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Die Zeitung ist tot, es lebe die Zeitung

Web frisst Print, die Krise schlägt zu. Trotzdem gibt es Zeitungen, die mit ungewöhnliche Ideen bestechen oder sich sogar neu erfinden. Ein Blick in die Welt der Zeitungsdesigner

In ganz Europa stehen Zeitungen unter Druck. Die Lesegewohnheiten ändern sich, viele Menschen warten nicht mehr auf die Zeitung am Frühstückstisch, sondern holen sich ihre Nachrichten gleich aus dem Netz. Die Wirtschaftskrise verschärft dieses Phänomen. Anzeigenumsätze sinken, Medienhäuser entlassen Journalisten. Doch wie können Zeitungen darauf reagieren? Wie müssen sich Printmedien neu positionieren?

Antworten gibt es beim European Newspaper Award. Dieser zeichnet jährlich herausragende Publikationen für ihr Konzept und ihre Gestaltung aus. Der Hauptpreis „European Newspaper of the Year“ wird in den Kategorien überregional erscheinende Zeitung, Regionalzeitung und Lokalzeitung vergeben. Die diesjährigen Gewinner stammen aus Portugal, Deutschland sowie Schweden und zeigen, welche Veränderungen am Printmarkt bevorstehen und wie sich Medien neu erfinden.

Portugal: Rundum-Innovation

i steht für „informação“ (Information auf Portugiesisch) und ist ein ungewöhnliches Produkt. Das handliche Blatt, das bis an den Seitenrand bedruckt werden kann, überzeugte die Jury als beste überregionale Zeitung. Auf den ersten Blick sieht sie dabei eher wie ein Magazin als eine Tageszeitung aus. Das Layout ist verspielt, Bilder bekommen viel Platz – das geht so weit, dass manche Geschichten sogar nur über Illustrationen oder Fotostrecken erzählt werden.

„Wir wollen alles wegwerfen, was in herkömmlichen Zeitungen nicht funktioniert, und eine neue Zeitung bauen“, sagt Art-Director Nick Mrozowski. Tageszeitungen sind üblicherweise nach Ressorts aufgeteilt (Politik, Wirtschaft, Chronik, Kultur, Sport). Die Portugiesen haben ein anderes System: Zuerst bringen sie einen knackigen Nachrichtenüberblick, genannt „Radar“. Hier landen die wichtigsten Meldungen des Tages, kurz erzählt zur schnellen Orientierung.

Danach startet die zweite große Sektion: „Zoom“. Die Texte werden länger, die Artikel bringen mehr Hintergrund. Analyse, Reportage und Essays finden sich hier. Qualitätsjournalismus ja, aber peppig aufgemacht.

In i werden keine herkömmlichen Pressekonferenzfotos abgedruckt, bei denen Politiker am Podium sitzen und ein Fotograf sie abknipst. Um solche Szenen anders zu erzählen, schickt das Blatt mitunter Illustratoren zu wichtigen Politikveranstaltungen. Sie sollen die Atmosphäre einfangen und auf ihre Weise darstellen.

Die große Frage ist, ob das Blatt jeden Tag seinem Qualitätsanspruch gerecht werden kann. Die Mannschaft ist mit 41 Redakteuren, zwei Fotografen und fünf Layoutern verhältnismäßig klein. Subdirektor und Mitgründer André Macedo ist auf eine Zahl sehr stolz: „25 Prozent unserer Leser hatten zuvor keine Zeitung.“ i spreche Portugiesen zwischen 35 und 45 Jahren an, ein überdurchschnittlich junges Publikum.

Das Überraschendste ist aber, dass die Zeitung ausgerechnet im Krisenjahr 2009 erstmals erschien. Ein großes portugiesisches Baukonglomerat finanziert das Blatt, 15 Millionen Euro darf die Zeitung in den ersten vier Jahren kosten, dann soll sie profitabel werden. Derzeit beträgt die Auflage 30.000 Stück. Ab Jänner wird sie verdoppelt.

Die Jury des European Newspaper Awards lobt i als „Rundum-Innovation“. Die Zeitungsmacher spielen sogar mit dem Gedanken, dass Online Print eines Tages überholen wird. „Vielleicht ist unsere Webseite in fünf Jahren wichtiger als die Zeitung“, sagt Mitgründer Macedo. Er fürchtet sich nicht vor dieser Vorstellung.

Deutschland: Zeitung für Leser

Die zweite ausgezeichnete Publikation ist wie ein Gegenentwurf zu den Portugiesen. Die Stuttgarter Zeitung wurde zur besten Lokalzeitung gewählt – ihr Design entspricht dem einer klassischen Tageszeitung.

