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Nein, das sind keine Schmuddelkinder

Ghettoschulen, Ausländerklassen? Ausgerechnet von den Kärntnern könnte die Bildungspolitik etwas lernen



Über Ali, Boban und Ivana wird gesprochen, als seien sie Schmuddelkinder. Wenn Migrantenkinder nicht gut genug Deutsch können, sollen sie in „Vorbereitungsklassen“ abgeschoben werden. Dort könnten sie nicht nur die Landessprache, sondern auch ein paar Manieren eingebläut bekommen. „Es ist nicht altmodisch, wenn man höflich ist. Es ist auch notwendig, Kinder zu Leistung zu erziehen.“ Das meinte neulich Christine Marek, Spitzenkandidatin der Wiener ÖVP und einst als liberales Aushängeschild ihrer Partei angesehen.

Die Angst vor den Migrantenkindern ist real – und sie wird von Teilen der Politik genährt. Weil es einfach ist, mit den Sorgen vieler Eltern Wahlkampf zu machen. Und weil es tatsächlich Probleme gibt. In Wien spricht mittlerweile jeder zweite Volksschüler zu Hause eine andere Sprache als Deutsch, eine Folge der Einwanderungsgesellschaft.

Das allein ist halb so wild, bedenklich wird es aber dann, wenn die sozial benachteiligten Kinder nur noch unter sich bleiben. Dann sitzen sie in Klassen, wo Deutschkenntnisse fehlen, wo die Eltern nicht das nötige Einkommen oder Wissen haben, um Bildungsnachteile auszugleichen, und wo man höchstens eine Lehre oder den Abschluss an einer mittleren Schule anstrebt. In solchen Klassen werden keine Bildungskarrieren geschmiedet, sondern soziale Aufstiege verhindert und Kinder auf ihr Leben als Hilfsarbeiter vorbereitet.

Unser Schulsystem schiebt die Kinder aus bildungsfernen und armen Familien besonders rasch ab und steckt sie zusammen in eine Klasse. Das passiert nicht erst bei der Selektion mit zehn Jahren, bei der die einen in der Hauptschule und die anderen im Gymnasium landen. Es passiert schon bei der Wahl der Volksschule, wo sich an manchen Standorten auf einmal überproportional viele ärmere Kinder befinden. An den renommierten Standorten, wo die Ganztagsschule oder Reformpädagogik angeboten wird, sitzen hingegen auffällig viele Akademikerkinder. Die Unterschiede zwischen den einzelnen städtischen Schulen sind in den letzten Jahrzehnten weiter auseinandergeklafft.

Das ist ungerecht, weil in manchen Klassen fast nur soziale Härtefälle landen und die Kinder gar keine andere Perspektive bekommen. Dabei ist Schule gerade jener Ort, wo man Menschen aus anderen Schichten begegnet. Umso bedenklicher ist es, wenn bürgerliche Eltern ihren Nachwuchs vor der vermeintlichen Unterschicht abschotten und lieber in Privatschulen oder in Klassen mit möglichst wenigen Migranten stecken wollen. Dann wird es noch schwieriger, an den öffentlichen Schulen eine gute Balance zwischen Kindern aus armen und reichen, aus bildungsfernen und bildungsnahen Familien herzustellen.

Allerdings ist es zu einfach, den Eltern Egoismus vorzuwerfen. Sie wollen logischerweise das Beste für ihr Kind – auf dieses Bedürfnis muss die Bildungspolitik reagieren und den Erziehungsberechtigten ein besseres Angebot machen. Kurz gesagt: Die Schuldebatte muss von diesem Schmuddelkinderdenken wegkommen.

Wie das funktioniert? Indem der Staat jene Schulen aufwertet, an denen besonders viele Kinder mit Startschwierigkeiten sitzen. Ein positives Beispiel kommt aus einem Bundesland, wo man das kaum vermuten würde: aus Kärnten.

Noch in den 80er-Jahren wurden dort slowenischsprachige Schulkinder öffentlich niedergemacht. Der nationalistische Kärntner Heimatdienst forderte, dass die Kinder von den deutschsprachigen getrennt unterrichtet werden, und leitete ein Volksbegehren ein – das von der FPÖ unterstützt wurde. Kärntner Slowenen fürchteten „Ghettoschulen“ und „Schul-Apartheid“. Nach heftiger Diskussion und dem Bericht einer Expertenkommission trat ein neues Gesetz für die slowenischen Schüler in Kraft. In den zweisprachigen Klassen kam ein Zweitlehrer zum Einsatz, maximal 20 Schüler durften in einer Klasse sitzen – anstatt wie anderswo 30.

Das hatte nicht nur zur Folge, dass die slowenischsprachigen Schüler einen besseren Unterricht bekamen, die Schulen wurden auch zunehmend für andere Eltern attraktiv. Das Ansehen der Schulen stieg: Aus den einstigen Schmuddelschulen wurden begehrte Bildungsstandorte. Slowenisch wurde als wertvolle Zusatzqualifikation erkannt, heute sind zwei Drittel der Kinder an den Minderheitenschulen deutschsprachig.

