ORF: Keine Kritik auf Social Media
Was an den aktuellen Social-Media-Plänen des ORF so unbehaglich ist – ein paar Argumente
Der ORF arbeitet an neuen Regeln für seine Journalisten – und was diese auf Facebook und Twitter posten/liken/retweeten dürfen. Die derzeitige Formulierung (bisher ein Entwurf*) drang bereits an die Öffentlichkeit und sorge für Furore – meines Erachtens zu Recht.
Hier ein paar Argumente, warum mir dieser Text für Social-Media-Regeln des ORF nicht behagt:
“Zur Sicherstellung dieser Grundsätze, Vorgaben und Empfehlungen und damit der Glaubwürdigkeit des ORF und seiner Mitarbeiter/innen ist daher auch im privaten Umfeld zu verzichten auf
– öffentliche Äußerungen und Kommentare in sozialen Medien, die als Zustimmung, Ablehnung oder Wertung von Äußerungen, Sympathie, Kritik und “Polemik” gegenüber politischen Institutionen, deren Vertreter/innen oder Mitgliedern zu interpretieren sind.
– öffentliche Äußerungen und Kommentare in sozialen Medien, die eine voreingenommene, einseitige oder parteiische Haltung zum Ausdruck bringen, die Unterstützung derartiger Aussagen und Initiativen Dritter sowie die Teilnahme an derartigen Gruppen, sofern damit Objektivität, Unparteilichkeit und Unabhängigkeit des ORF konterkariert würde.
Die entsprechenden Meinungsbekundungen können dabei sowohl durch direkte Äußerungen erfolgen als auch indirekt durch Zeichen der Unterstützung/Ablehnung wie Likes, Dislikes, Recommends, Retweets oder Shares.”
Problematisch ist an dieser Formulierung, dass sie weit gefasst ist: Natürlich sollen Journalisten auch auf Social Media Kritik an politischen Aussagen äußern können. Wir wissen zum Beispiel alle, dass Vertreter sämtlicher Parteien gerne zuspitzen oder Zahlen verwenden, die nicht exakt die Realität widerspiegeln. Es ist sogar die Aufgabe von seriösen Journalisten (als auch das Recht jedes Bürgers) solche problematischen oder faktenwidrigen Formulierungen zu kritisieren. (Ja, Kritik ist wichtiger Teil der öffentlichen Debatte! Eine öffentliche Debatte ohne Austausch von Kritik ist keine wirkliche Debatte mehr.)
ORF-Journalisten sollen laut dieser Formulierung auch keine “voreingenommene” oder “einseitige” Haltung zum Ausdruck bringen: Auch diese Passage ist dermaßen schwammig, dass sie leicht von Parteien missbraucht werden kann. Gerade die Formulierung “voreingenommen” lässt viel Interpretationsspielraum offen. Gerne werfen Politiker Journalisten vor, sie seien “voreingenommen”, wenn ihren deren Berichterstattung nicht behagt. Die Gefahr ist hier, dass selbst berechtigte Tweets oder Facebook-Posts plötzlich von einer Partei als “voreingenommen” gewertet werden und damit Druck auf Redakteure ausgeübt wird.
Kurze Klarstellung: Ich finde es absolut nachvollziehbar, dass der ORF erklärt, als unabhängiger Rundfunk sollen die Mitarbeiter des Unternehmens keine parteinahe Haltung und keine Unterstützung von politischen Kandidaten tweeten oder auf Facebook posten. Aber der aktuelle Entwurf geht eben weit über diese (recht logische) Forderung hinaus.
Ein letzter Gedanke noch dazu: Im Text wird Journalisten auch untersagt, eine “Wertung” politischer Äußerungen vorzunehmen. Nur halte ich das für eine nicht praktikable Formulierung. Sprache beinhaltet nämlich immer eine Wertung. Ob man von “Meinungsunterschieden innerhalb der Koalition” oder einem “Streit in der Koalition” spricht, ist eine sprachliche Wertung. Es ist unmöglich zu sprechen oder tweeten, ohne nicht auch sprachlich zu werten (mehr dazu im Buch von Elisabeth Wehling: Politisches Framing). Auch diese Passage kann sehr schnell von Parteien genutzt werden, um einzelne ORF-Journalisten für komplett angemessene Tweets unter Druck zu setzen und sogar deren Kündigung zu fordern.
