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Eine heiße Aktion endet am kalten Morgen

Das Audimax ist geräumt. Anders als in Deutschland wurden die Studierenden verhöhnt. Ein Schaden für alle




Security, Polizei, Ausweiskontrollen: Es war kein Flughafen oder Gefängnis, das vergangenen Montag solcherart gesichert wurde, sondern das Hauptgebäude der Uni Wien. Frühmorgens, um 6.30 Uhr, endete die Audimax-Besetzung. Rektor Georg Winckler hatte die Polizei herbeigerufen, damit das Auditorium Maximum „aus Sicherheitsgründen“ geräumt werde. 80 Obdachlose und 15 Studierende wurden aus dem Saal gewiesen. Eine Sprecherin erklärte, es habe Brandgefahr bestanden.

Die heißeste politische Aktion dieses Jahres endete also an einem eiskalten Dezembermorgen. Ohne Randale, ohne Zugeständnisse der Politik, ohne Weihnachtsfrieden wie vor 25 Jahren in der Hainburger Au – aber auch ohne nennenswerten Widerstand seitens der verbliebenen Studierenden. Sie wirkten müde. In den letzten Tagen hat sich die Bewegung aufgerieben, geschwächt und gespalten.

Was bleibt übrig vom Audimaxismus? Zunächst machte er einer zunehmend interessierten Öffentlichkeit klar, wie die Freiheit an den Hochschulstudien mittlerweile eingeengt wurde, wie viel Geld den Unis fehlte. Rektoren und ÖH kritisieren das schon seit Jahren. Erst der lauten und modern vernetzten Masse der Studierenden war es gelungen, die Aufmerksamkeit einer breiteren Öffentlichkeit darauf zu lenken.

Die Politik aber ignorierte das Problem. Wissenschaftsminister Johannes Hahn (ÖVP) tauchte ab, selbst als tausende junge Menschen für Bildung demonstrierten. Offenen Diskussionen stellte sich der neue EU-Kommissar kaum. „Ich habe hinreichend Maßnahmen eingeleitet“, sagte er dem Standard und verwies auf 34 Millionen Euro, die er aus einem Notbudget lockermachte. Die Rektoren hatten eine Bildungsmilliarde gefordert.

Der Streit ums Geld überlagerte die Debatte: Die Audimaxisten kritisierten dabei auch strukturelle Probleme, die Umsetzung des Bologna-Prozesses etwa. Die europaweite Vereinheitlichung des Hochschulsektors führte ihrer Meinung nach nicht nur zu neuen Bachelor- und Masterstudiengängen, sondern auch zu stromlinienförmiger Ausbildung und weniger Wahlfreiheit im Studium. Die Unis sollen im Eiltempo arbeitsmarkttaugliche Bachelors ausspucken, und das zum Minimaltarif.

Die Studenten trafen mit ihrer Kritik an der europäischen Bildungspolitik (und ihrer nationalen Umsetzung) einen Nerv, nicht nur hierzulande. Der Audimaxismus breitete sich über die Grenzen aus, in Rom, Köln, Kopenhagen wurden Hörsäle besetzt. Gerade der internationale Vergleich ist spannend, weil er den Blick auf die Mechanismen von Politik und Medien freigibt: Während die Demonstranten bei uns schnell als „Randalierer“ und „Basiswappler“ verspottet wurden, nahmen deutsche Politiker die Anliegen ihrer Studenten ernst. Dabei hatte ihr Protest später begonnen und er fiel weniger intensiv aus als hierzulande.

Die deutschen Studenten verbuchten zumindest Teilerfolge: Die Kultusminister der 16 Bundesländer forderten von den Hochschulen eine Reform des umstrittenen Bachelorstudiums. An der deutschen Umsetzung bemängelten die Betroffenen insbesondere, dass die Arbeitsbelastungen und die Zahl der Prüfungen dadurch enorm gestiegen waren. In beiden Punkten springt ihnen nun die Politik zur Seite. Auf Bundesebene gestand Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) eine Unterfinanzierung der Unis und Probleme bei der Einführung des Bachelors ein.

Natürlich sind die deutschen Versprechen mit Vorsicht zu genießen. Ungeklärt ist zum Beispiel die Finanzierungsfrage zwischen Bund und Ländern. Trotzdem haben die deutschen Bildungspolitiker reagiert und Verantwortung übernommen – ganz anders als die abgetauchten österreichischen Kollegen.

