extreme Richtig und Falsch kennt und alles was nicht "Richtig" ist automatisch als falsch ansieht, solange werden wir nicht sinnhaft diskutieren und reden können. Solange wird am Ende jeder zu Schreien und schimpfen zurück greifen weil keiner nachgeben kann. Denn wer nachgibt ist aus der heutigen Sicht der Gesellschaft, so habe ich dien Eindruck, Schwach, Unfähig und Wertlos.
Wie Sie richtig sagen, sind wir uns vielleicht in einigen Details nicht ganz einig, ich glaube aber auch, dass wir online eine Kultur des "Let's agree to disagree" lernen müssen, bei der man anderer Meinung ist, diese Meinung aber so ausdrückt, dass sie den anderen nicht verletzt oder einschüchtert. Was den Hinweis auf Mimik und Gestik betrifft, haben Sie absolut Recht. Über die Bedeutung der nonverbalen Signale - und wie schwierig es ist, wenn diese nicht sichtbar sind - habe ich ausführlich in meinem Buch geschrieben: https://www.brodnig.org/buch-der-unsichtbare-mensch/ Danke für Ihren Beitrag!
Heinisch-Hosek macht zwar viel falsch, aber das hat sie goldrichtig gemacht. Und nein, sie braucht keine besseren Social Media Berater, die ihr in Weicheier-Manier politisch verträgliche, empathische Meinungslosigkeit verordnen. Es passt schon, dass eine Ministerin auch mal jenseits aller Wahlspekulationen eine echte Meinung vertritt und keine zusammengestoppelten, konturlosen Wischiwaschi-Plattitüden liefert (dann sagt sie besser gar nichts).
Und wie der Shitstorm zeigt, ist Schulmeisterlichkeit bei diesem Thema beinahe unvermeidbar (nicht nur gegenüber Herrn Gabalier) wenn man sich im Lager der völlig entarteten, geschmacklosen Gleichbehandlungsgegner nicht wohl fühlt.
Was hier zu Tage tritt, ist der wahre kulturelle Boden Österreichs, eine seit Jahrhunderten gepflegte Kultur des Neides, der gegenseitigen Verachtung und des Mießmachens - der Charakter der österreichischen Volksseele. Auf diesem Boden gedeihten von Metternich über Hitler bis hin zur heutigen FPÖ diverse Ideologien der Menschenverachtung und es ist kein Zufall, dass gerade in Österreich mit Life-Ball, Frau Wurst u.a. eine vor allem international einzigartige Gegenbewegung entstanden ist - provoziert durch massive Unterdrückung eines allgemeinen Gleichbehandlungsprinzips.
Ich bin der Frau Ministerin dankbar, denn es hat zu Tage gefördert, wie dieses Volk wirklich tickt. Es kommt zwar nicht überraschend, denn wer die Online-Leserkommentare in diversen Zeitungen hin und wieder überfliegt, findet in diesem Shitstorm leider nichts Außergewöhnliches.
Ich behaupte nicht, wir wären alle (latent) so. Vielmehr müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass Österreich keine Kulturnation ist - es sind 2 Kulturnationen, von denen die eine ideologisch in der Vergangenheit lebt und die andere feiert sich als liberal, hat aber nicht den politischen Willen diese Gesinnung mehrheitsfähig zu machen, sondern schielt auf Wählerstimmen und versucht nicht anzuecken.
Es gibt hier sogar noch mindestens eine dritte Kulturnation: zu ihr gehören jene, die mehr im im bescheidenen Alltag und im Untergrund und jenseits der medialen Aufmerksamkeit an einer besseren Welt und für eine bessere Welt arbeiten. Das sind aber gleichzeitig auch jene, die dann von den anderen beiden Kulturnationen als "Gutmenschen", "linkslinke Chaoten" oder "Ökoemanzen" angegriffen werden.
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Danke, kannte ich schon.
Ich halte den "Heimat-Aspekt" aber für unbedeutend. Ob da Töchter stehen, kratzt aus Sicht des Heimat-Empfindens vermutlich niemanden.
Es ist auch lustig, wie sehr man hier augenscheinlich fassungslos nach Erklärungen und Motive sucht, wo es im Grunde doch sehr banal ist (was viele Journalisten berufsbedingt wohl nicht so auf sich beruhen lassen wollen).
MMn. kommt an erster Stelle, dass HH vor allem in der Vergangenheit keine wirklich elegante Performance hingelegt hat und bei vielen mit ihrer Art (die überhaupt nicht professionell wirkt) sauer aufgestoßen ist - ganz besonders bei jenen, die generell politische Aggression gegen vermeintlich linke PolitikerInnen entwickelt haben.
Bildungspolitik und Frauenpolitik sind allerdings keine Themen, an denen sich die dumpfe Wut entladen könnte, weil man dazu ja auch ein wenig Fachwissen bräuchte, aber bei der Hymne fühlt sich auch der Dümmste kompetent genug, seinen Schleim los zu werden.
Liebe Frau Brodnig,
ich würde mich über ein Gespräch freuen, inhaltlich ob und inwieweit Sie sich eine Teilnahme (Kurzreferat) an einem Workshop des 16. Österreichischen Journalistinnenkongresses vorstellen könnten!