– Argument 2: Die anderen machen es anders
Hat die “New York Times” die exakt gleiche Regel? Nein. Seitens des ORF wird derzeit argumentiert, dass gerade renommierte Tageszeitung “New York Times” ähnliche Regeln hat. Ich muss in diesem Punkt teils widersprechen: Die Leitlinien der New York Times gehen nicht so weit wie die geplanten Leitlinien des ORF. Konkret heißt es in den “Social Media Guidelines” der “New York Times”:
“In social media posts, our journalists must not express partisan opinions, promote political views, endorse candidates, make offensive comments or do anything else that undercuts The Times’s journalistic reputation.
Our journalists should be especially mindful of appearing to take sides on issues that The Times is seeking to cover objectively.” (alles nachzulesen hier)
Die “New York Times” schreibt den Journalisten demnach vor, sie sollen keine parteiischen Meinungen ausdrücken, keine politischen Sichtweisen bewerben und keine politischen Kandidaten unterstützen. Wichtig ist aus österreichischer Sicht: Die Regeln des ORF sind umfassender als die Regeln der “New York Times”. So fordert der ORF seine Mitarbeiter nicht nur auf, parteiische Haltungen zu meiden: Es wird sogar “Kritik” und “Wertung” generell abgelehnt. Eine solche Passage findet sich im Dokument der “New York Times” nicht.
Zweitens ist eines relevant: Die Regelung der “Times” erntete auch Kritik. Es gab auch in den USA den Einwand, dass die Zeitung zu weit geht – das Nieman Lab hat einen Artikel zur heftigen Debatte gebracht. Der renommierte Journalist Mathew Ingram hat eine sehr lesenswerte Einordnung verfasst, wieso die Social-Media-Regeln der “New York Times” in seinen Augen keine gute Idee sind. Ein häufiger Kritikpunkt wurde auch sehr anschaulich von “Guardian”-Kolumnistin Jessica Valenti auf Twitter eingebracht. Sie meinte: “Die ‘New York Times’-Guidelines sind… nicht gut. Was zählt als parteiische Meinung? Dass Frauen Menschen sind? Dass schwarze Menschenleben zählen?” In einem zweiten Tweet schrieb sie: “Wie nimmt man keine Seite ein, wenn es um den Klimawandel geht? Fanatismus? Oder die Entmenschlichung von undokumentierten Einwanderern?” Sie spielt dabei auf politische Streitthemen in den USA an, etwa die Frage, ob der Mensch mit Schuld am Klima ist (die Mehrzahl der Wissenschaftler sagt ja, viele Republikaner sagen nein). Hier sieht man die Tweets von Jessica Valenti:
Übrigens ähnelt das meinem vorigen Argument: Es ist eben eine extreme Interpretationsfrage, was “Einseitigkeit” genau ist. Wenn eine Partei in einen Skandal verwickelt ist (siehe zB den FPÖ-Skandal rund um rechtsextremes Liedergut in Burschenschaften oder den SPÖ-Skandal rund um schmutz-aufwühlende anonyme Facebook-Pages im Wahlkampf), dann empfinden es Vertreter der Partei rasch so, dass die Journalisten “einseitig” oder “voreingenommen” sind. Und die aktuellen Formulierungen im ORF-Dokument könnten solche unfairen Angriffe von Parteien gegenüber dem ORF und seinen Vertretern sogar noch erleichtern.
– Argument 3: Achtung vor einem absurden Journalismus-Verständnis
Was mir am wenigsten behagt: Solche Formulierungen unterstützen schlimmstenfalls ein ganz problematisches Verständnis von Journalismus. Es ist nicht der Job von Journalisten, niemals Kritik zu üben und gleichgültig gegenüber politischen Skandalen aufzutreten. Im Gegenteil: Es ist dezidierte Aufgabe von Journalisten (inklusive öffentlich-rechtlichen Journalisten) auf Missstände innerhalb unserer Gesellschaft hinzuweisen – und diese als Missstände zu benennen (was sowohl eine Wertung als auch eine Kritik ist). Wenn zum Beispiel ein Bauprojekt der öffentlichen Hand komplett aus dem Ruder gerät und wegen Fehl-Managements oder gar politischer Mauscheleien viel zu teuer wird, ist es Aufgabe von Journalisten, die verantwortlichen Politiker kritisieren zu dürfen. Und natürlich sind soziale Medien ein wichtiger Ort geworden, wo genau diese politische Debatte erfolgt.
