Wirr ist das Volk
Das Phänomen Pegida ist nicht auf die Straße beschränkt. Es steht auch für die gefährliche Tendenz in der Gesellschaft, dass Menschen sich im Internet radikalisieren.
Die Lage sieht trist aus – zumindest, wenn man ein Sympathisant der Pegida ist und als Einziger die “Wahrheit“ erkannt hat: In ganz Europa greift eine islamische Indoktrination um sich; die Politiker und Journalisten unternehmen im Namen des Multikulturalismus und des Gutmenschentums nichts dagegen, ja, sie heißen diese Wahnideen sogar noch gut. Überhaupt muss man permanent damit rechnen, dass man manipuliert wird – von der “Lügenpresse“.
Die glühenden Verfechter der Pegida glauben das tatsächlich, und deswegen gehen diese selbst ernannten “Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ auf die Straße, zum ersten Mal im Oktober des Vorjahres in Dresden, zuletzt auch in Wien. Vergangenen Montag fand hier die erste Pegida-Demo statt. Gerade einmal 400 Sympathisanten versammelten sich auf der Freyung; sie trugen Plakate wie “Echte Meinungsfreiheit jetzt!“ oder “Der Islam gehört nicht zu Wien“. Nach dem Vorbild der Dresdner Demonstranten schrien sie: “Wir sind das Volk!“
Ein echter Volksaufstand blieb jedoch aus. Den 400 Pegidisten standen bis zu 5000 linke Gegendemonstranten gegenüber; man kam bei dem geplanten Spaziergang keinen Schritt voran. Schon jetzt scheint es, als würde Pegida zerbröseln. Es gibt aber einen Ort, wo ihre Anhänger und deren Denkmuster geballt sichtbar werden: das Internet.
Online ist zu beobachten, wie sich vermeintliche Durchschnittsbürger selbst radikalisieren, vor allem gegen den Islam. Sie lesen skurrile Verschwörungsblogs, basteln sich eine eigene Wirklichkeit und verteufeln die Medien pauschal als “Lügenpresse“ oder “Systempresse“.
Das Medienmagazin “Zapp“ ließ vergangenen Dezember 1000 Deutsche über ihr Verhältnis zu den Medien befragen. Hatten im April 2012 noch 40 Prozent der Befragten angegeben, großes oder sehr großes Vertrauen in die Arbeit von Journalisten zu haben, waren es nun nur noch 29 Prozent. Zwei Drittel hatten gar kein oder wenig Vertrauen.
Hierzulande schürt vor allem die FPÖ, das Misstrauen gegenüber Medien; da wird von “Zwangsgebühren“ im ORF und einem “Gesinnungsjournalismus“ gesprochen. In den Onlineforen bejubelt manch ein Poster die medienkritische Pegida.
Auf science.ORF.at schreibt ein User namens “gaetan“: “Es ist doch naiv zu glauben, dass eine in der Geschichte bislang in Friedenszeiten noch nie erlebte Durchmischung und Umvolkung in der angestammten Bevölkerung spurlos vorbeigehen könnte.“
Gleich daneben erklärt der Kommentator “lonus“: “wir brauchen die Pegida, wahre Demokratie unbedingt, weil wir Bürger einfach nicht gehört und ernst genommen werden.“
Bei der Pegida-Demo in Wien erhoben einzelne Teilnehmer die Hand zum Hitlergruß. Der “Kurier“-Fotograf Jürg Christandl dokumentierte dies auf einem Foto. Auch profil.at berichtete darüber; auf der Facebook-Site von profil sorgte dies für Wirbel. “Journalisten Terroristen, Ihr seit die Lügner der Nation“, erklärte der Facebook-User Manuel Fekete. “Ihr seid so armselige Würsteln ihr Lügenschreiberlinge“, schrieb Michael Reiter. “Ich kaufe keine Zeitung mehr. Hab es satt lügen zu finanzieren“, erklärte ein gewisser “Gil Li“. Christina Probst meinte: “geh komm bitte, selten so einen schlechten Bericht gelesen!“ Und der User “Le On“ wollte wissen: “was bekommen sie von der SPÖ für so Lügenberichte oder bekommen sie was von den Grünen????“
“Lügenpresse“ ist ein Kampfbegriff mit einschlägiger Geschichte. Schon im Ersten Weltkrieg diente das Wort zur Diffamierung ausländischer Medien. NS-Propagandaminister Joseph Goebbels schrieb später: “Ungehemmter denn je führt die rote Lügenpresse ihren Verleumdungsfeldzug durch.“ Eine Jury von deutschen Sprachwissenschaftern wählte “Lügenpresse“ zum Unwort des Jahres 2014.