„Kontinuität und Qualitätsjournalismus“ versprach auch Chefredakteur Joachim Dorfs, als am 20. Juni die erste Ausgabe des überarbeiteten Blattes erschien. Die Regionalzeitung hat eine Auflage von 150.000 Stück und ist trotz der Neugestaltung bemüht, nicht zu bunt zu wirken. So sind die Bilder farbig und auf der Titelseite gibt es ein schönes großes Foto, das ein wichtiges Tagesthema ankündigt, insgesamt hat der Platz für Illustrationen aber abgenommen.

„Mit Bildern sollte man vorsichtig sein, weil man leicht verwechselbar oder beliebig wird“, sagt Art-Director Dirk Steininger. Sein Blatt ist die Antithese zu jenen Zeitungen, die zuletzt größere Fotos und mehr Weißraum einfügten und nun weniger Platz für ihre Artikel haben.

So haben die Stuttgarter eine neue, größere Schrift eingeführt und trotzdem ihre langen Texte beibehalten. Diese Änderung soll einerseits der älter werdenden Leserschaft entgegenkommen, die eine leichter lesbare Typografie will, und andererseits dem seriösen Ruf der Zeitung entsprechen. Immerhin beinhaltet die Stuttgarter Zeitung viele Geschichten, die deutsche Journalisten gerne als „Lesestücke“ bezeichnen. Das vermittelt das textlastige Layout. „Man möchte sich zurücklehnen und einfach nur lesen“, befand ein Jury-Mitglied.

Schweden: Technik bringt’s

Die dritte „European Newspaper of the Year“ ist eine andere Art Medium – ein Lokalblatt, das sich nicht in weltpolitische Fragen vertieft, sondern die Geschehnisse in der Umgebung aufstöbert: Konzerte, Eishockeymatches, Unfälle, Einkommensveränderungen in der Region. Für eine Zeitung wie Smålandsposten, die gerade einmal 38.600-mal gedruckt wird und die sich auf ein Gebiet in Südschweden mit vielen Wäldern und wenig Einwohnern beschränkt, ist es schwierig, optisch mit den großen überregionalen Zeitungen mitzuhalten.

Die Skandinavier beherrschen aber ihr Handwerk. Sie legen viel Wert auf die Bildauswahl, produzieren eine übersichtliche und leserfreundliche Zeitung. Chefredakteur Magnus Karlsson macht den technischen Wandel für den Erfolg mitverantwortlich.

Zum Beispiel engagiert sein Blatt viele Fotografen aus der Region. Diese senden ihre Bilder oft kurz vor Redaktionsschluss aus entlegenen Ortschaften ein. Bevor es mobiles Internet gegeben hat, war das unmöglich.

Für noch wichtiger hält der Chefredakteur das neue redaktionelle System, es handelt sich um ein schwedisches Programm genannt „Newspilot“, das die rasche Layoutierung von Zeitungsseiten ermöglicht. „In 45 Minuten ist eine Seite erstellt“, sagt Karlsson. Die restliche Zeit können seine Mitarbeiter dann für Feinheiten aufbringen: bessere Zwischentitel, aufwendigere Designs oder gutgeschriebene Infoboxen.

Gerade diese Art von Leserservice lobte die Jury. Dazu zählt auch, dass sich unter jedem Artikel E-Mail-Adresse und Telefondurchwahl des zuständigen Redakteurs finden.

Größere Vielfalt

Vom 25. bis 27. April 2010 findet im Wiener Rathaus der „European Newspaper Congress 2009“ statt, dort werden die Zeitungspreise vergeben. Die Ehrung gibt einen Einblick in Trends am Printmarkt: Viele Zeitungen setzen vermehrt auf Hintergrundberichterstattung, die Qualität der Bildauswahl rückt in den Vordergrund.

Für Haika Hinze, Art-Directorin der Zeit und Jurymitglied beim European Newspaper Award, ist die spannendste Erkenntnis, dass die Zeitungen so unterschiedliche Richtungen einschlagen, von den innovativen Portugiesen bis zu den traditionell denkenden Stuttgartern. „Ich nehme wieder eine größere inhaltliche Vielfalt als vor drei, vier Jahren wahr“, meint sie. Die Frage, wie die Zukunft der Zeitung aussehen wird, ist noch lange nicht endgültig geklärt.

Dieser Bericht ist im Falter 48/09 erschienen. Bilder: European Newspaper Award / i / Stuttgarter Zeitung / Smålandsposten

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  • Mich würde interessieren, wie es dir in und nach den 2 Wochen gegangen ist.
    Aus dem Falter wissen ja alle, dass du dein Handy mit ins Bett nimmst ...