Seit ein paar Jahren wird von Journalisten eingefordert, in vielen Fragen keine Haltung zu zeigen. Gerne wird auf Twitter und Facebook dieses vermeintliche “Zitat” verbreitet:
Zitiert wird hier der deutsche TV-Moderator Hanns Joachim Friedrichs (aus dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk). Nur wird dieses Zitat verkürzt und irreführend verwendet: So hat das Hanns Joachim Friedrich nie gesagt. Er hat dies im “Spiegel” ein längeres Zitat geliefert, bei dem er argumentierte, dass Journalisten auch in emotional belastenden Phasen (wie etwa nach Todesfällen) nicht zu betroffen und emotionalisiert reagieren sollen, auch wenn sie schlimmste menschliche Schicksale mitansehen müssen. Eine sehr gute Analyse, wie dieses Zitat falsch verwendet wird, hat die Webseite “Falsche Zitate” gebracht.
Dieses Zitat wird nun allerdings pervertiert und verwendet, um journalistische Berichterstattung – die auch Kritik äußert – zu diskreditieren. Das Zitat muss als Ausrede herhalten, einzufordern, dass Journalisten gar keine Haltung zeigen sollen, selbst wenn es um die Frage der Intaktheit unseres Rechtsstaates oder das Respektieren von Menschenrechten geht. Ich würde argumentieren: Journalisten als “vierte Macht” im Staat haben die Aufgabe, auf den Rechtsstaat und Menschenrechte zu pochen und notfalls zu kritisieren, wenn neue Gesetze oder politische Äußerungen solche Grundrechte infrage stellen. Ein Journalismus, der keine Haltung pro Rechtsstaat und auch für Schwächere in unserer Gesellschaft einnehmen darf, der ist in meinen Augen wertlos und kein Journalismus mehr (sondern Hofberichterstattung). Und natürlich sollen solche journalistischen Grundrechte auch auf Twitter und Facebook gelten.
Zum Schluss möchte ich noch den deutschen Journalisten Cordt Schnibben zitieren, der einst das Interview mit Hanns Joachim Friedrichs im “Spiegel” führte, in dem das Zitat fiel (das oft aus dem Kontext gerissen wird). Er schrieb auf Twitter:
“Ich bin Transporteur dieses Zitats, weil ich damals am Sterbebett von Hanns Joachim Friedrichs diesen Satz gehört und nachgefragt habe. Er hat es eingegrenzt in einem sehr politischen, parteipolitischen Sinne: Also, wenn die SPD das Ehegattensplitting abschafft und ich als Moderator einer öffentl-rechtlichen Newssendung finde es gut, dann darf mir der Zuschauer das nicht anmerken. Daraus zu machen, dass ein Journalist quasi ein haltungsloser, emotionsloser Journalist sein sollte, dem man seine Haltung nicht anmerkt, ist eine Pervertierung. Und HJF gegen eine Solidaritätserklärung für DY (Anm.: hier ist Deniz Yücel, der deutsche Journalist, gemeint) zu instrumentalisieren, darauf kann nur kommen, wer nicht weiß, wer er war. Ist übrigens ein dämlicher Fehler von mir, die Konkretisierung dieses Satzes damals im Spiegel nicht abgedruckt zu haben.”
Schlussresümee:
Grundsätzlich finde ich das in Ordnung und auch sinnvoll, dass Redaktionen Social-Media-Guidelines veröffentlichen (der ORF hat übrigens bereits eine bisherige Social-Media-Regelung): Die konkreten Formulierungen im aktuellen Entwurf sind aber so weitreichend, dass ich ein Missbrauchspotenzial fürchte, welches dazu führen kann, dass die Meinungsfreiheit und auch die öffentliche Debatte auf Facebook und Twitter leiden. Einige Passagen können leicht von Vertretern von Parteien (oder deren Abgesandten im Stiftungsrat) genutzt werden, um Journalisten – die sauber und seriös berichten und auch Kritik formulieren – das Leben schwer zu machen.