Das Unfaire an dem Begriff ist, dass man sich nicht dagegen wehren kann. Schreiben Zeitungen, dass bei einer Pegida-Demo Neonazis aufmarschierten, dann heißt es: “Ist doch klar, dass die Lügenpresse nur sieht, was sie sehen will.“ Wird jedoch vermeldet, dass einmal keine Neonazis dabei waren, sagen die Poster: “Schau, selbst die Lügenpresse gibt uns Recht!“
In Wahrheit ist Pegida eine Parallelgesellschaft, die es sich im Internet bequem gemacht hat. Das Netz hilft Bewegungen, die vom Mainstream ausgeblendet werden – kritischen Bloggern in Ägypten ebenso wie Verschwörungstheoretikern in Österreich.
Online kann der Medienkonsum viel zielgerichteter stattfinden. In der eigenen Filterblase liest man hauptsächlich Medien, die das eigene Weltbild befördern. Auch der Facebook-Algorithmus begünstigt dies, denn er blendet Nachrichten ein, die einem vermutlich gefallen. Je öfter man mit einer Fansite interagiert, ihre Beiträge anklickt oder den “Gefällt mir“-Button drückt, desto wahrscheinlicher wird es, dass Facebook noch mehr Postings dieser Site anzeigt.
Dieser Mechanismus hilft Polemikern, die polarisieren und damit viele “Likes“ und Kommentare ernten. “Emotionale Inhalte funktionieren auf Facebook besser, das ist ziemlich logisch“, sagt der deutsche Politik- und Digitalberater Martin Fuchs: “Viele Menschen nehmen sich am Tag zum Beispiel nur 15 Minuten Zeit für Facebook. Sie scrollen über die Site und entscheiden im Bruchteil einer Sekunde, ob sie einen Beitrag liken oder nicht.“
Mit solch emotionalen Ansagen tun sich Populisten leichter als spröde, aber sachliche Politiker.
Fuchs geht so weit, zu behaupten: “Ohne Facebook gäbe es Pegida nicht.“ Denn bis auf das Internet verfügt die Bewegung über keine Infrastruktur, keine finanziellen Ressourcen und keine Unterstützung der etablierten Medien. Wie hätte man sonst jemals auf sich aufmerksam machen sollen?
Tatsächlich ging die Bewegung aus einer Facebook-Gruppe hervor, die der Deutsche Lutz Bachmann Anfang Oktober 2014 gründete und die heute rund 160.000 Fans hat. Viele der unzufriedenen Poster kamen aus Dresden und wollten auch auf die Straße gehen.
Neu sind ihre Vorurteile nicht, neu ist eher, dass es mit “Pegida“ nun einen Namen für die digitalen Wutbürger gibt, die an einen Kulturkrieg und an die “Lügenpresse“ glauben. Eine alternative Medienszene vertritt dieses Weltbild schon länger. Sehr populär ist das deutsche Blog “Politically Incorrect“ (pi-news.net). Die Site behauptet von sich selbst, im Jänner 100.000 Besucher im Schnitt pro Tag verzeichnet zu haben – angeblich ein neuer Rekord. “Solche Zahlen sollte man mit Vorsicht genießen, aber eines ist schon deutlich: Politically Incorrect ist eines der erfolgreichsten deutschen Blogs“, sagt die Rechtsextremismusforscherin und linke Aktivistin Natascha Strobl, die die neuen rechten Bewegungen beobachtet.
Die Site liefert tiefe Einblicke in eine Parallelwelt. Es gibt dort eigene Kategorien mit Namen wie “Bereicherung™“, “Christenverfolgung“, “Lügenpresse“, “Kolonisation Deutschlands“, “Hassreligion“, “Migrantengewalt“ und “Linksfaschismus“.
