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Beratung ist geil, Mann!

Die Geschichte von DiTech, oder wie ein polnisches Ehepaar in Wien das Computergeschäft neu erfand



Wo sind hier die Geräte? Von außen sieht alles aus wie ein normales Computergeschäft: glänzende Glasfassade, überdimensioniertes Firmenlogo, Bilder von moderner Technik. Doch wer DiTech betritt, sieht ein leeres Geschäft, es gibt keine Regale voll mit Druckern, PCs oder anderem technischem Zubehör. Nur ein paar PC-Gehäuse stehen herum. In der Mitte des Raums befindet sich eine große Theke, dahinter sitzen Mitarbeiter. Sie betreuen jeden Kunden einzeln, nehmen sich Zeit. Das ist die Zukunft des Computerhandels, wenn es nach Firmengründer Damian Izdebski geht: „Der Durchschnittskonsument ist oft nicht in der Lage, PCs oder Notebooks einzuschätzen“, sagt der 34-Jährige. In seinem Laden soll sich der Kunde nicht selbstbedienen, sondern individuell beraten werden.

Beratung – vielleicht lässt sich die Geschäftsidee von DiTech auf dieses eine Wort verknappen. Vielleicht lässt sich damit erklären, wie ein kleines Wiener Unternehmen binnen weniger Jahre so rasant wachsen konnte. Im Krisenjahr 2009 machte die Firma 74 Million Euro Umsatz, ein Plus von 15 Prozent.

Hinter diesen Zahlen steckt eine ungewöhnliche Firmengeschichte zweier Polen. DiTech, das sind Damian Izdebski und seine Frau Aleksandra Izdebska. Als 16-Jährige kamen sie unabhängig voneinander nach Wien. Sie sprach kein Wort Deutsch, er absolvierte vor der Abreise noch schnell einen Sprachkurs, das Wienerische war für ihn anfangs trotzdem unverständlich. Sie gingen hier zur Schule, lernten sich kennen, heirateten jung und eröffneten 1999 ein kleines Geschäft im 20. Bezirk. Heute hat DiTech zwölf Shops in ganz Österreich und 220 Mitarbeiter. Ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig Einwanderer für den Wirtschaftsstandort geworden sind. Laut Wirtschaftskammer werden rund 25.000 Arbeitsplätze in Wien durch Unternehmer mit Migrationshintergrund gesichert.

Dabei ist der Computermarkt eine schwierige Branche. Die Preise für Hardware sinken. Cosmos ging im Februar pleite. Heute wird der Markt von einem Konzern dominiert, den viele Konsumenten irrtümlich für zwei konkurrierende Unternehmen halten. Die deutsche Media-Saturn-Holding, zu der sowohl MediaMarkt als auch Saturn gehören, erwirtschaftet hierzulande ein Drittel des Umsatzes im Elektrogeschäft. Immerhin ist der Markt vier Milliarden Euro schwer.

Da ist DiTech mit 74 Millionen Euro Umsatz nur ein Zwerg – aber einer, der kontinuierlich wächst. „Computer. Und nicht irgendwas“ lautet der Firmenslogan, da das Unternehmen ausschließlich Rechner, Laptops und deren Zubehör verkauft. Damian Izdebski macht sich gerne lustig über Mitarbeiter anderer Elektroketten, die selbst auf einfachste Kundenanfragen antworten: „Das weiß ich nicht, ich gehöre zur Waschmaschinenabteilung.“ Seine Mitarbeiter seien besser geschult. „Wer bei uns in der Beratung steht, hat zuvor mindestens drei Monate lang Computer in der Technik zusammengeschraubt“, sagt Izdebska, die fürs Personal zuständig ist.

Geiz mag vielleicht geil sein, ist aber nicht das einzige Anliegen der Kunden. 2009 wurde DiTech zum besten Computergeschäft Österreichs gewählt. Unter 3000 befragten Konsumenten lobten viele die Kompetenz und Beratungsqualität. Der Erfolg eines Unternehmens braucht aber mehr als nur eine gute Idee – er braucht auch Wagemut. So schnell zu wachsen, eine Filiale nach der anderen zu eröffnen, birgt ein Risiko. „Es gehört ein gewisser Unternehmergeist dazu, Kredite aufzunehmen, Mitarbeiter anzustellen“, sagt Izdebski.

Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet zwei Polen den heimischen Computermarkt aufmischen:
Migranten schrecken seltener vor Selbstständigkeit zurück. Izdebski und Izdebska sind eifrige Einwandererkinder, die von ihren Eltern kein Taschengeld bekamen. Als Damian Izdebski ein neues Fahrrad wollte, musste er im Geschäft seines Vaters dafür arbeiten. Aleksandra Izdebska kann sich noch gut daran erinnern, wie sie sich als Jugendliche stundenlang hinsetzen und Deutsch lernen musste. „Wenn Menschen von Anfang an gewöhnt sind, hart zu arbeiten und hinter ihren Zielen stehen, dann führt kein Weg um den Erfolg herum“, sagt die 34-Jährige, die auch ein Wirtschafts- und Dolmetschstudium abgeschlossen hat.

Diese Arbeitsmoral nimmt man den beiden ab. Sie sind ein Unternehmerehepaar, das keine Grenze zwischen Privat- und Berufsleben zieht. Eine Einwanderererfolgsstory wie diese würde man eher in den USA erwarten als in Wien-Brigittenau. „Jemand hat uns einmal gesagt, wenn man es in Österreich schafft, ein Unternehmen aufzubauen, schafft man es überall“, sagt Izdebska. Auch für heuer haben sie Expansionspläne, neue Shops sollen dazukommen – von Salzburg bis zur Lugner City. „Unser Ziel sind 100 Millionen Euro Umsatz“, sagt Izdebski.

Der großgewachsene Pole holt Marktforschungsdaten hervor. Ein Balken zeigt, dass nur jeder vierte Österreicher und jeder zweite Wiener DiTech kennt. Bei MediaMarkt sind es österreichweit 95 Prozent. Während andere solche Zahlen abschrecken würden, sagt er: „Das zeigt mir, wie groß das Potenzial ist. Drei Viertel des Balkens sind noch zu holen.“



Dieser Bericht ist im Falter 13/10 veröffentlicht. Foto: Heribert Corn

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  • Danke für den tollen Artikel!

    Hab nur eine kleine Anmerkungen zu Punkt 2:
    "Man hätte das laut Fussi eher als Frage einbringen können, zum Beispiel. ob es fair sei, dass nur große Söhne in der Bundeshymne vorkommen. "

    Diese Diskussion hatten wir afaik bereits. Sie mündete in der Änderung des Textes der Hymne, wirksam ab 1.1.2012.

  • Shitstorms werden in logischer Folge befördert wenn nicht ausgelöst dadurch, dass es auf facebook keinen Dislike-Button gibt. Wenn einem etwas nicht passt, muss man was schreiben. Und diese Mühe machen sich eher jene, die extrem dagegen sind - mit entsprechender Wortwahl. Jene, die dafür sind, klicken auf Like, und das war's.

    Andere fühlen sich durch die schiere Sichtbarkeit dieser shitstormesken Kommentare bestärkt und lassen ihren Frust (der gern auch aus der allgemeinen Lebenssituation erwächst) ebenfalls los. Das schaukelt sich dann weiter hoch (bzw. "hinunter"). Der Teufel sch...t halt immer auf den größten Haufen.

    Zudem haben wir im vorliegenden Fall nicht nur das Thema Gleichberechtigung sondern auch das prinzipielle Match Politiker vs. (populärer) Heimatmusiker. Heinisch-Hosek hätte wahrscheinlich irgendwas gegen Gabalier posten können. Hätte sie auch angeeckt und Widerspruch hervorgerufen.

    Wäre auch interessant, wie die Struktur der Negativ-Poster aussieht. Wieviele Männer, Einkommenslevel, Geschiedene, Alter etc. Und ob diese Struktur repräsentativ für Österreich ist (oder auch jenen, die bei einer Volksabstimmung für die alte Hymne stimmen würden). 14.000 oder mittlerweile mehr sind für eine eingehendere statistisch Betrachtung schon nicht wenig.