Nun könnte man einwerfen: In der Praxis wird das schon nicht so hart ausgelegt werden. Nur halte ich das für einen schwachen Trost: Denn selbst wenn kein ORF-Mitarbeiter wegen eines Tweets oder Facebook-Posts gekündigt wird, können solche Regelungen eine einschüchternde Wirkung haben. Ich vermute, dass dann künftig jeder ORF-Mitarbeiter drei Mal darüber nachdenkt, ob er überhaupt noch irgendetwas zur politischen Debatte postet. Ich fürchte also die Schere im Kopf bei Journalisten. Und im schlimmsten Fall leidet die politische Diskussionskultur in Österreich darunter, dass wir einen Teil der Stimmen aus dem Journalismus online nicht mehr oder nur noch stark begrenzt hören.
* Klarstellung: Ist dieser Text jetzt ein Entwurf oder bereits Realität? Aktuell werden diese Social-Media-Guidelines als Entwurf bezeichnet. Zwar wurde dieses Dokument im Haus an Mitarbeiter verbreitet, aber es soll noch Gespräche mit Vertretern der Redaktion hierzu geben. Dazu hat ORF-Chef Alexander Wrabetz auch auf Twitter reagiert:
Update: Auch Bundeskanzler Sebastian Kurz äußert sich zu den Richtlinien. Wie die Austria Presse Agentur berichtet, steht er dem Entwurf “sehr skeptisch” gegenüber, wobei dies eine “Angelegenheit des ORF” sei. Hier fasst “News” den aktuellen Stand der Diskussion inklusive Wortmeldung des Kanzlers zusammen.
Noch ein Hörtipp: Gestern war der Ö1-Journalist Stefan Kappacher im Podcast “Ganz offen gesagt” zu Gast. Er hat dort auch über dieses Thema gesprochen. Ich kam selbst noch nicht dazu, mir das Gespräch anzuhören – aber da ich Kappachers Analysen und den Podcast “Ganz offen gesagt” eine Bereicherung der innenpolitischen Debatte empfinde, sei hier schon einmal auf dieses Gespräch hingewiesen.
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Es scheint doch eine ähnliche Situation wie in einer realen Gruppe zu bestehen: wenn jemand sagt "Leitln DER Ton muss aber net sein", bewirkt es allein noch keine Änderung, wenn es mehrere werden, wirkts dann doch.
Aber die Inhaber tun so, als wären sie vollkommen machtlos dem Gerülpse ausgeliefert. Herzlichen Dank für den "Weckruf".
Ich glaube, dass viele Menschen (mich eingeschlossen!) oftmals den Fehler machen, sich von der Unmittelbarkeit und der Synchronität des Internets bzw. von Online-Medien dazu hinreißen zu lassen, Gedanken aus einer ersten Emotion heraus ungefiltert und unüberlegt preiszugeben (das mag auf den ersten Blick ein klassisches "Henne-Ei-Problem" sein - das es das nicht ist, versuche ich ganz unten zu argumentieren).
Neben der Diskussion darüber, wie wir mit der Anonymität im Netz umgehen, brauchen wir, wie Sie völlig richtig schreiben, eine Diskussion darüber, wie Menschen dazu gebracht werden können, konstruktiv-kritsche Postings zu verfassen, ohne beleidigend zu werden und einen Diskurs darüber, welche Rolle die Medien in diesem Prozess spielen (wollen).
Noch viel stärker, und das ist wahrlich kein Thema der sozialen Medien alleine, müssen wir uns jedoch vergegenwärtigen, dass jeder Mensch (zumindest jeder geistig und körperlich gesunde) für sein eigenes Handeln und Tun selbst verantwortlich ist und sich die Konsequenzen daraus stets gefallen lassen muss. Selbst wenn der KI Kants alleine hier zu kurz greift, erscheint mir der philosophische Diskurs darüber aktueller denn je.
Autonomie und Freiheit, die wahrscheinlich größten Errungenschaften unserer westlichen Welt, entbinden (gerade deshalb!) nicht von individueller Verantwortung für die Gesellschaft. Die Abschaffung der Anonymität im Netz würde wahrscheinlich einen kleinen Beitrag zu weniger Shitstorms leisten - einen entscheidenden Schritt weiterbringen würde sie die Gesellschaft respektive Gesellschaften, offline, wie online, allerdings nicht.
