Negativfaktor Frau
Das AMS will alle Arbeitslosen von Software bewerten lassen – für Unbehagen sorgt speziell, dass Frauen automatisch eine schlechtere Bewertung bekommen.
Die Digitalisierung beeinflusst immer mehr Bereiche unseres Lebens – mit wem wir auf ein Date gehen, welche Produkte wir kaufen, und bald auch: wer eine teure Weiterbildung beim Arbeitsmarktservice (AMS) bekommt und wer nicht.
Zunehmend lassen öffentliche Einrichtungen ihre Daten auswerten und Prognosen über Bürger erstellen. Aktuell macht das Arbeitsmarktservice Schlagzeilen. „AMS bewertet Arbeitslose künftig per Algorithmus“, schrieb der „Standard“. Das AMS ließ Forscher die eigenen Daten auswerten und ein statistisches Modell erstellen, mit dem es die Arbeitsmarktchancen für jeden Einzelnen berechnen kann. Mithilfe der Kalkulation werden dann Ressourcen verteilt.
Wer im Jahr 2019 arbeitslos wird, für den ermittelt das AMS automatisch eine Zahl, wie gut oder schlecht die Chancen am Arbeitsmarkt sind. Jeder Arbeitslose wird in eine von drei Gruppen eingeteilt, ab 2020 soll diese Einteilung Konsequenzen haben: Kommt die Software zum Schluss, dass man der stärksten Gruppe angehört, wird man eher wenig Förderung bekommen – da man vermutlich auch ohne Hilfe einen Job findet. Wer in der Gruppe mit mittleren Chancen am Arbeitsmarkt fällt, kriegt leichter teure Fachausbildungen – hier wird viel Geld investiert. Und wessen Chancen nur in der untersten Gruppe liegen, kriegt tendenziell günstige Kurse. Wobei AMS-Berater einzelne Einstufungen ändern dürfen.
Ziel der Kalkulation ist, vor allem jenen Jobsuchenden teure Kurse zu zahlen, die ansatzweise Chancen am Arbeitsmarkt haben. Kein Wunder, dass genau auf die Ressourcen geblickt wird. Das AMS steht unter Effizienzdruck, und die aktuelle Regierung kürzt das jährliche Budget sogar. Trotzdem wirft diese Prognose schwerwiegende Fragen auf – allem voran: Werden Frauen im neuen System benachteiligt?
Das AMS hat die Synthesis Forschung GmbH beauftragt, den neuen Algorithmus zu entwerfen. Auf 16 Seiten wurde nun die Methode erklärt – doch diese Erklärung wirft mehr Fragen als Antworten auf. Positiv fließt in die Bewertung von Arbeitslosen ein, wenn man EU-Bürger ist oder über höhere Ausbildung verfügt. Negativ wird beispielsweise bewertet, wenn man über 50 ist oder nicht aus der EU stammt – auch ist es ein Negativfaktor, eine Frau zu sein.
Im Dokument steht: „– 0,14 x GESCHLECHT_WEIBLICH“. Jede Frau bekommt automatisch den negativen Faktor von minus 0,14 angerechnet. Sind ein männlicher und eine weibliche Arbeitsuchende in allen Aspekten gleich (gleiches Alter, gleiche Ausbildung, gleiche Berufserfahrung), kriegt die Frau trotzdem eine schlechtere Prognose.
Zu Recht betont das AMS gegenüber profil: Es ist nicht schuld an dieser gesellschaftlichen Benachteiligung. Die Zahlen des AMS spiegeln anscheinend wider, dass es Frauen am Arbeitsmarkt eine Spur schwerer haben. „Wir kämpfen seit unserer Gründung gegen Diskriminierung“, sagt AMS-Chef Johannes Kopf – und weist darauf hin, dass man die dezidierte Vorgabe hat, 50 Prozent aller Mittel für die Förderung von Frauen einzusetzen (obwohl Frauen nur 43 Prozent der Arbeitslosen ausmachen).
