Der Unsinn rund um Nikolo
Wieso Falschmeldungen so gut funktionieren – erklärt anhand eines irreführenden Berichts der Boulevardzeitung “Österreich”
Und trotzdem ist diese Geschichte klicktechnisch ein irrer Erfolg für “Österreich”. Sie löste bisher 19.500 Likes, Kommentare oder Shares auf Facebook aus. Ein wesentlicher Teil dieser Interaktion wurde von Rechtspopulist Heinz-Christian Strache verursacht: Er teilte die Meldung auf seinem Facebook-Account und erzielte dort 9000 Likes, Kommentare oder Shares. Zumindest rein klicktechnisch ist diese Geschichte auch für die FPÖ ein Erfolg:
Warum funktioniert so ein Unsinn so gut? Es gibt Erklärungen, warum Falschmeldungen oder irreführende Beiträge so gut funktionieren – hier 3 Faktoren, die zum Erfolg solchen Unsinns beitragen:
1.) Wut wirkt
Falschmeldungen verbreiten sich auch deswegen so stark, weil sie immense Emotionalität auslösen: Menschen werden so wütend, dass sie im Affekt solche Geschichten teilen, liken, weitererzählen. Tatsächlich lässt sich in Daten-Auswertungen messen, dass Wut eine extrem erfolgreiche Emotion ist, auch im Internet. Im Englischen gibt es den Satz: “Angry People click more”, wütende Menschen klicken mehr.
Auch Medien profitieren zum Beispiel von höherer Reichweite, wenn ihre Geschichten Wut auslösen. Eine Studie hierzu – die keine Falschmeldungen behandelte, aber sehr wohl die Viralität von Wut aufzeigte: Die Wissenschaftler Jonah Berger und Katherine Milkman analysierten, welche Artikel der “New York Times” eher “viral” werden (also stark von Menschen weitergeleitet werden). Konkret wurde analysiert, welche Texte auf der Webseite Menschen per Email weiterempfahlen. Wütendmachende Artikel hatten eine deutlich höhere Chance, viral zu werden: Ihre Chance, auf die Liste der meistversendeten Artikel zu kommen, lag um ein Drittel höher.
Die Nikolo-Geschichte passt zu solchen wissenschaftlichen Ergebnissen: Sie ist ein Klickerfolg. Sie ist so empörend, dass viele Menschen auf Facebook diese aufgebracht teilen – und eine Frage leider oft nicht gestellt wird: Moment, stimmt diese wütendmachende Geschichte überhaupt?
2.) Wahrheitseffekt
Solche Geschichten sind auch deswegen so wirkmächtig, weil sie Teil eines größeren Narrativs sind: Angeblich wird Weihnachten verboten. Seit Jahren tauchen immer wieder Falschmeldungen auf, wonach christliche Bräuche rund um Weihnachten bedroht seien. Absurde Falschmeldungen verbreiten sich jeden Advent aufs Neue: Dass der Nikolo künftig “Zipfelmann” genannt werden muss (Unsinn) oder dass man jetzt nicht mehr “Weihnachtsmarkt” sondern “Wintermarkt” sagen müsse – doch einem Faktencheck halten viele solche Behauptungen nicht stand.
Das Problem an solch wiederkehrendem Unsinn ist: Die Wiederholung hat einen Effekt. Das haben Wissenschaftler schon im Jahr 1977 beobachtet: Über mehrere Wochen hinweg ließen sie Studienteilnehmer unterschiedliche Behauptungen vorlesen. Es zeigte sich, dass Menschen (selbst falsche) Behauptungen eher glauben, wenn sie wiederholt werden. Im Englischen als “illusory truth effect” bezeichnet, oder etwas simpler auf deutsch: Wahrheitseffekt.
Dieser Wahrheitseffekt ist insofern ein unbehagliches Phänomen, als dass wir beobachten können, wie manche Falschmeldungen immer wieder im Netz kursieren: Die Gefahr ist, dass ein Teil der Bevölkerung sehr häufig mit solchen falschen oder halbwahren Behauptungen in Kontakt kommt – und sie aufgrund der Wiederholung für plausibel hält. Mich persönlich fasziniert das zumindest sehr: Dass die pure Wiederholung einer Behauptung diese wahrer erscheinen lässt – selbst bei Erfundenem.
3.) Echokammern
Hinzu kommt noch die Verbreitung im Internet: Wer zum Beispiel einigen FPÖ-Politikern oder Fan-Accounts auf Facebook folgt, bei dem ist die Chance groß, dass er die irreführende Meldung von “Österreich” eingeblendet bekommen hat. Im Umfeld dieser Partei verbreitet sich diese falsche Geschichte vehement. Und da diese Meldung immens viele Likes, Kommentare und Shares hervorrief, wird sie auch prominent im Feed vieler Fans der FPÖ eingeblendet.