Danke, sehr gut gesagt. Ich glaube, wir müssen online Umgangsformen und auch technische Sicherheitsmechanismen entwickeln, die diese individuelle Verantwortung für die Gesellschaft fördern. Es ist aber nicht so, als gäbe es keine Ideen. Das Spannende ist sogar, dass sich derzeit sehr viel tut. Österreich ist nicht das einzige Land, wo genau das diskutiert wird, und vielerorts gibt es spannende Ansätze - siehe auch die Links oben zu den Lösungsansätzen. Ich habe Gefühl, dass dies immer mehr Menschen bewusst wird und auch bewusst wird, dass es hier nicht allein um die Anonymität geht.
ich möchte nur anmerken, dass nicht jeder klarname in facebook dem wirklichen namen des dahinterstehend users entspricht. und die foruminternet explosion 4chan hat schon bewiesen, dass anonymität derbe konsequenzen mit sich bringen kann.
lg,
acjsvgcyhnsakux
Jö, endlich trifft man dich mal wieder! Lieber acjsvgcyhnsakux, ich dachte schon, du hättest dich völlig in die Untiefen des IRC zurückgezogen.
Absolut, vor allem so ein radikales Anonymitätsmodell wie jenes auf 4Chan führt dazu, dass viele User noch enthemmter sind. Das sieht man dort sehr deutlich. Ich warne nur davor, die Anonymität als einzigen Grund für die Enthemmung im Netz zu sehen.
Dass sich manche Lobbyisten für Klarnamen einsetzen, ist nicht verwunderlich. Schließlich geht es dabei auch um WhistleblowerInnen, welche anonym bleiben wollen. Und nichts scheuen manche Lobbyisten mehr als WhistlebloweInnen.
Die Frage ist auch, WARUM sich Rosam für Klarnamen einsetzt. Als Gutmensch ist er ja gerade nicht bekannt oder irre ich mich da?
Warum er das macht, kann ich Ihnen leider auch nicht sagen. Hier zwei interessante Artikel zu Wolfgang Rosam:
http://www.datum.at/artikel/das-meinungskartell/
http://www.datum.at/artikel/der-wolfgang-der-nicht-schweigt/
Was ich noch hinzfügen möchte:
Der Ton wird auch dadurch verschärft, dass man nix zurücknehmen kann, wenn man einfach loslegt. Die Aufzeichnug bleibt sichtbar.
Es gibt keine Editierfunktionen. Bleibt nur eine Entschuldigung, die man anfügt.
Dass keiner der Poster die Frau Brodnig anschrieb geantwortet hat, heißt womöglich, dass den Leuten im Nachhinein nicht ganz wohl zu Mute war.
Gehört am Rande zum Thema:
Das Recht auf Vergessen für alle Foren einforderbar machen ?
Nach ~3 Jahren soll auf Aufforderung gelöscht werden müssen.
Es gibt Für und Wider.
Wäre womöglich bei Sach-Foren schade.
Ich stolpere manchmal über Sachbeiträge von 2006 !
Der Link zu newstatesman funktioniert leider nicht mehr.
Sorry, der Link war falsch. Jetzt sollte es passen. Danke für Hinweis!
Ich find ihre Reaktion grundsätzlich gut. Sie tritt für ihre Meinung ein. Aber: Peinlicherweise ist ihr Text in Interpunktion und Rechtschreibung nicht korrekt. Und das als Unterrichtsministerin. Sorry, aber das find ich doch etwas peinlich. Man kann über die Bundeshymne denken, wie man will, aber sie hätte es besser machen können. Hätte Frau Heimisch-Hosek es besser machen müssen? Naja… Als Unterrichtsministerin???
Inwiefern ist denn die Interpunktion und Rechtschreibung falsch? Weil "vielgerühmtes" groß geschrieben ist? Ich muss gestehen, mir fiel da gar kein Fehler auf, aber natürlich ist das ein bisserl peinlich für die Unterrichtsministerin. Ob man deswegen einen Shitstorm und so viel Aggression verdient? Wohl eher nicht. Aber ich vermute, da sind wir eh einer Meinung..
