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Beratung ist geil, Mann!

Die Geschichte von DiTech, oder wie ein polnisches Ehepaar in Wien das Computergeschäft neu erfand



Wo sind hier die Geräte? Von außen sieht alles aus wie ein normales Computergeschäft: glänzende Glasfassade, überdimensioniertes Firmenlogo, Bilder von moderner Technik. Doch wer DiTech betritt, sieht ein leeres Geschäft, es gibt keine Regale voll mit Druckern, PCs oder anderem technischem Zubehör. Nur ein paar PC-Gehäuse stehen herum. In der Mitte des Raums befindet sich eine große Theke, dahinter sitzen Mitarbeiter. Sie betreuen jeden Kunden einzeln, nehmen sich Zeit. Das ist die Zukunft des Computerhandels, wenn es nach Firmengründer Damian Izdebski geht: „Der Durchschnittskonsument ist oft nicht in der Lage, PCs oder Notebooks einzuschätzen“, sagt der 34-Jährige. In seinem Laden soll sich der Kunde nicht selbstbedienen, sondern individuell beraten werden.

Beratung – vielleicht lässt sich die Geschäftsidee von DiTech auf dieses eine Wort verknappen. Vielleicht lässt sich damit erklären, wie ein kleines Wiener Unternehmen binnen weniger Jahre so rasant wachsen konnte. Im Krisenjahr 2009 machte die Firma 74 Million Euro Umsatz, ein Plus von 15 Prozent.

Hinter diesen Zahlen steckt eine ungewöhnliche Firmengeschichte zweier Polen. DiTech, das sind Damian Izdebski und seine Frau Aleksandra Izdebska. Als 16-Jährige kamen sie unabhängig voneinander nach Wien. Sie sprach kein Wort Deutsch, er absolvierte vor der Abreise noch schnell einen Sprachkurs, das Wienerische war für ihn anfangs trotzdem unverständlich. Sie gingen hier zur Schule, lernten sich kennen, heirateten jung und eröffneten 1999 ein kleines Geschäft im 20. Bezirk. Heute hat DiTech zwölf Shops in ganz Österreich und 220 Mitarbeiter. Ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig Einwanderer für den Wirtschaftsstandort geworden sind. Laut Wirtschaftskammer werden rund 25.000 Arbeitsplätze in Wien durch Unternehmer mit Migrationshintergrund gesichert.

Dabei ist der Computermarkt eine schwierige Branche. Die Preise für Hardware sinken. Cosmos ging im Februar pleite. Heute wird der Markt von einem Konzern dominiert, den viele Konsumenten irrtümlich für zwei konkurrierende Unternehmen halten. Die deutsche Media-Saturn-Holding, zu der sowohl MediaMarkt als auch Saturn gehören, erwirtschaftet hierzulande ein Drittel des Umsatzes im Elektrogeschäft. Immerhin ist der Markt vier Milliarden Euro schwer.

Da ist DiTech mit 74 Millionen Euro Umsatz nur ein Zwerg – aber einer, der kontinuierlich wächst. „Computer. Und nicht irgendwas“ lautet der Firmenslogan, da das Unternehmen ausschließlich Rechner, Laptops und deren Zubehör verkauft. Damian Izdebski macht sich gerne lustig über Mitarbeiter anderer Elektroketten, die selbst auf einfachste Kundenanfragen antworten: „Das weiß ich nicht, ich gehöre zur Waschmaschinenabteilung.“ Seine Mitarbeiter seien besser geschult. „Wer bei uns in der Beratung steht, hat zuvor mindestens drei Monate lang Computer in der Technik zusammengeschraubt“, sagt Izdebska, die fürs Personal zuständig ist.

Geiz mag vielleicht geil sein, ist aber nicht das einzige Anliegen der Kunden. 2009 wurde DiTech zum besten Computergeschäft Österreichs gewählt. Unter 3000 befragten Konsumenten lobten viele die Kompetenz und Beratungsqualität. Der Erfolg eines Unternehmens braucht aber mehr als nur eine gute Idee – er braucht auch Wagemut. So schnell zu wachsen, eine Filiale nach der anderen zu eröffnen, birgt ein Risiko. „Es gehört ein gewisser Unternehmergeist dazu, Kredite aufzunehmen, Mitarbeiter anzustellen“, sagt Izdebski.

Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet zwei Polen den heimischen Computermarkt aufmischen:
Migranten schrecken seltener vor Selbstständigkeit zurück. Izdebski und Izdebska sind eifrige Einwandererkinder, die von ihren Eltern kein Taschengeld bekamen. Als Damian Izdebski ein neues Fahrrad wollte, musste er im Geschäft seines Vaters dafür arbeiten. Aleksandra Izdebska kann sich noch gut daran erinnern, wie sie sich als Jugendliche stundenlang hinsetzen und Deutsch lernen musste. „Wenn Menschen von Anfang an gewöhnt sind, hart zu arbeiten und hinter ihren Zielen stehen, dann führt kein Weg um den Erfolg herum“, sagt die 34-Jährige, die auch ein Wirtschafts- und Dolmetschstudium abgeschlossen hat.

Diese Arbeitsmoral nimmt man den beiden ab. Sie sind ein Unternehmerehepaar, das keine Grenze zwischen Privat- und Berufsleben zieht. Eine Einwanderererfolgsstory wie diese würde man eher in den USA erwarten als in Wien-Brigittenau. „Jemand hat uns einmal gesagt, wenn man es in Österreich schafft, ein Unternehmen aufzubauen, schafft man es überall“, sagt Izdebska. Auch für heuer haben sie Expansionspläne, neue Shops sollen dazukommen – von Salzburg bis zur Lugner City. „Unser Ziel sind 100 Millionen Euro Umsatz“, sagt Izdebski.

Der großgewachsene Pole holt Marktforschungsdaten hervor. Ein Balken zeigt, dass nur jeder vierte Österreicher und jeder zweite Wiener DiTech kennt. Bei MediaMarkt sind es österreichweit 95 Prozent. Während andere solche Zahlen abschrecken würden, sagt er: „Das zeigt mir, wie groß das Potenzial ist. Drei Viertel des Balkens sind noch zu holen.“



Dieser Bericht ist im Falter 13/10 veröffentlicht. Foto: Heribert Corn

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  • Wer keine Sorgen hat, der macht sich welche und untermauert sie auch noch wissenschaftlich... 🤣

  • Eine weitere Ursache könnte sein, dass solche Falschmeldungen aus journalistischer Sicht einfach "origineller" und damit auffälliger sind als die "alltägliche Wahrheit". Journalist/innen wollen, dass ihre Meldungen möglichst gut ankommen. Dafür haben sie vor allem zwei Möglichkeiten:
    1.) Sie finden ein Sensation und berichten darüber.
    2.) Sie erfinden eine Sensation und berichten darüber.
    Nur Qualitätsjournalist/innen haben eine dritte Option:
    Sie gehen in die Tiefe und decken Hintergründe sowie Beweggründe von Geschehnissen auf. Damit erreichen sie aber leider meist nicht die Massen.

  • zu 9: correctiv meldet am Schluss, dass nicht 2,6 sondern 5,3% aller Immigranten als Flüchtlinge anerkannt wurden. Wow, das ändert die Lage ja völlig, Hahaha!! Heißt jetzt, mit "5 von Hundert" wäre die Schlagzeile korrekt, die Aussage der Schlagzeile, dass nur ein verschwindend geringer Anteil der uns immer als "Flüchtlinge" verkauften Menschen tatsächlich Flüchtlingsstatus haben, bleibt also völlig intakt!

  • Zu dieser Thematik fallen mir gleich eine ganze Reihe von Zitaten ein, die belegen, dass die hier behandelten sozialen Wirkungen schon längst bekannt sind und kein wirklich neues Phänomen darstellen.
    „Aus Lügen, die wir ständig wiederholen, werden Wahrheiten, die unser tägliches Leben bestimmen.“ Hegel (1770-1831)
    „Nicht Tatsachen, sondern Meinungen über Tatsachen, bestimmen das Zusammenleben“ Epiktet (um 50 bis 138 n.Chr.)
    Und der größte Unsinn ist der Spruch im Volksmund:
    „wer einmal lügt, dem glaubt man nicht“
    Richtig ist: „wer ständig lügt, dem glaubt man schließlich“
    oder wenn oft genug Falsches gesagt, gedacht, geschrieben wird, wird es richtig!
    Siehe dazu auch solch banale Dinge, wie die Falschschreibung(sprechung) des Adjektivs extrovertiert.
    Natürlich heißt es extravertiert, aber es wurde die letzten 50 Jahre so oft falsch geschrieben und gesprochen, dass es schließlich in der falschen Form im Duden gelandet ist....
    keep groovin´& over the tellerrand thinkin´´

  • Tja, wenn's nur immer so leicht ginge eine Fake News zu identifizieren. Genau Schritt 3 ist nämlich das Problem - in vielen Fällen lässt sich eben nicht oder erst viel zu spät nachweisen, dass gezielte Irreführung betrieben wird. Und dann ist eine Fake News schon eine gewisse Zeit Fakt News geworden...