Unter Wissenschaftlern besteht hier die Sorge, dass ein Phänomen namens Echokammer die Verbreitung von Falschmeldungen fördert: Echokammern sind digitale Räume, in denen sich Menschen großteils mit Gleichdenkenden austauschen und eher Information von Seiten beziehen, die ihrem Weltbild entsprechen. Tatsächlich gibt es Studien, die die Existenz solcher Echokammern auf sozialen Medien wie Facebook aufzeigen konnten (siehe zum Beispiel: “The spreading of misinformation online”).
Zur Erklärung: Es war wohl schon immer so, dass wir Menschen unbewusst eher Informationen suchten, die unserem Weltbild entsprechen (in der Psychologie wird dies auch “selektive Zuwendung” genannt). Die Sorge besteht allerdings aktuell, dass uns digitale Tools hierbei noch zusätzlich helfen, uns eher einseitig zu informieren: Und interessanterweise treten solche Echokammern-Effekte in unterschiedlichen Untersuchungen zutage.
Ein Problem hierbei ist auch, dass Echokammern Aufklärung erschweren: Man kann nicht immer davon ausgehen, dass Menschen, die eine Falschmeldung sahen, später auch die Richtigstellung eingeblendet bekommen. Zum Beispiel können wir online oft beobachten, wie in FPÖ-kritischen Kreisen stark die Richtigstellung von falschen Behauptungen zirkuliert, die Parteichef Heinz-Christian Strache online weiterverbreitete. Ob all die Fans des Politikers aber auch die Korrektur mitbekommen, das darf bezweifelt werden – auch deswegen, weil wir eine fehlende Fehlerkultur beobachten können.
Heinz-Christian Strache hat den falschen Bericht aus “Österreich” geteilt – und bis heute nicht richtiggestellt, wie viel Unsinn in dieser Meldung steht. Stattdessen ist online weiterhin bei ihm zu lesen: “Es ist irritierend, was im rot-grünen Wien vor sich geht! Ein Verbot von Nikolo & Christkind, dazu aber ein verpflichtender Türkisch Unterricht für unsere Kleinen.” Hier wird also mit einer falschen Behauptung Stimmung gemacht und dies nicht rechtzeitig richtiggestellt.
Fazit
Wut, Wiederholungseffekte, Echokammern: Es gibt einige Gründe, warum Falschmeldungen so erfolgreich sind. Wobei das Grundproblem hierbei ist, dass das Boulevardblatt “Österreich” offensichtlich journalistische Sorgfaltspflichten stark vernachlässigt hat: Ein anonymer Vater und ein FPÖ-Politiker werden in diesem Beitrag zitiert, die Behauptungen als Fakten übernommen und die Gegenseite wird anscheinend nicht befragt. Erst im Nachhinein adaptiert “Österreich” den Bericht – lässt aber weiterhin die Vorwürfe stehen, inszeniert dies nun als “Streit”. Am Ende profitiert das Boulevardblatt von sehr vielen Klicks – und die öffentliche Debatte leidet unter einer weiteren, zutiefst problematischen und irreführenden Meldung.
Foto: pixabay
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Drinking water throughout your day helps you to prevent disease,
your optimal weight, as it dieting is so hard should.
For the study, Gardner and his colleagues looked at data from 300 overweight
or obese, advise people that cutting calories by a certain amount of fat to be
healthier. That is something to think about all the hoopla over his
weight.
Was ich spannend finden würde:
Wie wird eigentlich in Österreich überwacht?
Was macht die Polizei & der Verfassungsschutz?
Was die beiden militärischen Geheimdienste?
Vor allem: was dürfen die rechtlich - was machen sie faktisch, also wie weit wird die Rechtsstaatlichkeit bewahrt?
Nun, zur rechtlichen Lage hat der Sprecher des Innenministeriums Stellung genommen. Siehe: http://derstandard.at/1369363164908/Bespitzelung-a-la-PRISM-In-Oesterreich-ausgeschlossen
Inwieweit andere Staaten (etwa Österreich) auch geheime Programme haben oder die Ermittler mehr tun, als sie dürfen, kann man natürlich nicht sagen - wobei ich mir bei der Vorstellung schwer tue, dass Österreich ein ähnliches Spitzelprogramm hat. Weder haben wir große IT-Konzerne bei uns sitzen, noch einen Patriot Act, der sehr vieles sehr Problematisches möglich macht.