    Andererseits: 6 Millionen der Internetbevölkerung haben nicht geshitstormt (nur davon gelesen in der großen medialen Berichterstattung).

    • Interessant, dass Sie auf den Dislike-Button zu sprechen kommen. Ich habe ja zum "Gefällt mir nicht"-Knopf, den sich viele wünschen, eine andere Meinung: Facebook lässt den bewusst weg, weil er den Trollen nützen würden, die nur Zwietracht säen wollen. Die würden es dann als Auszeichnung sehen, möglichst viele Dislikes zu ernten und selbst permanent Dislikes zu verteilen. Aber wie Sie richtig sagen, eines vergisst man oft bei solchen Debatten: Die schweigende Mehrheit hat online nicht geschimpft und sich nicht am Shitstorm beteiligt. Nur das ist leider dann oft (auch für die Betroffenen) dann nicht sichtbar.

      • thx, ich freue mich über Ihre Replik. Ja, das kann prinzipiell in beide Richtungen gehen. Auf einer ganz grundsätzlichen Ebene könnte man mit der Frage spielen, ob "der Mensch" (heutzutage, in Social Media) eher tätig wird, wenn - all other things being equal - er zur Startaussage pro eingestellt ist oder contra (pathetischer ausgedrückt sie aufbauen oder zerstören, verteidigen oder angreifen will). Sicher hängt es auch davon ab, wie die Startaussage gepolt ist - um bei dem manichäischen Weltbild zu bleiben ;) ...ich weiß... sehr sehr pauschal und abstrakt... ;)

        Das genaue, konkrete Gegenexperiment und damit den Vergleich, wie es ausgesehen hätte, wenn Gabalier Heinisch-Hosek in derselben Tonart und Stärke und zuerst angegriffen hätte, ist leider nicht möglich. Hätte es dann die bösen Kommentare eher zugunsten der neuen Hymne gegeben bzw. gegen den Aggressor Gabalier?

        Mit einem Dislike-Button gäbe es Waffengleichheit zwischen den beiden Typen. Dann hätten auch die negativ Eingestellten die Convenience-Option des Button Drückens (und manche von ihnen würden sich den bösartigen Kommentar vielleicht sparen).

        Ich meine, man sollte auch noch deutlicher zwischen dem klassischen Troll und Shitstorm-Teilnehmern unterscheiden, wenn man über Manieren im Internet spricht. Klassische Trolle sind lieber unbekannt - in meiner von Freunden und Gutgesinnten bevölkerten Timeline gibt es kein Trollen (bzw. zeigt mir facebook keins). Shitstorm-kompatible Bemerkungen seh' ich von bekannten Personen schon.

  • Danke für diesen Beitrag! Da ich mir vorgenommen habe, eine Recherche zum Thema Sexismus und Internet zu machen, würde mich interessieren, woher die Information kommt, dass es nur eine kleine, aber umso lautere Minderheit ist, die antifeministische Postings schreibt. Wie findet man so etwas überhaupt heraus und wie kann man so etwas quantifizieren? Gibt es dazu Umfragen? Und nebenbei bemerkt denke ich nicht, dass wir ein Problem mit der Wut an sich haben, sondern mit einer ganz bestimmten Wut. Und zwar ein Zorn, der sich als hasserfülltes Ressentiment und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit Luft verschafft. Man kann angesichts der Verhältnisse in unserer gegenwärtigen Gesellschaft schnell einmal wütend werden, aber das heisst nicht zwangsläufig, dass man seine Mitmenschen virtuell anpöbeln und anspucken muss, wie das die Wutbürger mit ihren Shitstorms tun. Ist aber nur ein kleines Detail, ansonsten finde ich den Artikel recht gut.