Davon kann Wien lernen. Zum Beispiel könnten Schulen mehr Mittel erhalten, wenn sie Migrantenkinder (insbesondere aus einkommensschwachen Familien) aufnehmen. Dieses Geld könnte aber nicht nur in Sprachförderung, sondern auch in zusätzliche pädagogische Maßnahmen fließen: mehr Lehrer, kleinere Klassen, Ganztagsschulen. Mit einem Schlag wären Schulen mit vielen Einwandererkindern aufgewertet. Die sogenannte „Ausländerschule“ wären kein Schimpfwort mehr, sondern auch bei den Eltern beliebt, da dort guter Unterricht finanziert wird.

Natürlich ist das nur eine Maßnahme von vielen, natürlich braucht es auch die große Bildungsreform samt Einführung der Gesamtschule. Aber das Beispiel der Kärntner Slowenen zeigt, dass der Staat durchaus einen Gestaltungsspielraum hat. Er hat die Macht, die Diskussion umzudrehen, aus Ali, Boban und Ivana soziale Aufsteiger zu machen. Wien darf nicht Klagenfurt werden – außer in diesem einen Aspekt.



Dieser Kommentar ist im Falter (Ausgabe 36/10) erschienen

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  • das ist ja wieder einmal tatsachenverdrehung in reinkultur ... das topic wurde von 0utput, deinem co-landesmediensprecher, nach interne diskussionen verschoben und auf u.a. meine initiative wieder öffentlich gestellt.
    es wäre vielleicht sinnvoll vorher intern einmal miteinander zu reden bevor eine anschuldigung an den BV ausgestossen wird ...

    nebenbei ist die schaffung eines landesmediensprechers ohnehin so unnötig wie ein kropf, insbesonders wenn beide personen ohnehin landesvorstand sind ... zumindes noch ...

  • Mein Tipp - es ist Urlaub, nimm den Kindle mit - alles andere verursacht nur Multitasking und das hat nichts im Urlaub verloren ;)

    • da hat sie ja schon mal so einen halbherzigen versuch gestartet und hat über weihnachten auf ihre Mails verzichtet. das war schon einen artikel wert ;-P

    • Finde ich auch die beste Variante. zB bei Thermen-Urlauben wird das Handy zwar mitgenommen aber untertags in den Safe gelegt. Am Abend kann man dann immer noch nachsehen.

  • "Jetzt wird immer so getan, als ginge es bei Musik nur ums Geldmachen. Das ist Bullshit. Mit Musik und Kunst beginnt man doch nicht fürs Geld, sondern weil es einem Freude macht." OGott O Gott ist diese Piratenpartei in ihrer Argumentation sowas von naiv. Natürlich geht es ums Geld. Da muss man gar nicht herumreden. Geld ist doch nicht Scheisse, Scheisse ist gratis Klauen und Scheisse ist, wie hier versucht wird in diesem Artikel mit diesen Kleindieben ein anständiges Gespräch zu führen. "Warum hast Du den Kaugummi gestohlen?" - "Weil er aus Material erstellt wurde, dass 100% synthetisch und weil er in einem Drittweltland von unterbezahlten Kindern zusammengestellt wurde." "Und warum isst Du dann den Kaugummi?" "Weil ich ihn vernichten muss, damit ihn nicht ein anderer isst." Dasselbe mit Kleidern aus Drittweltländern, mit Nahrungsmittel, mit Geld, mit Rassismus. Ich finde die Piratenpartei einfach nur flau, etwas für Egoisten.

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  • Verständlich, dass du dermaßen deprimiert bist. Was können wir denn auch für diese Abhängigkeit, wenn iPhone und Co mittlerweile so viel können und uns den Alltag erleichtern. Dein Verlustgefühl kann ich sehr gut nachempfinden. Ich hoffe du hast mittlerweile ein Neues!

  • Wirkliche Musikliebhaber wollen natürlich ein gut produziertes Album. Gerade wer viel Wert auf Sound legt, der wäre sehr enttäuscht, wenn die Platte zuhause aufgenommen werden musste, weil der Künstler sich die Produktion nicht leisten konnte. Musik ist auch Arbeit und der Künstler sollte dafür auch entlohnt werden. Wer aus Freude am Fussball mit dem Sport beginnt, bekommt auch irgendwann Geld dafür, wenn er gut genug ist. Fussball ist doch auch Kultur!

  • Ich würde das nicht so kritisch sehen. Vielleicht sieht man weniger Frauen im Zusammenhang mit nerdigen Spielen, weil sie nicht so infantil sind wie dies Peterpansyndromisierten Spielkinder.

  • Wenn der ORF keine Fan-Seiten machen darf, dürfen doch sicher die Fans Fan-Seiten machen. Wäre nur schön, wenn der ORF dann Logos etc. kostenfrei zur Verfügung stellen würde.

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