Natürlich ist es peinlich, aber meiner Meinung nach ist das nicht der Grund des Shitstorms. Die Ministerin hat in ihren Ressorts bis heute absolut nichts weitergebracht. Ganz im Gegenteil: ein ständiges Buckelmachen vor Gewerkschaften und Beamten kennzeichnet ihre Tätigkeit. Und dann stellt sie sich als Oberlehrerin mit einem Tafel zum unwichtigsten Thema hin? Ich verurteile diese Art des Shitstorms, aber auch ich empfinde das als präpotent und abgehoben. Wie sie sicherlich wissen hat diese Ministerien erst vor kurzem eine Genossin vom Rednerpult verwiesen., weil ihr der Inhalt nicht gepasst hat. Wer derart austeilt, muss letztendlich auch einstecken. Oder vielleicht endlich bei wichtigen Themen etwas weiterbringen. So wie die gesamte Regierung überhaupt.
Dass viele enttäuscht sind, weil im Bildungsbereich keine Reformen kommen, glaub ich sofort. Bin mir nur ehrlich gesagt nicht sicher, ob die Wut gegenüber Heinisch-Hosek tatsächlich aufgrund der fehlenden Reformen in ihrem wichtigen Ressort entspringt oder sie da generell der Blitzableiter für die diffuse Wut gegenüber der Regierung ist - womöglich eine Mischung. Hinzu kommt auch noch die ganze Heimatsdebatte, für die die Hymne ein Synonym ist. Bernhard Schindler hat dazu gut gebloggt, siehe http://bernhardschindler.net/hymnen-debatte/
Danke für den Hinweis auf die Szene, in der die Ministerin die junge Genossin zurechtweist! Hier nochmal das Video https://www.youtube.com/watch?v=G-tZR4YH6j8 - ich muss bei diesen Ton immer an die eigene Schulzeit denken. Wirkt echt sehr lehrerhaft!
Ich bin mir sogar sicher, dass diese Wut an die gesamte Regierung gerichtet ist. Und wenn sich wieder nur irgendwie ein kleines Ventil öffnet, wird diese Wut wieder ausbrechen. Trotzdem bin ich mir auch sicher, dass sich der Großteil denkt "Gibt es wirklich nichts Wichtigeres?" Aber genau so arbeitet die Regierung; ablenken wo es nur möglich ist.
Danke übrigens für den Link. Habe mir das schon seit längerem nicht mehr angesehen, GENIAL bleibt der Satz: "..und wie demokratisch wir sind zeigt sich darin, dass wir auch Gäste reden lassen; ich werde mir das noch einmal in den Statuten genau ansehen..."
"... weil im Bildungsbereich keine Reformen kommen" finde ich lieb. Die Grundsatzdebatte (Gesamtschule) wird zwischen ÖVP und SPÖ seit den 1920-er Jahren (!) diskutiert. Ergebnis nach fast hundert Jahen: Nahezu null.
Zweiter Gesichtspunkt: Wenn eine Ministerin ihre Zeit dafür verwendet, andere Menschen "zurechtzuweisen", dann ergibt sich die Frage, ob Sie ihre Prioritäten richtig setzt. Gerade in ihrem Gebiet.
Dritter Gesichtspunkt: Welche Art von Öffentlichkeitsarbeit wird denn in diesem Ministerium gemacht? Hat da niemand ein Gespür dafür, was so ein Bild (Ministerin mit Zeigefinger auf die rot markierte Textstelle der Hymne) auslösen wird? Ich war entsetzt, als ich das Bild gesehen habe...
"Vielgerühmtes" ist deshalb groß geschrieben, da es sich hier um "Lyrics" bzw. ein Versmaß handelt, denke ich.
Ich denke auch, dass die Großschreibung hier im Zusammenhang damit steht, dass der Text der Hymne in Versform geschrieben ist. Diese Art der Schreibung ist mittlerweile etwas aus der Mode, daher wirkt sie wahrscheinlich auffällig.