Auch die Medien haben sich in Österreich anders Verhalten. Sogar liberal gesinnte Journalisten diffamierten – anders als ihre Kollegen in Deutschland – den Protest von Anfang an. Während Wiener Leitartikler nur eine „Freak-Show“ oder „Tupperware-Partys“ im Audimax erkennen konnten, rief die deutsche Zeit: „Nieder mit Bologna!“ Die konservative FAZ verkündete: „Die Bologna-Blase ist geplatzt.“ Und sogar die Bild forderte Studierende auf, ihren Frust online zu artikulieren.

In Deutschland, so die für Wien so bittere Erkenntnis, gibt es Journalisten, die etwas zu sagen haben, und Politiker, die reagieren. Daran, nicht am fehlenden Geld, scheiterte der Audimaxismus in erster Linie.

Den Schaden tragen nicht nur Bildungspolitik und Gesellschaft, sondern auch die Politik selbst. Kein Koalitionsmitglied darf noch über Politikverdrossenheit oder Jungwählerschwund klagen, wenn so mit berechtigtem Protest junger Menschen umgegangen wird.

Die ausgebliebene Bildungsdebatte ist also eine vergebene Chance, das war bereits in den letzten Wochen absehbar. Die Räumung des Audimax hat somit sogar etwas Positives. Sie ist eine Zäsur, sie fordert die Studierenden auf, über ihre Ziele und ihre praktische Umsetzung nachzudenken. Es fehlte ihnen etwa die Exitstrategie.

Forderungen wie die Abschaffung der Zugangsbeschränkungen oder die Ausfinanzierung jedes Studienplatzes hatten die Audimaxisten bald gefunden. Doch auf ein Ausstiegsszenario, bei dem sie zumindest ein bisschen dazugewinnen konnten, einigten sie sich nicht. Im letzten Plenum konnten sich die Besetzer der Uni Wien nur noch darauf verständigen, dass sie Hilfe für die Obdachlosen wollen.

Das kann nicht das einzige Anliegen einer Unibewegung sein. Rektor Winckler hat mit der Räumung des Hörsaals den Studierenden nun eine Verschnaufpause verschafft. Die Weihnachtsfeiertage werden viele Audimaxisten dafür nützen, den Hörsaal auch gedanklich zu verlassen, um neue und frische Protestformen zu entwickeln.






Dieser Artikel ist im Falter. Dieser Text wurde in Ausgabe 52/09 erschienen. Foto: Peter Fuchs, APEX

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  • ähem - 68.400 schilling sind, inflationsangepasst, eher sowas wie 8.000 euro heute.

  • interessant - kannte den inflationsrechner gar nicht auf. auf jeden fall waren 68.400 schilling kein pappenstiel!

  • Ja, lustig - auf Facebook gibt es eigentlich ja nur Menschen, die Spaß und Erfolg haben und ganz nebenbei von ihrem Jet set-Leben berichten :)

  • Genau! Im Urlaub ist's immer nur schön und regnet nie, die Arbeit ist ein Erfolgserlebnis nach dem anderen und privat ist man jedes Wochenende auf der besten Party des Jahres. Wobei, ich muss sagen, ganz schlimm ist auch, wenn Leute Facebook mit der Psychotherapie verwechseln und dann viel zu persönliche Dinge veröffentlichen. Das ist irgendwie beklemmend...

  • Unglaublich aber wahr, auf dieser Kiste habe ich das Kochen äh den Umgang mit diesem Medium gelernt ;) Er war noch bis vor ca. 15 Jahren oder sogar weniger als Workterminal im Gebrauch bei uns zu Hause. Ist halt so, wenn man privat mit DEC aufgewachsen ist und deren gesamten Werdegang von den 80 bis zur "doppelten" Übernahme miterlebte. Auf einer dieser Kisten habe ich lange bevor es offiziell rauskam das "Original" Centipede gespielt und Pokern gelernt (was die Karten angeht).

    Wenn man die Geschichte betrachtet, war es vom Rainbow 100 und seinen Kollegen zu den heutigen Kisten, mehr als nur ein kleiner Schritt ;).

  • Also gibt es nun schon Gutscheine für Schönheitsoperationen? Wundert mich eigentlich nicht. In Südkorea bekommen Absolventinnen nach der Schule von ihren Eltern oftmals Nasen- oder sogar Brustops geschenkt. Die Werbung und der Trend wird auch in Deutschland immer stärker. In Berlin lassen sich immer mehr junge Leute auf eine operative Verschönerung des eigenen Körpers ein. Ein Beispiel hierfür ist: http://www.drwolter-berlin.de/a-z/brustvergroesserung/brustvergroesserungen.html. Solang das nicht in RAmsch ausartet ist alles okay :)

  • Im Gegensatz zum Beispiel aus Südkorea geht es ja nicht um einen Gutschein zum regulären Preis, sondern um ein extrem verbilligtes Angebot einer Brustvergrößerung.

