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Der Unsinn rund um Nikolo

Wieso Falschmeldungen so gut funktionieren – erklärt anhand eines irreführenden Berichts der Boulevardzeitung “Österreich”

Zu Recht sorgt derzeit ein Artikel aus dem Boulevardblatt “Österreich” für Empörung: Komplett unhinterfragt wird ein anonymer Vater zitiert, der behauptet, an einer Wiener Schule herrsche “seit Jahren” Hausverbot für den Nikolo, ebenso gäbe es kein Schweinefleisch an dieser Schule und “alle christlichen Symbole” seien “verpönt”. Der Faktencheck zeigt jedoch: Sehr wohl darf und ist auch der Heilige Nikolaus in den vergangenen Jahren an der Schule aufgetreten, ebenso hängen in der Schule zum Beispiel selbstgebastelte Nikolos, also christliche Symbole. Hier zwei Artikel dazu von Vice und Kurier. Der Schweinefleisch-Vorwurf ist besonders eigen: Da diese Schule eine Halbtagsschule ist, wird dort gar kein Essen zubereitet. Gesamturteil: Die Geschichte ist Unsinn.

Und trotzdem ist diese Geschichte klicktechnisch ein irrer Erfolg für “Österreich”. Sie löste bisher 19.500 Likes, Kommentare oder Shares auf Facebook aus. Ein wesentlicher Teil dieser Interaktion wurde von Rechtspopulist Heinz-Christian Strache verursacht: Er teilte die Meldung auf seinem Facebook-Account und erzielte dort 9000 Likes, Kommentare oder Shares. Zumindest rein klicktechnisch ist diese Geschichte auch für die FPÖ ein Erfolg:

Warum funktioniert so ein Unsinn so gut? Es gibt Erklärungen, warum Falschmeldungen oder irreführende Beiträge so gut funktionieren – hier 3 Faktoren, die zum Erfolg solchen Unsinns beitragen:

1.) Wut wirkt

Falschmeldungen verbreiten sich auch deswegen so stark, weil sie immense Emotionalität auslösen: Menschen werden so wütend, dass sie im Affekt solche Geschichten teilen, liken, weitererzählen. Tatsächlich lässt sich in Daten-Auswertungen messen, dass Wut eine extrem erfolgreiche Emotion ist, auch im Internet. Im Englischen gibt es den Satz: “Angry People click more”, wütende Menschen klicken mehr.

Auch Medien profitieren zum Beispiel von höherer Reichweite, wenn ihre Geschichten Wut auslösen. Eine Studie hierzu – die keine Falschmeldungen behandelte, aber sehr wohl die Viralität von Wut aufzeigte: Die Wissenschaftler Jonah Berger und Katherine Milkman analysierten, welche Artikel der “New York Times” eher “viral” werden (also stark von Menschen weitergeleitet werden). Konkret wurde analysiert, welche Texte auf der Webseite Menschen per Email weiterempfahlen. Wütendmachende Artikel hatten eine deutlich höhere Chance, viral zu werden: Ihre Chance, auf die Liste der meistversendeten Artikel zu kommen, lag um ein Drittel höher.

Die Nikolo-Geschichte passt zu solchen wissenschaftlichen Ergebnissen: Sie ist ein Klickerfolg. Sie ist so empörend, dass viele Menschen auf Facebook diese aufgebracht teilen – und eine Frage leider oft nicht gestellt wird: Moment, stimmt diese wütendmachende Geschichte überhaupt?

2.) Wahrheitseffekt

Mehr zum Thema: Mein Buch “Lügen im Netz”

Solche Geschichten sind auch deswegen so wirkmächtig, weil sie Teil eines größeren Narrativs sind: Angeblich wird Weihnachten verboten. Seit Jahren tauchen immer wieder Falschmeldungen auf, wonach christliche Bräuche rund um Weihnachten bedroht seien. Absurde Falschmeldungen verbreiten sich jeden Advent aufs Neue: Dass der Nikolo künftig “Zipfelmann” genannt werden muss (Unsinn) oder dass man jetzt nicht mehr “Weihnachtsmarkt” sondern “Wintermarkt” sagen müsse – doch einem Faktencheck halten viele solche Behauptungen nicht stand.

Das Problem an solch wiederkehrendem Unsinn ist: Die Wiederholung hat einen Effekt. Das haben Wissenschaftler schon im Jahr 1977 beobachtet: Über mehrere Wochen hinweg ließen sie Studienteilnehmer unterschiedliche Behauptungen vorlesen. Es zeigte sich, dass Menschen (selbst falsche) Behauptungen eher glauben, wenn sie wiederholt werden. Im Englischen als “illusory truth effect” bezeichnet, oder etwas simpler auf deutsch: Wahrheitseffekt.