Stimmt, gute Erklärung!
ich diskutiere nicht deshalb nicht mit, weil ich angst vor kritik hätte, sondern weil das niveau (oft) deratig tief ist, daß ich keine lust habe darauf zu antworten und es tlw. auch nicht möglich ist. was habe ich David R. mit sei´m “Halt doch s maul he”, schon zu sagen?
Mir wär spontan: "Sei ein Gentleman und geh' mit gutem Beispiel voran!" eingefallen.
Aber ja, wie heißt's so schön: Streite Dich nie mit Idioten. Die ziehen Dich auf ihr Niveau herunter und schlagen Dich dann mit Erfahrung…
Das Problem ist leider, dass genau durch diesen harten Ton oftmals jene Stimmen verstummen, die eben nachdenklicher oder etwas leiser wären. Und das führt mitunter dazu, dass man online meist jene hört, die hauptsächlich schreien. Ein Beispiel: Manche User posten in Zeitungsforen einmal, weil sie nur eine Sache zum Sagen haben, nur einen Gedanken beisteuern wollen. Manche posten hundert Mal, und weil in den meisten Foren der neueste Beitrag immer der oberste ist, sieht man zuerst diese lauten Stimmen - und die weniger lauten findet man mitunter gar nicht, weil sie erst an Stelle 371 im Forum (also total vergraben) sind
Imho wird in die Sache zu viel hineininterpretiert: Wir leben in einer Zeit, in der bestimmte Arbeitsgruppen immer mehr buckeln müssen, damit am Ende trotzdem weniger übrig bleibt. Die Menschen kochen innerlich und der Zorn wird eben abgelassen, wenn "die da oben" solche lächerlichen Aktionen abziehen, anstatt endlich mal richtige Brocken anzupacken. Und ja, sicher ist das ein Problem, allerdings nicht, wie es hier im Fazit erwähnt wird. Meine Sorge ist, dass sich die Shitstorms eines Tages (und ich rechne damit, dass das in sehr naher Zukunft sein wird) auf die Straße verlegen werden und wir Ukraine-ähnliche Zustände haben werden...
Muss gestehen, das glaube ich nicht. Erstens ist die Situation in der Ukraine kaum mit der unseren vergleichbar, auch wenn viele sicher unzufrieden sind. Und zweitens, glaube ich, sieht man da eine Wut, die es womöglich auch schon früher gab - nur wurde sie halt in kleineren Kreisen geäußert, am Stammtisch, beim Abendessen, im Büro. Die große Veränderung ist, dass das Netz all dies sichtbar macht. Und hinzu kommt, dass im Netz viele Schranken wegfallen, die dazu führen, dass sich Menschen eine Spur freundlicher verhalten. Also zum Beispiel der Augenkontakt oder unmittelbares Feedback von Menschen, die einem wichtig sind. Über dieses Thema schreibe ich sehr oft: https://www.brodnig.org/2014/05/14/wo-die-meinungsmutigen-irren/
Wie ich schon bei der Recherche zu meinem profil-Artikel zu Conchita Wurst erfahren habe, kommen (und kamen) auch hier die meisten antifeministschen Hasspostings aus der zweiten und dritten Generation Migranten (also inzwischen auch österr. Staatsbürger). Das stellt die Integration in Frage und derart die Integrationspoltik..
Danke für den Hinweis - war ein spannender Text im Profil, auch weil man sah, dass eben viele das tatsächlich unter ihrem Klarnamen posten. Bzgl. den Migranten: Bin mir nicht sicher, ob das auf die Antifeministen tatsächlich zutrifft, vielen haben typisch österreichisch klingende Namen. Dieser Streit um die Hymne ist zu einem gewissen Grad auch eine Debatte rund um den Heimatsbegriff, siehe auch: http://bernhardschindler.net/hymnen-debatte/
Aber zur Profil-Geschichte zurück: Das war sehr interessant, das ziemlich viele Österreicher zweiter Generation anscheinend Probleme mit Conchita Wurst hatten. Die Frage, inwiefern Homophobie tatsächlich in manchen Migrantengruppen stark verbreitet ist, ist also wohl berechtigt. Gerade bei solchen (schwierigen) Integrationsthemen findet die österreichische Politik leider keinen passenden Umgang. Dazu ein super Text aus der Wiener Zeitung: http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/oesterreich/politik/556468_Augen-zu-und-durch.html