A long way to go
Wie schwierig es derzeit für Frauen ist, ihr Recht auf Respekt einzufordern, zeigt der Fall Sigrid Maurer. Das ließe sich aber ändern – hier drei Erkenntnisse
Heute wurde Sigrid Maurer in erster Instanz schuldig der üblen Nachrede gesprochen – das Urteil ist nicht rechtskräftig und schockiert einige. Maurer hatte obszöne Nachrichten auf Facebook erhalten und dies online kommuniziert. Der Mann, der diesen Facebook-Account betreibt, klagte sie darauf auf üble Nachrede und erhielt (zumindest in erster Instanz) recht. In diesem Kommentar fasst auch Michael Völker das Ganze gut zusammen. Doch was zeigt das heutige Urteil? Hier drei Erkenntnisse, die der aktuelle Fall bringt:
1.) Die Rechtslage bietet vor sexistischen Postings wenig Schutz (und das könnte man ändern)
Maurer legte die obszönen Nachrichten an sie offen, weil sie wenig juristische Verteidigungsmöglichkeiten hatte: Aus juristischer Sicht sind derbe und herabwürdigende Meldungen an Frauen am ehesten eine Beleidigung. Nur in Österreich muss eine solche Beleidigung vor einem Publikum passieren – es muss also mehrere Anwesende neben der Betroffenen und dem Täter geben. Konsequenz: Eine private Nachricht auf Facebook oder auch ein E-Mail an eine einzelne Person kann nicht den Tatbestand der Beleidigung erfüllen. Das ließe sich aber ändern – ein Vergleich dazu: In Deutschland kann eine Beleidigung auch per Email oder als private Nachricht erfolgen. Hier könnte der Gesetzgeber also durchaus Lehren aus dem Fall Maurer ziehen – und es belästigten Frauen leichter machen, wenn diese den schriftlichen Nachweis einer solchen Herabwürdigung haben.
2.) Es fehlt eine Möglichkeit, für Frauen über sexuelle Erniedrigung zu sprechen – ohne angefeindet zu werden
Das Ganze ist eine Lose-Lose-Situation: Wenn Frauen anonym Beispiele schildern, wo sie obszön angemacht oder sogar bedrängt wurden, kommen häufig Zweifel auf. Stimmt das wirklich? Warum wird der Täter nicht namentlich genannt? Oder warum hat man keine juristischen Schritte ergriffen? (Zu letzterer Frage: siehe voriger Punkt) Gleichzeitig ist es für Frauen aber auch eine Gefahr, wenn sie einen konkreten Namen nennen: Christine Blasey Ford kann bis heute nicht in ihr zuhause zurückkehren, weil sie dermaßen viele Morddrohungen erhält. In Österreich wiederum zeigt der Fall Maurer, dass der namentlich genannte Mann eine Klage wegen übler Nachrede einbringen kann – und obwohl selbst der Richter Zweifel an der Aussage des Mannes hat, wird Sigrid Maurer eine deftige Strafe aufgebrummt (4000 Euro an den Mann, 3000 Euro an den Staat, hinzu kommen noch Prozesskosten). Wie gesagt, das Ganze ist nicht rechtskräftig, Sigrid Maurer beruft dagegen: Ich bin gespannt, wie dies in der nächsten Instanz bewertet wird. Im schlimmsten Fall haben wir eine Situation, wo Frauen oftmals ziemlich wehrlos gegen verbale Entgleisungen und Herabwürdigung sind – und das Sichtbarmachen dieser Wortmeldung für sie riskant ist.
Diese Situation ist im Jahr 2018 nicht hinnehmbar: Wenn wir Gleichstellung wollen, bedeutet dass, dass für Frauen eine Möglichkeit existieren müssen, obszöne Botschaften zu thematisieren. Zum Beispiel heißt das für viele Online-Debatten: Wir brauchen Verständnis, wenn Frauen auch anonym etwas posten – weil sie womöglich gute Gründe für die Anonymität haben. Und außerdem: In Härtefällen kann es auch ein angemessener Selbstschutz sein, wenn Frauen sichtbar machen, wer sie belästigt. Meines Erachtens sollte das auch bei der juristischen (oder zumindest gesellschaftlichen) Beurteilung eine große Rolle spielen.