    Um für die grossen Gutscheinportale als interessanter Anbieter zu gelten muss der angebotene Rabatt ziemlich drastisch sein, am Besten um die 50%. Nun behalten die Betreiber der Portale auch noch häufig knapp 50% des angebotenen Preises ein. Folglich bleibt dem Anbieter meist nur 25% des regulären Preises übrig. Das Geschäft für den Aussteller des Gutscheins liegt somit meistens darin, neue Kunden zu locken, die häufig wiederkehren. Doch genau das ist bei einer Brustvergrößerung nur sehr selten der Fall.

    Wenn das rabattierte Essen nicht schmeckt - so what? Aber was, wenn man mit dem Ergebnis einer Brustvergrößerung zum "Dumpingpreis" nicht zufrieden ist?

    • Die meisten ticken ja auch so , wie du: " Aber was, wenn man mit dem Ergebnis einer Brustvergrößerung zum “Dumpingpreis” nicht zufrieden ist?"

      - Und was machst du denn wenn, du mit dem Ergebnis einer 6000 EURO Brustvergrößerung nicht zufrieden bist ? Das muss ja gut sein, weil du dafür viel bezahlt hast, nicht wahr ?
      Es geht aber weiter: Was redest du dir dann ein, wenn Entzündungen, Blutergüsse oder eben Kapselkontrakturenbei dir nach einer 10.000 EUR teureren Brustvergrößerung entstehen und dein "goldenes Implantat" doch entfernt werden muss und dann nochmal 10,000 EUR für eine Austausch Op gezahlt werden muss ?

      Kann dein Fleisch etwa nicht bluten, gar nicht entzünden und gar keine Reaktion auf ein Fremdkörper zeigen, weil du dafür "viel Geld bezahlt " hattest ?

  • Du hast es gestern ja schon über Twitter diskutiert, die Argumentation des ORF kann ich allerdings nicht nachvollziehen. Klingt so, als wenn man Kindern sagt: "Dass ist nichts für dich, erst wenn du älter bist!" Das man kein Geld für eine HBO Produktion hat, kann ich nachvollziehen, nicht aber eine von oben herab behandlung der Konsumenten.

    Auch die genannten Serien (Grey's, Desperate Housewifes,...) bieten eigentlich keine in der Folge abgeschlossene Handlung, eine gewisse Rahmenhandlung zieht sich durch die ganze Staffel, aber ganz klar nicht in einem Ausmaß wie bei Game of Thrones. Leider finde ich den Standard Beitrag aus dem Etat Ressort nicht mehr in dem nachgewiesen wird, das der ORF einzelne Dr. House Folgen im Gegensatz zum Schweizer Fernsehen, nicht in der richtigen Reihenfolge zeigt. Imho hapert es da schon am generellen Verständnis der Sendungsverantwortlichen.

    Klar kostet es auch Zeit die einzelnen Staffeln ins Deutsche zu synchronisieren, was somit wieder ein Problem darstellt. Bis die dann nämlich endlich ausgestrahlt werden, haben sich die, die solche Serien wirklich interessieren längst das Englische Original besorgt. Warum sollte ich Breaking Bad im ORF schauen, wenn im US TV schon 2 Staffeln gelaufen sind und ich Berichte dazu in den Medien lese mit welchen Preisen die Serie überhäuft wurde. Klar wird man dann neugierig und wartet nicht darauf, gnädigst damit vom ORF um 23:30 oder noch später damit bedient zu werden.

  • Was die amerikanischen Serien angeht hat der ORF allerdings zumindest in den letzten Jahren einige der besten Serien gehabt: Dexter, Sopranos, Six Feet Under, Dr. House, Californication liefen im ORF ebenso wie die besten Sitcoms a la Scrubs, Malcolm Mittendrin, How I Met Your Mother und Everybody Hates Chris - mit den Defenders und Life war der ORF auch recht flott an guten aktuellen Formaten dran, die dann halt leider in den USA floppten.

    Klar würd ich mir noch einige mehr wünschen, aber das Problem ist weniger der Einkauf als die mutlose Verbannung der besten Sachen an unattraktive Sendetermine. Californication, Dexter, Sopranos und Six Feet Under wurden rund um Mitternacht angesetzt. Mir persönlich ist das als Nachtmensch egal, aber ums vielen Menschen zu zeigen ist das Blödsinn. Auch dass Dr. House mitten in der Staffel immer wieder Sommerpause macht, ist ein Irrwitz (allerdings geht der über alle Sender, drum liegt vllt. nicht im ORF-Wirkungsbereich).

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