Einer der Autoren erklärt gegenüber profil: “In der Mainstreampresse wird der Islam grundsätzlich verharmlost. Die Bereiche Ausländerkriminalität, Asylmissbrauch und problematische Zuwanderung sind fast Tabuthemen. Daher braucht es Blogs wie PI, auf denen faktengestützt und tabulos informiert wird.“
Auch Politically Incorrect berichtete über die Wiener Pegida-Demo. Die gewaltbereiten Hooligans wurden dabei als Bürger dargestellt, “die ihren Ärger auf das System nicht so unter Kontrolle hatten“.
Sowohl im Netz als auch auf der Straße neigen Pegida-Sympathisanten dazu, sich abzuschotten. Ebenso verweigern sie das Gespräch mit Wissenschaftern. Deswegen gibt es noch keine soliden Hintergrunddaten zu den Demonstranten.
Mitte Jänner fuhren 58 Wissenschafter und Studierende aus Berlin und Chemnitz zum Pegida-Aufmarsch nach Dresden, um die Teilnehmer zu befragen. Ihre “Studie zu Pegida“ trägt den Untertitel “Protestforschung am Limit“, denn die Befragung dürfte sich schwierig gestaltet haben: “Einigen unserer BeobachterInnen, die die TeilnehmerInnen wegen unserer Umfrage ansprachen, begegnete ein Teil der Demonstrierenden ablehnend, aggressiv, vereinzelt auch mit sexistischen und rassistischen Bemerkungen. Hinzu kamen ein geradezu physisches Unwohlsein, teilweise auch Ängste bei ForscherInnen und HelferInnen.“ Sie sollten sich “verpissen“ und mit dem “Scheiß“ aufhören, bekamen sie zu hören. Ein Forscherteam soll angerempelt, einem anderen Gewalt angedroht worden sein.
Da nur wenige Pegida-Teilnehmer an der Umfrage teilnehmen wollten, ist sie nicht repräsentativ. Die wenigen, die antworteten, waren überdurchschnittlich gut gebildet, häufig handelte es sich dabei um Angestellte. Diese Gruppe scheint somit eher privilegiert und kein Zusammenschluss von “Modernisierungsverlierern“, etwa Langzeitarbeitslosen, zu sein, die es im Alltag tatsächlich schwer haben. Offenbar entfremdet sich sogar ein Teil der Bevölkerung, dem es an sich gar nicht so schlecht geht, von der Demokratie, meint der Konfliktforscher Andreas Zick von der Universität Bielefeld.
Die Verweigerungshaltung sei eine bewusst gewählte Methode, sagt Zick: “Es ist eine Strategie, da viele Demoteilnehmer in einem Gespräch rhetorisch versagen würden. Abschottung ist ein klassischer Propagandamechanismus. Man sagt den Menschen: Ihr seid ohnmächtig, euch wird das Wort verboten, nur wir geben euch den Raum, wo ihr frei sprechen könnt.“
Der Forscher wunderte sich nicht, als die Facebook-Site Pegida plötzlich populär wurde. Seit zwölf Jahren erhebt und dokumentiert er die Feindbilder der Deutschen, die starke Islamskepsis und Elitenschelte: “Wir sahen schon im Vorjahr bei unserer Studie namens ‚Fragile Mitte‘, dass es hier ein weit verbreitetes Gebräu solcher Meinungen gibt.“
Zu diesem Meinungsmix gehören auch Verschwörungstheorien. Auf der deutschen Pegida-Site mischen Anhänger der “Chemtrails“-These mit. Sie glauben, die Kondensstreifen am Himmel stammten nicht von Flugzeugen, sondern von der Chemieindustrie, die unsere Atmosphäre vergiften wolle. Solche User posten online etwa Fotos vom blauen Himmel mit weißen Streifen und schreiben darunter “ohne Kommentar“, so als würden diese Bilder schon ihre These belegen. Nicht umsonst wurde der Pegida-Slogan “Wir sind das Volk“ von Gegendemonstranten bald abgewandelt: “Wirr ist das Volk!“
Journalisten wundert, dass Pegida überhaupt so groß werden konnte, angesichts der Diversität und Widersprüchlichkeit der Bewegung. Besonders anschaulich lässt sich das am Beispiel Israel belegen: Einige der Sympathisanten, auch das Blog “Politically Incorrect“, bewundern und verehren diesen Staat, weil er ihrer Meinung nach ein Bollwerk gegen den Islam darstellt. Ein anderer Teil hingegen kommt aus dem deutschnationalen Lager, das antisemitisch geprägt ist und Israel ablehnt. Dieser latente Konflikt trat erst nach ein paar Wochen offen zutage, und man begann zu streiten – nicht zuletzt auch, weil die Gewaltbereitschaft Einzelner sichtbar wurde.