Dieser Wahrheitseffekt ist insofern ein unbehagliches Phänomen, als dass wir beobachten können, wie manche Falschmeldungen immer wieder im Netz kursieren: Die Gefahr ist, dass ein Teil der Bevölkerung sehr häufig mit solchen falschen oder halbwahren Behauptungen in Kontakt kommt – und sie aufgrund der Wiederholung für plausibel hält. Mich persönlich fasziniert das zumindest sehr: Dass die pure Wiederholung einer Behauptung diese wahrer erscheinen lässt – selbst bei Erfundenem.

3.) Echokammern

Hinzu kommt noch die Verbreitung im Internet: Wer zum Beispiel einigen FPÖ-Politikern oder Fan-Accounts auf Facebook folgt, bei dem ist die Chance groß, dass er die irreführende Meldung von “Österreich” eingeblendet bekommen hat. Im Umfeld dieser Partei verbreitet sich diese falsche Geschichte vehement. Und da diese Meldung immens viele Likes, Kommentare und Shares hervorrief, wird sie auch prominent im Feed vieler Fans der FPÖ eingeblendet.

Unter Wissenschaftlern besteht hier die Sorge, dass ein Phänomen namens Echokammer die Verbreitung von Falschmeldungen fördert: Echokammern sind digitale Räume, in denen sich Menschen großteils mit Gleichdenkenden austauschen und eher Information von Seiten beziehen, die ihrem Weltbild entsprechen. Tatsächlich gibt es Studien, die die Existenz solcher Echokammern auf sozialen Medien wie Facebook aufzeigen konnten (siehe zum Beispiel: “The spreading of misinformation online”).

Zur Erklärung: Es war wohl schon immer so, dass wir Menschen unbewusst eher Informationen suchten, die unserem Weltbild entsprechen (in der Psychologie wird dies auch “selektive Zuwendung” genannt). Die Sorge besteht allerdings aktuell, dass uns digitale Tools hierbei noch zusätzlich helfen, uns eher einseitig zu informieren: Und interessanterweise treten solche Echokammern-Effekte in unterschiedlichen Untersuchungen zutage.

Ein Problem hierbei ist auch, dass Echokammern Aufklärung erschweren: Man kann nicht immer davon ausgehen, dass Menschen, die eine Falschmeldung sahen, später auch die Richtigstellung eingeblendet bekommen. Zum Beispiel können wir online oft beobachten, wie in FPÖ-kritischen Kreisen stark die Richtigstellung von falschen Behauptungen zirkuliert, die Parteichef Heinz-Christian Strache online weiterverbreitete. Ob all die Fans des Politikers aber auch die Korrektur mitbekommen, das darf bezweifelt werden – auch deswegen, weil wir eine fehlende Fehlerkultur beobachten können.

Heinz-Christian Strache hat den falschen Bericht aus “Österreich” geteilt – und bis heute nicht richtiggestellt, wie viel Unsinn in dieser Meldung steht. Stattdessen ist online weiterhin bei ihm zu lesen: “Es ist irritierend, was im rot-grünen Wien vor sich geht! Ein Verbot von Nikolo & Christkind, dazu aber ein verpflichtender Türkisch Unterricht für unsere Kleinen.” Hier wird also mit einer falschen Behauptung Stimmung gemacht und dies nicht rechtzeitig richtiggestellt.

Fazit

Wut, Wiederholungseffekte, Echokammern: Es gibt einige Gründe, warum Falschmeldungen so erfolgreich sind. Wobei das Grundproblem hierbei ist, dass das Boulevardblatt “Österreich” offensichtlich journalistische Sorgfaltspflichten stark vernachlässigt hat: Ein anonymer Vater und ein FPÖ-Politiker werden in diesem Beitrag zitiert, die Behauptungen als Fakten übernommen und die Gegenseite wird anscheinend nicht befragt. Erst im Nachhinein adaptiert “Österreich” den Bericht – lässt aber weiterhin die Vorwürfe stehen, inszeniert dies nun als “Streit”. Am Ende profitiert das Boulevardblatt von sehr vielen Klicks – und die öffentliche Debatte leidet unter einer weiteren, zutiefst problematischen und irreführenden Meldung.

 

Foto: pixabay

 

 

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  • Was ist mit dem viel grösseren Problem der Hasskommentare und Hassleitartikeln?

  • Danke. Sowoh für das Expertenvotum als auch die schöne verlinkbare Zusammenfassung hier,

  • Ich hatte schon befürchtet, dass es mal zu so einer Software kommen wird.
    Trotzdem gruselig

    (Und wer weiß in einem Jahr nicht alles, warum die Software entscheidet, wie sie entscheidet?)

  • Es gibt außerdem eine Vielzahl von Websites, die Kommentare ermöglichen, Daten und Passwörter der User_innen unverschlüsselt jedoch verarbeiten!! Da würde ich meine SV-Nr jedenfalls nicht eingeben.