  • Man ist geneigt zu sagen, das Internet verdirbt den Charakter, Aber das stimmt nicht.
    In den sozialen Medien wird so "geredet, wie man seit jeher im Wirtshaus redet. Das haben aber bestenfalls ein paar Hanseln vernommen und es war wurscht, was einige Deppen von sich gegeben haben.
    Durch die sozialen Medien erfährt man viel über die Seele eines Volkes. Was früher nur vermutet werden konnte, kommt nun tatsächlich zum Vorschein.

    • Ich glaube auch nicht, dass das Internet den Charakter verdirbt - das wäre eine zu einfache Erklärung. Viel mehr würde ich vermuten, dass wir alle schönere und wenigere schöne Seiten haben, jedoch leider im Netz vielfach letztere sichtbar werden. Und umso mehr glaube ich, dass wir online Tools und Umgangsformen finden müssen, damit wir uns als Gesellschaft nicht ständig so anstänkern. Ein öffentliches Forum ist eben kein Wirtshaus und diejenige, über die hergefahren wird, kriegen diese Beleidigungen durchaus mit und nehmen sie (auch wenn das manche nicht zugeben würden) sehr wohl zu Herzen.

  • Ich finde den Artikel sehr interessant und gut, sehe jedoch einige Dinge etwas anders.
    1) Sprache: Der Sprachgebrauch ist heute leider sehr gewalttätig und vulgär. Daher ist es kein Wunder, wenn die Leute auch im Internet entsprechend schlimme Dinge schreiben. Es scheint unter vor allem jüngeren Generation üblich zu sein sich gegenseitig zu beschimpfen obwohl es keiner wirklich ernst meint. Wenn ich in meiner Hauptschulzeit von einem Mitschüler während einem streit gehört hätte: "Ich bring dich um, du miese Sau" hätte ich ernsthaft um mein Leben gefürchtet. Soweit ich es mit bekomme ist dies heute eher eine mächtig Drohgebärde, welche aber aufgrund der Häufigkeit mit der sie eingesetzt wird nicht mehr so ernsthaft wirkt. Dies ist wahrscheinlich ein extremes Beispiel und solche Aussagen sollten niemals auf die leichte Schulter genommen werden, aber ich hoffe dass mein Anliegen damit klar ausgedrückt wurde.
    2) Überkorrektheit: Durch die "Political Correctness" sind viele Leute über sensibilisiert und sehen hinter jeder noch so harmlos gemeinten Aussage gleich das Schlimmste. Bei einem Gespräch von Person zu Person kann man anhand der Tonlage, Gestik und Mimik besser einschätzen wie etwas gemeint ist. Im Internet geht dies nicht und ich denke, dass viele eigentlich harmlosere Aussagen oder Meinungen gern negativer interpretiert werden als sie sind. Wenn man zum Beispiel schreibt, dass die Frau Minister eine eingefleischte Femme ist und sich lieber um wichtigeres Kümmern soll wird man sofort als Frauenfeindlich und "schlecht" angesehen. Es kann aber auch einfach gemeint worden sein dass die Frau Minister stark für Frauenrechte einsteht aber meine persönliche Meinung ist, dass sie sich mehr um die anderen und wichtigeren Dinge in ihrem Aufgabengebiet als Ministerien widmen soll (z.B. Unterrichtsreform und Familienbeihilfe). Der Mensch fühlt sich leicht angegriffen und der, meines Erachtens, "Wahn" der politischen Korrektheit hat dieses Gefühl verstärkt
    3) Shitstorm: Ich habe die Kommentare auf Facebook zu diesem Thema gestern Vormittag gelesen. Ich möchte nicht leugnen, dass leider einige Kommentare nichts als Beschimpfung waren, jedoch konnte ich von einem Shitstorm nichts erkennen. Die meisten Kommentare waren einfach Meinungsäußerungen, dass man die alte Hymne wieder haben will. Man macht es sich leider viel zu einfach. Sobald ein Haufen Leute per Internet mit einer gegenteiligen Meinung reagiert ist es gleich ein Shitstorm. Das äußern einer anderen Meinung als der gewünschten hat nichts mit Shitstorm zu tun.
    4)Toleranz: Solange man sachlich bleibt und den anderen nicht beschimpft muss eine jede, nicht vom Gesetz verbotene, Meinung toleriert werden. Meist sind es jedoch die Leute Zurückhaltung und Toleranz verlangen, welche sich am lautesten aufregen. Auch in diesem Artikel wurde mit wenig Toleranz auf nicht genehme Aussagen reagiert. So sind laut Artikel alle Leute, welch der Meinung sind, dass die Aktionen von Feministinen bereits zu weit gehen Antifemen und Frauenfeinde, die nur lautstark schreien und Unruhe stiften können. (Da sieht man wie leicht das geschriebene Wort negativ interpretiert werden kann) Ich selbst bin jedoch auch der Meinung, dass man teilweise bereits zu Weit gegangen ist. Ich bin deswegen jedoch noch lange kein Frauenfein und bedroht oder beschimpft habe ich wegen diesem Thema auch noch keinen Menschen.