Oder auch Ihr Buch präsentieren!
Wir arbeiten hier thematisch mit Daniela Kraus und Meral Akin-Hecke zusammen!
Ich freue mich auf Ihre Antwort,
herzlichst
Monika Posch
Liebe Frau Posch,
habe Ihnen gerade ein E-Mail geschrieben. Freue mich über die Anfrage und bin gerne für ein Gespräch erreichbar!
Besten Gruß,
Ingrid Brodnig
Michel Reimon hat sich einmal in einem Blogpost in die Richtung geäußert, daß alle Menschen, die in Politik gehen, sich der ungenierten Öffentlichkeit und ungefilterten Meinungsäußerung bewußt sein müssen und es in der Regel auch sind. Wenn wir zudem berücksichtigen, wie die Parlamentarier und Politiker untereinander Umgehen (der Deutsche Roger WIllemsen hat ein analytisches Protokoll des Berliner Bundestags kürzlich vorgelegt), dann sehe ich die Gefahr, daß Frau Heinisch-Hosek künftig schweigsamer ist, eher nicht gegeben.
Ich könnte jetzt zynisch sagen, daß in Europa es schon zu lange keinen ordentlichen Schießkrieg mehr gegeben hat, in dem die Menschen ihr Mütchen hätten kühlen und ihre überschüssige negative Energie hätten ableiten können, Leider zeigt die Erfahrung, daß Aggression ein nichtversiegender Quell menschlichen Handelns ist.
Bedenklich finde ich vor allem aber, daß diese Unverhältnismäßigkeit der Reaktionen im digitalen Raum dazu führt, daß mehr über die Unverhältnismäßigkeit der Reaktionen im digitalen Raum debattiert wird, als über die Sache selbst oder wenigstens die Ursache dieser regelmäßig wiederkehrenden Ausbrüche.
Umberto Eco hat einmal, ich glaube: im "Foucault'schen Pendel", dazu geraten, nie mit Idioten zu diskutierten, denn es bestehe die Gefahr, "die Leute könnten den Unterschied nicht feststellen". Und ich halte weder die Haltung des Barden gegenüber der neuen Bundeshyme für sonderlich professionell, noch die Reaktion der Grünen Frauen oder eben der Bildungsministerin. Da treffen lauter Trotzköpfchen aufeinander.
Das Problem jeder österreichischen Bundesregierung war und ist, daß sie abgesehen vom vier- und fünmfjährigen Urnengang sich eher wenig für die Meinungen und Haltungen derer interessieren, die sie eigentlich repräsentieren. Die Gleichstellungspolitik in ihrer Gesamtheit empfinden - zu Recht oder Unrecht - viele Menschen als "von oben nach unten" diktiert. Es fehlt an Rückversicherung und Einbindung der Bevölkerung, was es dann schreienden Postern und schreienden Popoulisten leicht macht, sich als "Volkes Stimme" zu geben.
Ich vermute, gemeint ist dieser Beitrag von Michel Reimon: http://www.reimon.net/2014/01/25/die-krankung/ Den fand ich auch sehr spannend, wobei ich ihn etwas anders interpretierte: Nämlich dass man als Politiker natürlich eine dicke Haut braucht, aber dass es einen schon nachdenklich stimmen kann, wie dick diese Haut mitunter sein muss.
Ja, stimmt, auch die - doppelte - Interpretation. Reimons Beitrag verstehe ich auch als Warnung und damit auch als Diskurskritik.
Wir brauchen natürlich auch eine Debatte über die Debattenunkultur, wie Roger Willemsen in seinem Buch aber zeigt (oder zu zeigen sich anschickt), ist diese auch Produkt fehlender demokratischer und partizipativer Diskurse, die tatsächlich etwas bewirken; Wenn eine Gesetzesvorlage ins Parlament kommt, ist schon so gut wie alles ausgehandelt und entschieden, eine echte Aussprache, die etwas verändern könnte, findet nicht statt.
Ohne jetzt die "Strukturkarte" ziehen zu wollen, sind diese Angriffe ad personam und Schreiattacken in Großbuchstaben auch von der erstarrten repräsentativen Demokratie mitverurdacht.
Ich finde den Artikel sehr gut.
Ein eventueller Antifeminismus wurde aber provoziert.
Auch ich hoffe, dass BM Heinisch-Hosek weiterhin die ihr wichtigen Themen vermittelt.
(Frei nach dem Motto: "Wenn ich sonst keine Sorgen habe ...)
Entlarvung ist manchmal wichtig.
Vielen Dank! Zur Entlarvung fällt mir jedoch ein - ganz anderes - englisches Sprichwort ein: Ignorance is bliss. Manchmal geht's einem vielleicht sogar besser, wenn manche Dinge ohne Kenntnisnahme an einem vorüberziehen.
Yep, auch hier ist ein Beitrag zu finden.Ein kleiner privater neuer Blog
pipabloggt.wordpress.com
Im Übrigen: Grenzgenial, Dein Beitrag !