In den Vorgaben des AMS ist die Förderung von Frauen zwar großgeschrieben, trotzdem ist es rechnerisch möglich, dass der Algorithmus diesen Zielen widerspricht – und Frauen es schlimmstenfalls eine Spur schwieriger haben, teure Weiterbildung zu erhalten. Solche ethischen Bedenken tauchen permanent auf, wenn der Staat Algorithmen für wichtige Entscheidungen nutzt. Die USA sind ein Extrembeispiel: Dort setzt die Justiz sogar Software ein, die Richtern bei der Entscheidung helfen soll, welche Häftlinge auf Bewährung freikommen. Die Software sagt vorher, wer in Zukunft eine schwere Straftat begehen wird. Doch solche Algorithmen sind umstritten – auch weil sich zeigt, dass Afroamerikaner deutlich strenger bewertet werden.
Algorithmen bergen die Gefahr, gesellschaftliche Ungleichheit einzuzementieren. Laut den Daten haben beispielsweise Frauen schlechtere Chancen am Arbeitsmarkt – doch wie gerecht ist es, ihnen ein schlechteres Ranking zu geben und auch die Ressourcen danach zu verteilen?
Derzeit stellt sich die Frage, ob der AMS-Algorithmus in der Praxis einzelne Bevölkerungsgruppen wie Frauen diskriminieren wird – wir wissen es genau genommen nicht. Hierzu fehlt bisher eine genaue wissenschaftliche Evaluation. Der Statistiker Erich Neuwirth meint: Es wäre sinnvoll, noch nähere Tests mit den Daten des AMS zu machen. „Die bisher veröffentlichten Unterlagen sind zu wenig für eine Bewertung“, sagt Neuwirth, pensionierter Professor der Universität Wien. Wenn das AMS Sorgen ausräumen will, kann es zwei Schritte setzen: Unabhängige Wissenschafter (die nicht an dem Projekt beteiligt waren) zu einer Evaluierung einladen – um den Algorithmus auf unbeabsichtigte Diskriminierung zu untersuchen. Zweitens sollte auch die Anwendung im Alltag evaluiert werden: Wie sehr beeinflussen solche Zahlen das Verhalten von AMS-Mitarbeitern?
Das Arbeitsmarktservice ist nur der Anfang: Wir können bereits beobachten, dass öffentliche Einrichtungen zunehmend – auch aus Kostengründen – ihre Daten durchleuchten und Bürger statistisch bewerten lassen. Da ist es nur fair, wenn auch diese Einrichtungen stärker durchleuchtet werden.
Dieser Text erschien zuerst im Nachrichtenmagazin profil (Ausgabe vom 21.10.2018).
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Drinking water throughout your day helps you to prevent disease,
your optimal weight, as it dieting is so hard should.
For the study, Gardner and his colleagues looked at data from 300 overweight
or obese, advise people that cutting calories by a certain amount of fat to be
healthier. That is something to think about all the hoopla over his
weight.
Was ich spannend finden würde:
Wie wird eigentlich in Österreich überwacht?
Was macht die Polizei & der Verfassungsschutz?
Was die beiden militärischen Geheimdienste?
Vor allem: was dürfen die rechtlich - was machen sie faktisch, also wie weit wird die Rechtsstaatlichkeit bewahrt?
Nun, zur rechtlichen Lage hat der Sprecher des Innenministeriums Stellung genommen. Siehe: http://derstandard.at/1369363164908/Bespitzelung-a-la-PRISM-In-Oesterreich-ausgeschlossen
Inwieweit andere Staaten (etwa Österreich) auch geheime Programme haben oder die Ermittler mehr tun, als sie dürfen, kann man natürlich nicht sagen - wobei ich mir bei der Vorstellung schwer tue, dass Österreich ein ähnliches Spitzelprogramm hat. Weder haben wir große IT-Konzerne bei uns sitzen, noch einen Patriot Act, der sehr vieles sehr Problematisches möglich macht.
Und zum Vergleich mit der Vorratsdatenspeicherung:
Von manchen wird PRISM mit der Vorratsdatenspeicherung verglichen, was aber irreführend ist ist. Ich bin wahrhaft keine Freundin der Vorratsdatenspeicherung, aber sie ist mit PRISM nicht vergleichbar. PRISM ist ein geheimes (!) Programm, das Daten abzapft. Laut den internen Dokumenten kann die NSA auf E-Mails, Fotos, Videos, Chatprotokolle zugreifen. Das geht viel weiter als die Vorratsdatenspeicherung, bei der sogenannte Verbindungsdaten gespeichert werden - also nicht der Inhalt einer E-Mail, sondern die Information, wann wer mit wem wo gemailt hat. Es geht mir keine Sekunde darum, die Vorratsdatenspeicherung zu verharmlosen, nur werden hier Äpfel mit Birnen verglichen.