  • Es gibt außerdem eine Vielzahl von Websites, die Kommentare ermöglichen, Daten und Passwörter der User_innen jedoch unverschlüsseltverarbeiten!! Da würde ich meine SV-Nr jedenfalls nicht eingeben.

  • Danke, dass du dich in diesem Bereich einsetzt. Es wäre ein irrsinniger Rückschritt für unsere Gesellschaft und erinnert fast an das für 2020 geplante Sozialcreditsystem mit Totalüberwachung in Peking, über das wir hier zu Lande den Kopf schütteln. Selbst beweisen wir uns eben gerade nicht in Systemverbesserungen.

  • Hallo Freunde ... saisonale Grüße an alle. Ich bin Mary Michael, ich komme aus Maryland. Vor ein paar Tagen las ich einen Kommentar zu einem Blog über Beziehungen. Ein Journalist, der wegen der Krankheit seiner Frau zwei Wochen lang die schnelle Heilung von schwachen Erektionen und Ejakulationen erforscht. Ich lese die Geschichte und neben Drigbinovia der Mann, der ihm geholfen hat, alles zu tun, die Seite, die er mit seiner Ex-Frau getrennt hatte acht Jahre nach der Trennung und Drigbinovia helfen ihm, seine Ehe zurückzubringen. Ich hatte großes Glück, die E-Mail-Adresse doctorigbinovia93 @ gmail .com online zu kopieren. Drigbinovia spricht über mögliche Probleme des Ehelebens. Ich brauchte so sorgfältig Hilfe, um zu meinem Mann zurückzukehren. Vor ein paar Monaten habe ich gegen meinen Mann gekämpft, am nächsten Tag sah er direkt in die Augen. Er sagte, es sei vorbei, wir haben geheiratet, er hat unseren Sohn genommen und ist nach Spanien gegangen. Seitdem versuche ich es Anrufen und Senden von Nachrichten über das Telefon, soziale Netzwerke. in der Mitte und per E-Mail, aber die komplett blockierte Leitung war erreicht, so frustriert, und ich musste meinem Sohn Felix beim Lesen helfen, sich zu entschuldigen, auch wenn wir beide wissen, dass ich missbrauche. sieben Monate lang keine Blätter ohne Rede. Diese Situation wird jeden Tag ermordet, ich war deprimiert und wollte dringend helfen, und es war dringend eine Lösung erforderlich, um das Problem zu lösen. Ich kontaktierte die E-Mail-Adresse in Drigbinovia, nur weil ich glaube, dass ich meinem Mann helfen kann, mit seinem Sohn nach Hause zurückzukehren . Ich sprach mit ihm und versicherte ihm, er könnte mir helfen, mit meinem Mann und meinen Kindern nach Hause zu kommen, zuzuhören und Schritt für Schritt. Zwei Tage später sagte Drigbinovia, dass eine Lustrationszeremonie in den Tempel gefallen sei. Alles wird von alleine gemacht und ich habe alles getan, ich habe nur die notwendigen Dinge zur Verfügung gestellt. Am selben Abend rief mich mein Mann Chandler an, um mich dafür zu entschuldigen, dass er sehr ruhig war. Er sprach mit mir, es tat ihm sehr leid, dass er Angst hatte. Chandlers Sohn ist gestern mit seinem Sohn nach Hause zurückgekehrt, und heute bin ich glücklich, meine Familie und meinen Mann wiederhergestellt zu haben, und wir lieben uns mehr als je zuvor. Ich schätze und schätze immer die Hilfe von Drigbin. Ich verspreche, mein gutes Zeugnis über meine Freunde und andere zu teilen. Ich habe die Absicht, dass es für mich funktionieren wird, und mir wurde klar, dass es gut wäre, mit Ihnen zu teilen, weil ich weiß, dass es andere inspirieren wird, wie ich kürzlich getroffen habe, ein lebendiger Zeuge zu sein, für den ich arbeite. Ich, mein Mann, kehrte innerhalb von sieben Tagen nach Hause zurück und ein unglaubliches Wunder. Der Rat sucht verzweifelt nach einer dauerhaften Lösung für die Krise und die Dringlichkeit romantischer Beziehungen, und wenn er verlorene Partner wiederfindet und eine glückliche Familie schafft. Der lebendige Glaube, dass Liebe zu Macht, diese Kräfte erwiesen sich als wirksam und um einige Tage nach der Exaktivierung zu planen, um um Verzeihung zu bitten. Ich wünsche Dir viel Glück

  • Ist es umweltfreundlicher, einen Film auf DVD / BluRay zu gucken statt auf Netflix?

    • Danke für den Link - auf dieses Projekt bezieht sich die Erwähnung im Text!

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