Zick selbst erlebt viele Anfeindungen. Schreibt man ihm ein E-Mail, wenn er gerade nicht auf seinem Platz ist, erhält man die automatische Antwort: “Ich bin in Sitzungen. Private Hassmails werden geprüft und notfalls verfolgt.“ Zick wird oft beleidigt und sogar bedroht. “Ich rede nicht gerne darüber“, sagt Zick, “weil das jene als Sieg werten, die einen einschüchtern wollen. Aber es geht durchaus gegen mich und mein Umfeld.“
In den vergangenen Monaten radikalisierte sich der Ton zusehends; erst kürzlich erhielten deutsche Journalisten, die über Neonazis schreiben, ihre eigene Todesanzeige online zugeschickt. Sind sich die Pegida-Sympathisanten und Anhänger der “Lügenpresse“-Rhetorik darüber im Klaren, welche Entwicklung sie hier fördern? Der Konfliktforscher glaubt das nicht: “Es ist wohl einigen bewusst geworden, was sie mittragen. Sie merkten, dass Teile der Bewegung an die Gewaltgrenze gehen, und das passte mit ihrem Selbstbild nicht zusammen. Sie glauben schließlich, sie sind ‚die Guten, die Toleranten‘.“
In gewisser Weise war das Phänomen Pegida von vornherein zum Scheitern verurteilt: Je sichtbarer es wurde, desto deutlicher kamen die inneren Konflikte zum Vorschein. Als ein Foto von Lutz Bachmann im Hitlerlook auftauchte, trat er zurück. Auch der österreichische Sprecher Georg Immanuel Nagel zog sich nach der missglückten Demo und einem tollpatschigen Fernsehauftritt zurück.
Pegida scheint schon nach wenigen Monaten angeschlagen, wenn nicht gar dem Untergang geweiht. Im Internet wird jedoch weiterhin im Zeichen des Hasses gepostet.
Denn vermutlich ist Pegida nur ein Symbol für eine größere gesellschaftliche Herausforderung, meint Zick: “So wie es Ausländer gibt, die tatsächlich ein Integrationsproblem haben, kann man über diese Staatsbürger sagen, dass sie ein Integrationsdefizit in Richtung unser Demokratie aufweisen.“
Dieser Artikel erschien in profil (Ausgabe 07/2015). Das Foto wurde von mir beim Wiener Pegida-Aufmarsch gemacht.
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Mich würde interessieren, wie es dir in und nach den 2 Wochen gegangen ist.
Aus dem Falter wissen ja alle, dass du dein Handy mit ins Bett nimmst ...
Gute Frage! Grundsätzlich war es angenehm, ich habe auf meinem iPhone den Mail-Account gelöscht, hatte gar nicht das Bedürfnis, all die eintreffenden Mails zu lesen. Doch dann habe ich selbst gegen mein Sabbatical verstoßen: Während der Feiertage hat sich bei mir etwas Privates ereignet und ich wollte meine Kollegen diesbezüglich verständigen. Nur was tun? Jeden einzelnen anrufen? An alle ein SMS? Mir schien E-Mail die beste Kommunikationsform und schließlich habe ich dann gemailt. So ganz habe ich mein Sabbatical also nicht eingehalten, aber trotzdem zwei Dinge gelernt: 1.) Es ist eine gute Idee, den Mail-Empfang am iPhone während des Urlaubs zu deaktivieren - das werde ich weiterhin machen. 2.) Ganz auf E-Mail zu verzichten, ist aber gar nicht so leicht, vor allem wenn man selbst einen großen Mitteilungsdrang hat. Mir ging eher das Mail-Versenden als das Mail-Empfangen ab...
OK. Das heißt ja wohl, dass du nur auf die Mails verzichtet hast. ;-)
Musste den Artikel noch mal lesen, um das zu verstehen. Dass heißt, du hast dich nur auf das "normale" Urlaubslevel runtergesetzt. Ich dachte, du willst es OHNE Internet schaffen. Sprich: OHNE Mail, OHNE Surfen, OHNE Online-Spiele - OHNE Internet eben.