    Abschließend möchte ich einfach sicherheitshalber festhalten, dass ich nicht das Verhalten von den "Schwarzen Schafen", welche Drohen, Schimpfen und Demütigen rechtfertigen will. Mein Ziel ist es auf zu zeigen, dass wenn einmal die Emotionen hoch wogen, sehr vieles nur negativ gesehen wird und vieles schlimmer erscheint und dargestellt wird als es in Wahrheit ist.

    Das Problem liegt nicht an der Anonymität. Das Problem liegt auch nicht an der Wut. Menschen dürfen wütend sein und sollen dies auch, auf gesittete Weise, zum Ausdruck bringen dürfen. Das Problem ist, dass wir den Leuten nicht mehr bei bringen, dass man nicht immer recht haben muss und dass es nicht immer nur richtig oder falsch gibt. Solange die Gesellschaft nur die Extreme Richtig und Falsch kennt und alles was nicht "Richtig" ist automatisch als falsch ansieht, solange werden wir nicht sinnhaft diskutieren und reden können. Solange wird am Ende jeder zu Schreien und schimpfen zurück greifen weil keiner nachgeben kann. Denn wer nachgibt ist aus der heutigen Sicht der Gesellschaft, so habe ich dien Eindruck, Schwach, Unfähig und Wertlos.

    • Wie Sie richtig sagen, sind wir uns vielleicht in einigen Details nicht ganz einig, ich glaube aber auch, dass wir online eine Kultur des "Let's agree to disagree" lernen müssen, bei der man anderer Meinung ist, diese Meinung aber so ausdrückt, dass sie den anderen nicht verletzt oder einschüchtert. Was den Hinweis auf Mimik und Gestik betrifft, haben Sie absolut Recht. Über die Bedeutung der nonverbalen Signale - und wie schwierig es ist, wenn diese nicht sichtbar sind - habe ich ausführlich in meinem Buch geschrieben: https://www.brodnig.org/buch-der-unsichtbare-mensch/ Danke für Ihren Beitrag!

  • Heinisch-Hosek macht zwar viel falsch, aber das hat sie goldrichtig gemacht. Und nein, sie braucht keine besseren Social Media Berater, die ihr in Weicheier-Manier politisch verträgliche, empathische Meinungslosigkeit verordnen. Es passt schon, dass eine Ministerin auch mal jenseits aller Wahlspekulationen eine echte Meinung vertritt und keine zusammengestoppelten, konturlosen Wischiwaschi-Plattitüden liefert (dann sagt sie besser gar nichts).
    Und wie der Shitstorm zeigt, ist Schulmeisterlichkeit bei diesem Thema beinahe unvermeidbar (nicht nur gegenüber Herrn Gabalier) wenn man sich im Lager der völlig entarteten, geschmacklosen Gleichbehandlungsgegner nicht wohl fühlt.
    Was hier zu Tage tritt, ist der wahre kulturelle Boden Österreichs, eine seit Jahrhunderten gepflegte Kultur des Neides, der gegenseitigen Verachtung und des Mießmachens - der Charakter der österreichischen Volksseele. Auf diesem Boden gedeihten von Metternich über Hitler bis hin zur heutigen FPÖ diverse Ideologien der Menschenverachtung und es ist kein Zufall, dass gerade in Österreich mit Life-Ball, Frau Wurst u.a. eine vor allem international einzigartige Gegenbewegung entstanden ist - provoziert durch massive Unterdrückung eines allgemeinen Gleichbehandlungsprinzips.
    Ich bin der Frau Ministerin dankbar, denn es hat zu Tage gefördert, wie dieses Volk wirklich tickt. Es kommt zwar nicht überraschend, denn wer die Online-Leserkommentare in diversen Zeitungen hin und wieder überfliegt, findet in diesem Shitstorm leider nichts Außergewöhnliches.
    Ich behaupte nicht, wir wären alle (latent) so. Vielmehr müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass Österreich keine Kulturnation ist - es sind 2 Kulturnationen, von denen die eine ideologisch in der Vergangenheit lebt und die andere feiert sich als liberal, hat aber nicht den politischen Willen diese Gesinnung mehrheitsfähig zu machen, sondern schielt auf Wählerstimmen und versucht nicht anzuecken.