PRISM ist ein Geheimprogramm, von dem wir nur dank einem Whistleblower erfahren haben und das offensichtlich viel weitreichender ist als alle anderen Überwachungsmethoden, von denen wir bisher wissen.
hier vielleicht ein interessanter Link/anderer Blick: http://nakedsecurity.sophos.com/2013/06/10/prism-not-as-bad-as-you-thought-and-dont-call-it-prism/
ich glaube auch überhaupt nicht, dass Österreich hier ähnliche Programme unterhält, auch ein Vergleich mit der VDS liegt mir fern. PRISM scheint ja vielmehr sowas wie Echelon zu sein nur weit umfassener, das ist eine ganz andere liga als die Vorratsdatenspeicherung.
Aber natürlich gibt es auch in Europa eigene Überwachungsbestrebungen, wie hier http://fm4.orf.at/stories/1719346/ etwas kompliziert beschrieben. Da wird Österreich sicher auch mit an board sein.
Darüber hinaus wird zb das Projekt INDECT betrieben. (https://de.wikipedia.org/wiki/INDECT)
Und, wieder anderes Thema, es gibt ja momentan schon weitreichende Übereinkünfte mit den USA über Fluggast-Daten und auch E-Banking (SWIFT) betreffend.
Aber ja, eine maßlose allumfassende Aufzeichnung/Speicherung der "österreichischen Daten" wird es wohl nicht geben, einzelne Maßnahmen der Polizei/Geheimdienste die weiter gehen als die Gesetze es erlauben bestimmt (siehe VGT-Prozess).
Eine öffentliche Kontrolle dieser Tätigkeiten gibt es aber nicht, und auch keine Diskussion über die Befugnisse und tatsächlichen Überwachungstätigkeiten der Behörden hierzulande, womit ich wieder bei meinen Einstiegsfragen angelangt bin :)
Komisch, der Kommentar blieb im Spam-Filter hängen. Sorry! Sehr spannender Artikel auf FM4, kannte ich noch gar nicht. Danke!
Mir geht's gar nicht darum, Europa zu sehr in Schutz zu nehmen. Ich hab nur ein bisschen Angst, dass nun sehr schnell so ein generelles Wurschtigkeitsgefühl eintritt, so nach dem Motto: Jo, mei, es überwachen eh alle! Das wäre schlecht, weil das erst recht jene EU-Abgeordneten blockiert, die nun wieder Verschärfungen in die Datenschutzverordnung reinschreiben wollen. Was sicherlich generell eine gute Idee ist. Aber ja, der Tierschützerprozess wirft sicher kein gutes Licht auf das Vorgehen der Behörden...
übrigens:
http://derstandard.at/1369363661519/Bundesheer-Geheimdienst-soll-mit-NSA-kooperieren
"Etwa, dass für den Rest der Menschheit nicht die gleichen Menschenrechte gelten?"
Genau so kommt mir aber die Haltung vieler US-Amerikaner vor. Guantanamo ist nicht so schlimm, so lange keine Amerikaner dort sind. Und das F in FISA steht nicht umsonst für "Foreign". Klar, das sich ein Staat zuallererst um seine eigenen Bürger kümmert und eine Regierung um ihre Wähler. Gerade deshalb sollten in wir in Europa scharfe Datenschutzgesetze schaffen und uns nicht den Lobbyisten der großen (US-)IT-Unternehmen beugen.
Stimmt, leider entsteht dieser Eindruck derzeit tatsächlich. Wobei man ja sagen muss, dass Obama ursprünglich auch für das Versprechen, Guantanamo zu schließen, gewählt wurde. Es gibt sicherlich einige Amerikaner, die keine Freunde der Außenpolitik ihres Staates sind.
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Mal sehen wie viele Studien über die Sinnlosigkeit der Vorratsdatenspeicherung benötigt werden um sie wieder abzuschaffen. Leider sind die Regierungen einfach so datensammelwütig.
Nachdem es jetzt eh passiert ist sollte man das ganze System mit sinnlosen Informationen zumüllen, dann geht vielleicht in der Datenflut unter wann meine Oma mit ihrem Arzt über ihre Hüftprothese via Email kommuniziert hat... (Ja ich weiß, Inhalte werden nicht gepeichert - noch nicht...)