3.) Es braucht auch finanzielle Solidarität – weil zunehmend private Userinnen und User auf sozialen Medien geklagt werden
Ich glaube zunehmend, wir brauchen Solidaritätsfonds für Betroffene von manch einer Klage: Früher wurden viele juristischen Gefechte zwischen großen Medienhäusern oder Parteien ausgefochten. Zum Beispiel haben dann Rechtspopulisten Journalisten wegen unliebsamer Berichte geklagt – das gehört zum Job dazu und große Unternehmen haben für so etwas auch eine Kasse (und einen guten Anwalt). Im Netz haben wir zunehmend das Problem, dass es Einzelpersonen trifft – die wahrscheinlich keine Rücklagen für etwaige Klagen, geschweige denn einen direkten Draht zum Medienanwalt haben. Der Fall Maurer ist eines der prominentesten Beispiele, wo eine Person ohne großer Institution im Hintergrund geklagt wurde, aber es gibt noch viele andere Fälle: Zum Beispiel sind Vertreter aus der FPÖ oder rechte Medien auch bekannt dafür, sehr viele Kritiker zu klagen. Ich fände mittlerweile einen Solidaritätsfond für solche Fälle gut – wo Bürgerinnen und Bürger auch einzahlen können, wenn sie einzelnen den Rücken stärken wollen und zum Beispiel Medienanwälte dann basierend auf vordefinierte Kriterien einzelne Fälle ausfechten können. Wichtig: Im Fall Sigrid Maurer wollen derzeit viele spenden – Sigrid Maurer bittet derzeit dezidiert darum, dass einzelne bitte nicht so etwas schon starten sollen. Das Gute am Fall Maurer ist: Hier wird auch sehr viel Soldarität und Unterstützung sichtbar. Nur ist nicht jeder Fall so sichtbar. Sinnvoll wäre, auch einen Modus zu finden, wo weniger bekannte Personen oder weniger bekannte Fälle eine finanzielle Unterstützung bekommen. Das Problem ist nämlich, vieles wird nicht ausgefochten, weil Einzelpersonen ein zu hohes finanzielles Risiko befürchten müssen, wenn das Gericht doch anders entscheidet.
Dazu noch eine Ergänzung: Laut der Berichterstattung war eine der Argumentationen des Richters, Sigrid Maurer hätte juristisch bessere Karten gehabt, hätte sie vor Veröffentlichung ihres Tweets die journalistische Sorgfaltspflicht eingehalten – hier erklärt dies auch der Jurist Hans Peter Lehofer etwas genauer. Das Problem ist jedoch, eine solche Forderung erscheint mir unrealistisch: In diesem Fall ist Sigrid Maurer eine betroffene Frau, die derb belästigt wurde. Um journalistische Sorgfalt zu wahren, hätte sie bei dem Account, der sie belästigt hat, auch noch nachfragen soll – bitte mit Namensnennung – wer genau zu dem besagten Zeitpunkt am Computer saß. Eine solche „Recherche“ erscheint mir unzumutbar gegenüber der Betroffen und außerdem unrealistisch, dass eine Antwort auf die Frage geliefert wird.
Update: Dazu passend hat Sigrid Maurer heute folgenden Tweet veröffentlicht
Ergo: 1.) Wir brauchen mehr juristischen Schutz – weil derbe Nachrichten Alltag für Frauen geworden sind und das aber nicht sein sollten. 2.) Wir brauchen eine Debatte, bei der Frauen, die sexuelle Herabwürdigung thematisieren, nicht in einer Lose-Lose-Falle stecken. Und drittens – wenn alle Stricke reißen – benötigen wir zivilgesellschaftliche Solidarität: Derzeit posten auch viele, dass sie bereit sind, für Maurer zu spenden. Und diese finanzielle Solidarität ist zumindest eine Notlösung, bis die anderen notwendigen Schritte getätigt sind.