    • Es gibt hier sogar noch mindestens eine dritte Kulturnation: zu ihr gehören jene, die mehr im im bescheidenen Alltag und im Untergrund und jenseits der medialen Aufmerksamkeit an einer besseren Welt und für eine bessere Welt arbeiten. Das sind aber gleichzeitig auch jene, die dann von den anderen beiden Kulturnationen als "Gutmenschen", "linkslinke Chaoten" oder "Ökoemanzen" angegriffen werden.

      • Danke, kannte ich schon.
        Ich halte den "Heimat-Aspekt" aber für unbedeutend. Ob da Töchter stehen, kratzt aus Sicht des Heimat-Empfindens vermutlich niemanden.
        Es ist auch lustig, wie sehr man hier augenscheinlich fassungslos nach Erklärungen und Motive sucht, wo es im Grunde doch sehr banal ist (was viele Journalisten berufsbedingt wohl nicht so auf sich beruhen lassen wollen).
        MMn. kommt an erster Stelle, dass HH vor allem in der Vergangenheit keine wirklich elegante Performance hingelegt hat und bei vielen mit ihrer Art (die überhaupt nicht professionell wirkt) sauer aufgestoßen ist - ganz besonders bei jenen, die generell politische Aggression gegen vermeintlich linke PolitikerInnen entwickelt haben.
        Bildungspolitik und Frauenpolitik sind allerdings keine Themen, an denen sich die dumpfe Wut entladen könnte, weil man dazu ja auch ein wenig Fachwissen bräuchte, aber bei der Hymne fühlt sich auch der Dümmste kompetent genug, seinen Schleim los zu werden.

  • Liebe Frau Brodnig,

    ich würde mich über ein Gespräch freuen, inhaltlich ob und inwieweit Sie sich eine Teilnahme (Kurzreferat) an einem Workshop des 16. Österreichischen Journalistinnenkongresses vorstellen könnten!
    Oder auch Ihr Buch präsentieren!
    Wir arbeiten hier thematisch mit Daniela Kraus und Meral Akin-Hecke zusammen!

    Ich freue mich auf Ihre Antwort,
    herzlichst
    Monika Posch

    • Liebe Frau Posch,

      habe Ihnen gerade ein E-Mail geschrieben. Freue mich über die Anfrage und bin gerne für ein Gespräch erreichbar!

      Besten Gruß,
      Ingrid Brodnig

  • Michel Reimon hat sich einmal in einem Blogpost in die Richtung geäußert, daß alle Menschen, die in Politik gehen, sich der ungenierten Öffentlichkeit und ungefilterten Meinungsäußerung bewußt sein müssen und es in der Regel auch sind. Wenn wir zudem berücksichtigen, wie die Parlamentarier und Politiker untereinander Umgehen (der Deutsche Roger WIllemsen hat ein analytisches Protokoll des Berliner Bundestags kürzlich vorgelegt), dann sehe ich die Gefahr, daß Frau Heinisch-Hosek künftig schweigsamer ist, eher nicht gegeben.