Und zum Vergleich mit der Vorratsdatenspeicherung:
Von manchen wird PRISM mit der Vorratsdatenspeicherung verglichen, was aber irreführend ist ist. Ich bin wahrhaft keine Freundin der Vorratsdatenspeicherung, aber sie ist mit PRISM nicht vergleichbar. PRISM ist ein geheimes (!) Programm, das Daten abzapft. Laut den internen Dokumenten kann die NSA auf E-Mails, Fotos, Videos, Chatprotokolle zugreifen. Das geht viel weiter als die Vorratsdatenspeicherung, bei der sogenannte Verbindungsdaten gespeichert werden - also nicht der Inhalt einer E-Mail, sondern die Information, wann wer mit wem wo gemailt hat. Es geht mir keine Sekunde darum, die Vorratsdatenspeicherung zu verharmlosen, nur werden hier Äpfel mit Birnen verglichen.
PRISM ist ein Geheimprogramm, von dem wir nur dank einem Whistleblower erfahren haben und das offensichtlich viel weitreichender ist als alle anderen Überwachungsmethoden, von denen wir bisher wissen.
hier vielleicht ein interessanter Link/anderer Blick: http://nakedsecurity.sophos.com/2013/06/10/prism-not-as-bad-as-you-thought-and-dont-call-it-prism/
ich glaube auch überhaupt nicht, dass Österreich hier ähnliche Programme unterhält, auch ein Vergleich mit der VDS liegt mir fern. PRISM scheint ja vielmehr sowas wie Echelon zu sein nur weit umfassener, das ist eine ganz andere liga als die Vorratsdatenspeicherung.
Aber natürlich gibt es auch in Europa eigene Überwachungsbestrebungen, wie hier http://fm4.orf.at/stories/1719346/ etwas kompliziert beschrieben. Da wird Österreich sicher auch mit an board sein.
Darüber hinaus wird zb das Projekt INDECT betrieben. (https://de.wikipedia.org/wiki/INDECT)
Und, wieder anderes Thema, es gibt ja momentan schon weitreichende Übereinkünfte mit den USA über Fluggast-Daten und auch E-Banking (SWIFT) betreffend.
Aber ja, eine maßlose allumfassende Aufzeichnung/Speicherung der "österreichischen Daten" wird es wohl nicht geben, einzelne Maßnahmen der Polizei/Geheimdienste die weiter gehen als die Gesetze es erlauben bestimmt (siehe VGT-Prozess).
Eine öffentliche Kontrolle dieser Tätigkeiten gibt es aber nicht, und auch keine Diskussion über die Befugnisse und tatsächlichen Überwachungstätigkeiten der Behörden hierzulande, womit ich wieder bei meinen Einstiegsfragen angelangt bin :)
Komisch, der Kommentar blieb im Spam-Filter hängen. Sorry! Sehr spannender Artikel auf FM4, kannte ich noch gar nicht. Danke!
Mir geht's gar nicht darum, Europa zu sehr in Schutz zu nehmen. Ich hab nur ein bisschen Angst, dass nun sehr schnell so ein generelles Wurschtigkeitsgefühl eintritt, so nach dem Motto: Jo, mei, es überwachen eh alle! Das wäre schlecht, weil das erst recht jene EU-Abgeordneten blockiert, die nun wieder Verschärfungen in die Datenschutzverordnung reinschreiben wollen. Was sicherlich generell eine gute Idee ist. Aber ja, der Tierschützerprozess wirft sicher kein gutes Licht auf das Vorgehen der Behörden...
übrigens:
http://derstandard.at/1369363661519/Bundesheer-Geheimdienst-soll-mit-NSA-kooperieren
"Etwa, dass für den Rest der Menschheit nicht die gleichen Menschenrechte gelten?"
Genau so kommt mir aber die Haltung vieler US-Amerikaner vor. Guantanamo ist nicht so schlimm, so lange keine Amerikaner dort sind. Und das F in FISA steht nicht umsonst für "Foreign". Klar, das sich ein Staat zuallererst um seine eigenen Bürger kümmert und eine Regierung um ihre Wähler. Gerade deshalb sollten in wir in Europa scharfe Datenschutzgesetze schaffen und uns nicht den Lobbyisten der großen (US-)IT-Unternehmen beugen.
Stimmt, leider entsteht dieser Eindruck derzeit tatsächlich. Wobei man ja sagen muss, dass Obama ursprünglich auch für das Versprechen, Guantanamo zu schließen, gewählt wurde. Es gibt sicherlich einige Amerikaner, die keine Freunde der Außenpolitik ihres Staates sind.
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Mal sehen wie viele Studien über die Sinnlosigkeit der Vorratsdatenspeicherung benötigt werden um sie wieder abzuschaffen. Leider sind die Regierungen einfach so datensammelwütig.
Nachdem es jetzt eh passiert ist sollte man das ganze System mit sinnlosen Informationen zumüllen, dann geht vielleicht in der Datenflut unter wann meine Oma mit ihrem Arzt über ihre Hüftprothese via Email kommuniziert hat... (Ja ich weiß, Inhalte werden nicht gepeichert - noch nicht...)