  • Ungefähr jedes Merkmal oder jede Manipulationstechnik, die hier exklusiv "rechts" zugeschrieben wird, ist von allen Akteuren im politischen Spektrum in exakt der angeprangerten Form genutzt worden und wird es weiterhin. Die "AfD-Wut" über irgendwas unterscheidet sich beim Facebook-Emoji nicht von der Wut über Lohnungerechtigkeit oder tote Kinder am Strand unter einem taz-Artikel, die patriotische App unterscheidet sich funktional rein gar nicht von gleichartigen Apps, die zur "Vernetzung von Protest" erstellt wurden und nun ja, "Revolutionsversprechen" sind rechts? ... kicher ... schon mal auf 'ner 1.Mai-Demo gewesen?

    • Es gibt signifikant messbare Unterschiede zwischen den Parteien - dass die AfD stärker Wut erntet als andere, ist das Ergebnis dieser Untersuchung von Josef Holnburger: http://holnburger.com/Auf_den_Spuren_des_Wutbuergers.pdf Man kann dort auch alle anderen Parteien ansehen und nachlesen, welche Reaktionen diese ernten. Aber natürlich: Wut ist eine universelle Emotion, gesellschaftlicher Wandel wird oft über Wut erreicht, zB weil Menschen einen unfairen Zustand nicht länger hinnehmen wollen. In meinen Augen macht es einen qualitativen Unterschied, in welche Richtung Parteien Wut einsetzen - problematisch wird Wut meines Erachtens, wenn man sie gegen gesellschaftlich schwächer gestellte Menschengruppen einsetzt

  • Vielleicht nur am Rande (oder auch gar nicht...) interessant, aber hier noch ein kleiner Exkurs zum Thema Technologie und Utopie: Bereits im Zusammenhang mit elektrischer Telegrafie und mit der Verlegung des ersten transatlantischen Unterseekabels in den 1850er/60er Jahren äußerten Zeitgenossen immer wieder die Idee, dass, sobald dieses Kabel verlegt und somit Kommunikation im Minutentakt zwischen Großbritannien und Nordamerika möglich sei, eine Ära immerwährenden Friedens zwischen GB und den USA ihren Anfang nähme. Wer sich minutenschnell austauschen könne, der könne schließlich alle potentiellen Konflikte oder Unstimmigkeiten im Nu aus dem Weg räumen. Bald musste man aber feststellen, dass dem nicht so war, wobei hier unterschiedliche Faktoren ihren Teil dazu beitrugen (hohe Kosten pro Nachricht, weshalb diese stark verkürzt wurden, diplomatisches Prozedere, das mit dieser neuen Form der Kommunikation nur schwer zu vereinbaren war, etc.) - In der britischen Presse der damaligen Zeit wurde diese Entwicklung dann wiederum ausgesprochen reflektiert betrachtet und techniksoziologische Betrachtungen angestellt, die heutigen Ansätzen in nichts nachstehen (ich habe da nur Einblicke in die britische Presse, wie an anderer Stelle darüber geschrieben wurde, weiß ich nicht). Ironischerweise war es dann einige Jahrzehnte später ein Telegramm, mit dem Österreich-Ungarn Serbien den Krieg erklärte...
    Aber wie gesagt... das nur am Rande.
    Ansonsten - schöner Vortrag! Like! Respect! :)

    • Das ist total spannend! Sorry für die späte Antwort, aber hatte den Kommentar noch gar nicht gesehen: Das ist eine extrem interessante Anekdote! Ist das vielleicht irgendwo beschrieben, wo ich mehr dazu lesen kann? Ich sammle solche Beispiele auch gerne, weil man weiß nie, wo man solche Beispiele unterbringen kann... Auf jeden Fall: Danke schön für die interessante Rückmeldung!

  • „Politische Diskussionskultur“ - das ist freilich speziell in Österreich sowieso eine der permanent endangered species.

  • Bald sind wir so durchgeregelt, dass wir gar keinen Spielraum mehr für Meinungsbildung haben und nur noch das politisch Erwünschte denken. Wünsche aber sind keine Rechte. Sie sind höchstens ein Anzeichen verwöhnten Wohlstands, der Befindlichkeiten zum Nachteil aller anderen hochhält, Menschen gegeneinander ausspielt und Beliebigkeit statt Kritik- und Konfliktfähigkeit kultiviert. Haben wir uns zur modernen Wohlstandsgesellschaft entwickelt, um solche Menschen zu werden?

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