    Ich könnte jetzt zynisch sagen, daß in Europa es schon zu lange keinen ordentlichen Schießkrieg mehr gegeben hat, in dem die Menschen ihr Mütchen hätten kühlen und ihre überschüssige negative Energie hätten ableiten können, Leider zeigt die Erfahrung, daß Aggression ein nichtversiegender Quell menschlichen Handelns ist.

    Bedenklich finde ich vor allem aber, daß diese Unverhältnismäßigkeit der Reaktionen im digitalen Raum dazu führt, daß mehr über die Unverhältnismäßigkeit der Reaktionen im digitalen Raum debattiert wird, als über die Sache selbst oder wenigstens die Ursache dieser regelmäßig wiederkehrenden Ausbrüche.

    Umberto Eco hat einmal, ich glaube: im "Foucault'schen Pendel", dazu geraten, nie mit Idioten zu diskutierten, denn es bestehe die Gefahr, "die Leute könnten den Unterschied nicht feststellen". Und ich halte weder die Haltung des Barden gegenüber der neuen Bundeshyme für sonderlich professionell, noch die Reaktion der Grünen Frauen oder eben der Bildungsministerin. Da treffen lauter Trotzköpfchen aufeinander.

    Das Problem jeder österreichischen Bundesregierung war und ist, daß sie abgesehen vom vier- und fünmfjährigen Urnengang sich eher wenig für die Meinungen und Haltungen derer interessieren, die sie eigentlich repräsentieren. Die Gleichstellungspolitik in ihrer Gesamtheit empfinden - zu Recht oder Unrecht - viele Menschen als "von oben nach unten" diktiert. Es fehlt an Rückversicherung und Einbindung der Bevölkerung, was es dann schreienden Postern und schreienden Popoulisten leicht macht, sich als "Volkes Stimme" zu geben.

    • Ich vermute, gemeint ist dieser Beitrag von Michel Reimon: http://www.reimon.net/2014/01/25/die-krankung/ Den fand ich auch sehr spannend, wobei ich ihn etwas anders interpretierte: Nämlich dass man als Politiker natürlich eine dicke Haut braucht, aber dass es einen schon nachdenklich stimmen kann, wie dick diese Haut mitunter sein muss.

      • Ja, stimmt, auch die - doppelte - Interpretation. Reimons Beitrag verstehe ich auch als Warnung und damit auch als Diskurskritik.

        Wir brauchen natürlich auch eine Debatte über die Debattenunkultur, wie Roger Willemsen in seinem Buch aber zeigt (oder zu zeigen sich anschickt), ist diese auch Produkt fehlender demokratischer und partizipativer Diskurse, die tatsächlich etwas bewirken; Wenn eine Gesetzesvorlage ins Parlament kommt, ist schon so gut wie alles ausgehandelt und entschieden, eine echte Aussprache, die etwas verändern könnte, findet nicht statt.

        Ohne jetzt die "Strukturkarte" ziehen zu wollen, sind diese Angriffe ad personam und Schreiattacken in Großbuchstaben auch von der erstarrten repräsentativen Demokratie mitverurdacht.

  • Ich finde den Artikel sehr gut.
    Ein eventueller Antifeminismus wurde aber provoziert.
    Auch ich hoffe, dass BM Heinisch-Hosek weiterhin die ihr wichtigen Themen vermittelt.
    (Frei nach dem Motto: "Wenn ich sonst keine Sorgen habe ...)

    Entlarvung ist manchmal wichtig.

    • Vielen Dank! Zur Entlarvung fällt mir jedoch ein - ganz anderes - englisches Sprichwort ein: Ignorance is bliss. Manchmal geht's einem vielleicht sogar besser, wenn manche Dinge ohne Kenntnisnahme an einem vorüberziehen.

  • Yep, auch hier ist ein Beitrag zu finden.Ein kleiner privater neuer Blog
    pipabloggt.wordpress.com

    Im Übrigen: Grenzgenial, Dein Beitrag !

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