Foto: Pixabay
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das ist ja wieder einmal tatsachenverdrehung in reinkultur ... das topic wurde von 0utput, deinem co-landesmediensprecher, nach interne diskussionen verschoben und auf u.a. meine initiative wieder öffentlich gestellt.
es wäre vielleicht sinnvoll vorher intern einmal miteinander zu reden bevor eine anschuldigung an den BV ausgestossen wird ...
nebenbei ist die schaffung eines landesmediensprechers ohnehin so unnötig wie ein kropf, insbesonders wenn beide personen ohnehin landesvorstand sind ... zumindes noch ...
Ich glaube nicht, das es noch lange einen LV Toni Straka geben wird.
Mein Tipp - es ist Urlaub, nimm den Kindle mit - alles andere verursacht nur Multitasking und das hat nichts im Urlaub verloren ;)
da hat sie ja schon mal so einen halbherzigen versuch gestartet und hat über weihnachten auf ihre Mails verzichtet. das war schon einen artikel wert ;-P
Finde ich auch die beste Variante. zB bei Thermen-Urlauben wird das Handy zwar mitgenommen aber untertags in den Safe gelegt. Am Abend kann man dann immer noch nachsehen.
"Jetzt wird immer so getan, als ginge es bei Musik nur ums Geldmachen. Das ist Bullshit. Mit Musik und Kunst beginnt man doch nicht fürs Geld, sondern weil es einem Freude macht." OGott O Gott ist diese Piratenpartei in ihrer Argumentation sowas von naiv. Natürlich geht es ums Geld. Da muss man gar nicht herumreden. Geld ist doch nicht Scheisse, Scheisse ist gratis Klauen und Scheisse ist, wie hier versucht wird in diesem Artikel mit diesen Kleindieben ein anständiges Gespräch zu führen. "Warum hast Du den Kaugummi gestohlen?" - "Weil er aus Material erstellt wurde, dass 100% synthetisch und weil er in einem Drittweltland von unterbezahlten Kindern zusammengestellt wurde." "Und warum isst Du dann den Kaugummi?" "Weil ich ihn vernichten muss, damit ihn nicht ein anderer isst." Dasselbe mit Kleidern aus Drittweltländern, mit Nahrungsmittel, mit Geld, mit Rassismus. Ich finde die Piratenpartei einfach nur flau, etwas für Egoisten.
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Verständlich, dass du dermaßen deprimiert bist. Was können wir denn auch für diese Abhängigkeit, wenn iPhone und Co mittlerweile so viel können und uns den Alltag erleichtern. Dein Verlustgefühl kann ich sehr gut nachempfinden. Ich hoffe du hast mittlerweile ein Neues!
Wirkliche Musikliebhaber wollen natürlich ein gut produziertes Album. Gerade wer viel Wert auf Sound legt, der wäre sehr enttäuscht, wenn die Platte zuhause aufgenommen werden musste, weil der Künstler sich die Produktion nicht leisten konnte. Musik ist auch Arbeit und der Künstler sollte dafür auch entlohnt werden. Wer aus Freude am Fussball mit dem Sport beginnt, bekommt auch irgendwann Geld dafür, wenn er gut genug ist. Fussball ist doch auch Kultur!
entschleunigung
http://www.youtube.com/watch?v=03wZ8ue12N4
Ich würde das nicht so kritisch sehen. Vielleicht sieht man weniger Frauen im Zusammenhang mit nerdigen Spielen, weil sie nicht so infantil sind wie dies Peterpansyndromisierten Spielkinder.
Wenn der ORF keine Fan-Seiten machen darf, dürfen doch sicher die Fans Fan-Seiten machen. Wäre nur schön, wenn der ORF dann Logos etc. kostenfrei zur Verfügung stellen würde.