    • Gute Frage! Grundsätzlich war es angenehm, ich habe auf meinem iPhone den Mail-Account gelöscht, hatte gar nicht das Bedürfnis, all die eintreffenden Mails zu lesen. Doch dann habe ich selbst gegen mein Sabbatical verstoßen: Während der Feiertage hat sich bei mir etwas Privates ereignet und ich wollte meine Kollegen diesbezüglich verständigen. Nur was tun? Jeden einzelnen anrufen? An alle ein SMS? Mir schien E-Mail die beste Kommunikationsform und schließlich habe ich dann gemailt. So ganz habe ich mein Sabbatical also nicht eingehalten, aber trotzdem zwei Dinge gelernt: 1.) Es ist eine gute Idee, den Mail-Empfang am iPhone während des Urlaubs zu deaktivieren - das werde ich weiterhin machen. 2.) Ganz auf E-Mail zu verzichten, ist aber gar nicht so leicht, vor allem wenn man selbst einen großen Mitteilungsdrang hat. Mir ging eher das Mail-Versenden als das Mail-Empfangen ab...

      • OK. Das heißt ja wohl, dass du nur auf die Mails verzichtet hast. ;-)
        Musste den Artikel noch mal lesen, um das zu verstehen. Dass heißt, du hast dich nur auf das "normale" Urlaubslevel runtergesetzt. Ich dachte, du willst es OHNE Internet schaffen. Sprich: OHNE Mail, OHNE Surfen, OHNE Online-Spiele - OHNE Internet eben.
        Das hast du dir zu einfach gemacht, finde ich. Und dann nicht mal ganz eingehalten.

        Ingrid ich habe heute leider kein Foto für dich ...

        • Interessanter Einwand - aus meiner Sicht habe ich das weggelassen, was mich während des Urlaubs am meisten stört (eben, dass ich trotzdem ständig E-Mails checke). Aber wenn ich zwischendurch nach einem guten Lokal google oder online einen Routenplan suche, stört mich keine Sekunde lang. Im Gegenteil: Ich würde es als extreme Benachteiligung empfinden, wenn ich in meiner Freizeit darauf verzichten müsste.

          Natürlich kann man's auch so sehen, dass das nur ein Schmalspur-Sabbatical war. Den echten Offline-Test haben schon andere gemacht, zum Beispiel Alex Rühle für sein Buch "Ohne Netz". http://www.falter.at/web/shop/detail.php?id=33075&SESSID= Aber schauen wir mal, vielleicht wage ich mich doch noch über eine echte Auszeit drüber. Bisher verspüre ich jedenfalls nicht den Drang, das Internet gänzlich abzudrehen...

  • Da kommt also ein Gerät heraus, welches kleiner und leichter ist, doppelt so viel Prozessorleistung bietet, eine 9x schnellere Grafik, ein verbessertes Display, einen FullHD-Ausgang für externe Präsentationen und die Nachrüstung der viel bemängelten Kameras. Und das ist dann keine Innovation. Alright.

  • Ja, das ist eine Verbesserung, aber noch keine Innovation. Etwas anderes zu behaupten, ist echt gewagt.

  • Interessant, Danke für den Link! Diese komischen Geräusche hatten also einen Grund...

  • Aber mal ehrlich: Die Werbeeinnahmen im Netz sind viel zu gering. Sie reichen bisher nicht aus, um hochqualitative Recherche und Redigatur zu finanzieren.

    Und genau da liegt das Problem fuer

    Wir verabschieden uns vom traditionellen Journalismus und seinem Finanzierungsmodell, aber wir haben noch keine neue Lösung gefunden.

    Wenn sich Werbepreise fuer Online Ads den Offline Ads, also Zeitungsinseraten, annaehern wuerden, waere die ganze Geschichte auch ohne Paywall finanzierbar. Denn zieht man bei einer Zeitung die Druckkosten und die Lieferkosten ab, bleibt unterm Strich auch nichts mehr uebrig (oder noch weniger). Zwar wird von den Werbeagenturen immer mehr Geld vom offline ins online advertising verschoben, doch hat das in den letzten Jahren nicht den erhofften Preisanstieg gegeben. Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass 15 Dollar pro User nur durch on page advertising praktisch nicht erreichbar sind. Selbst wenn die NYT pro 1000 aufgerufenen Seiten 10 Dollar bekommt (was derzeit eh nicht realistisch ist, eher 1/3 - 1/10 davon), muesste ein User 1500 Seiten pro Monat aufrufen um damit auf 15 Dollar zu kommen.

    Andererseits stellt sich die Frage wie lange es dauern wird um den Aufwand, der die Implementierung und Wartung einer Paywall mit sich bringt, mit Abos zu finanzieren.

    Ich bin auf jeden Fall gespannt wo das in den naechsten Monaten/Jahren hinfuehren wird :-)

  • Danke für den spannenden Einblick in die Zahlen! Was ich mich frage: Ist es realistisch, dass sich die Onlinewerbepreise irgendwann den Offlinepreisen angleichen? In den letzten Jahren ist das ja leider nicht passiert.

    Im App-Store von Apple kommt übrigens ein neues Problem für die Zeitungshäuser hinzu: Da kassiert Apple 30 Prozent des Umsatzes ein, dazu gibt's auch wieder heftige Debatten (siehe zB http://www.tagesschau.de/wirtschaft/apple142.html).

    • Ist es realistisch, dass sich die Onlinewerbepreise irgendwann den Offlinepreisen angleichen?

      Darauf kann man natuerlich nicht pauschal mit ja oder nein antworten. Da erstens die Werbeformen sowohl offline als auch online zu verschieden sind. Wenn man online Werbung auf Zeitungsportalen mit Zeitungsanzeigen vergleicht, wuerde ich eher dazu tendieren und "nein" zu sagen. Unterm Strich wird wohl in den naechsten Jahren immer noch mehr mit Zeitungsanzeigen zu holen sein. Doch koennen gewisse Online Kampagnen natuerlich ueber den offline Preisen liegen. Wenn zB gezielt Werbung fuer eine gewisse Zielgruppe geschaltet wird ("nur die 25-35 jaehrigen, alleinstehenden Maenner mit Sportwagen") sind die Preise dementsprechend hoeher.

      Ich moechte auch noch anmerken, dass die Zahlen, die ich oben geschrieben haben nicht die wirklichen Zahlen der NYT sind. Es sind lediglich Schaetzungen aufgrund meiner Erfahrungen (beschaeftige mich seit 2001 mit Online Werbung und die Preise sind seither stetig gesunken - Ende 90er Jahre waren die Preise am ehesten mit Offline Preisen zu vergleichen). Darueber hinaus bin ich mir ziemlich sicher, dass die NYT bessere Preise fuer Online Kampagnen erzielt als irgendein 08/15 Blog. Trotzdem sind die Preise im Keller, auch wenn die NYT einen 50-fach hoeheren Preis bekommt :-)

      Zu apple: der von dir verlinkte Artikel ist leider etwas einseitig geschrieben. Kurz die Gegenseite: Das mit den 30% stimmt. Allerdings nur fuer "neue" Kunden, also Kunden, die ueber die App angeworben wurden. Es steht jedem Verlag frei, ausserhalb des App Stores Abos zu verkaufen (die dann natuerlich auch innerhalb der App genutzt werden koennen). Fuer solche Verkaeufe bekommen die Verlage dann 100%. So das Argument von Apple.

      Natuerlich sitzt der Dollar lockerer wenn man in der App ist, die Zahlungsdaten hinterlegt sind und man nur noch auf "abonnieren" druecken muss. Das weiss Apple natuerlich auch ...

  • Selbstredend gibt nichts dagegen zu sagen für die NYT zu zahlen. Vielleicht nur, dass wir in seltsamen medialen Zeiten leben, wenn eine Journalistin eine Art Rechtfertigung dafür postet. Es ist aber auch mehr als nur "für guten Journalismus" zahlen - es ist ein Commitment zur Marke, zum Medium und wahrscheinlich eine Art Freude über das implizite Bildungsversprechen einer Zeitung wie die New York Times. Und unterstreicht den Mangel an solchen Angeboten in Österreich. Was ein derartiges Commitment zu geben zur Zeit schwer macht, ist die schiere mediale Vielfalt am Bildschirm. Ein zunehmend diffuser gewordenes Angebot, die oft zitierte mediale Herausforderung. Tageszeitung lesen, Magazine rezipieren und sich dann um die Feeds kümmern. Welches Medium greife ich heraus, um es finanziell zu unterstützen? - NYT, SZ, NZZ, FAZ,...,....,....,....,.....,...,....,....,....,.....,,...,....,....,....,.....,,...,....,....,....,.....,,...,....,....,....,.....,,...,....,....,.Glückwunsch, wenn man hier klar sieht und für sich zu einer Entscheidung kommt. Unglücklich hingegen finde ich die Formulierung "guter Journalismus". Was das ist, ist stets persektiven-abhängig und kommt meist oberlehrerhaft herüber. Ob die Strasser-Aufdeckung etwa ein Beispiel für "guten Journalismus" ist, halte ich etwa für dikussionswürdig - Büros mieten, Politiker in Versuchung führen usw. Eine Top-Story allemal. Aber "guter Journalismus". Naja, für mich verwunderlich. Aber egal. Schönes Wochenende.

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