Das hast du dir zu einfach gemacht, finde ich. Und dann nicht mal ganz eingehalten.
Ingrid ich habe heute leider kein Foto für dich ...
Interessanter Einwand - aus meiner Sicht habe ich das weggelassen, was mich während des Urlaubs am meisten stört (eben, dass ich trotzdem ständig E-Mails checke). Aber wenn ich zwischendurch nach einem guten Lokal google oder online einen Routenplan suche, stört mich keine Sekunde lang. Im Gegenteil: Ich würde es als extreme Benachteiligung empfinden, wenn ich in meiner Freizeit darauf verzichten müsste.
Natürlich kann man's auch so sehen, dass das nur ein Schmalspur-Sabbatical war. Den echten Offline-Test haben schon andere gemacht, zum Beispiel Alex Rühle für sein Buch "Ohne Netz". http://www.falter.at/web/shop/detail.php?id=33075&SESSID= Aber schauen wir mal, vielleicht wage ich mich doch noch über eine echte Auszeit drüber. Bisher verspüre ich jedenfalls nicht den Drang, das Internet gänzlich abzudrehen...
Da kommt also ein Gerät heraus, welches kleiner und leichter ist, doppelt so viel Prozessorleistung bietet, eine 9x schnellere Grafik, ein verbessertes Display, einen FullHD-Ausgang für externe Präsentationen und die Nachrüstung der viel bemängelten Kameras. Und das ist dann keine Innovation. Alright.
Ja, das ist eine Verbesserung, aber noch keine Innovation. Etwas anderes zu behaupten, ist echt gewagt.
11. Gebot - Du sollst Apple nicht kritisieren.
neuer Link für Conan O'Brien
http://teamcoco.com/content/apple-employees-can%E2%80%99t-help-gloat-about-new-ipad
Falls dich die Details interessieren sollten:
http://imgur.com/BghEN
Interessant, Danke für den Link! Diese komischen Geräusche hatten also einen Grund...
Und genau da liegt das Problem fuer
Wenn sich Werbepreise fuer Online Ads den Offline Ads, also Zeitungsinseraten, annaehern wuerden, waere die ganze Geschichte auch ohne Paywall finanzierbar. Denn zieht man bei einer Zeitung die Druckkosten und die Lieferkosten ab, bleibt unterm Strich auch nichts mehr uebrig (oder noch weniger). Zwar wird von den Werbeagenturen immer mehr Geld vom offline ins online advertising verschoben, doch hat das in den letzten Jahren nicht den erhofften Preisanstieg gegeben. Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass 15 Dollar pro User nur durch on page advertising praktisch nicht erreichbar sind. Selbst wenn die NYT pro 1000 aufgerufenen Seiten 10 Dollar bekommt (was derzeit eh nicht realistisch ist, eher 1/3 - 1/10 davon), muesste ein User 1500 Seiten pro Monat aufrufen um damit auf 15 Dollar zu kommen.
Andererseits stellt sich die Frage wie lange es dauern wird um den Aufwand, der die Implementierung und Wartung einer Paywall mit sich bringt, mit Abos zu finanzieren.
Ich bin auf jeden Fall gespannt wo das in den naechsten Monaten/Jahren hinfuehren wird :-)
Danke für den spannenden Einblick in die Zahlen! Was ich mich frage: Ist es realistisch, dass sich die Onlinewerbepreise irgendwann den Offlinepreisen angleichen? In den letzten Jahren ist das ja leider nicht passiert.
Im App-Store von Apple kommt übrigens ein neues Problem für die Zeitungshäuser hinzu: Da kassiert Apple 30 Prozent des Umsatzes ein, dazu gibt's auch wieder heftige Debatten (siehe zB http://www.tagesschau.de/wirtschaft/apple142.html).
Darauf kann man natuerlich nicht pauschal mit ja oder nein antworten. Da erstens die Werbeformen sowohl offline als auch online zu verschieden sind. Wenn man online Werbung auf Zeitungsportalen mit Zeitungsanzeigen vergleicht, wuerde ich eher dazu tendieren und "nein" zu sagen. Unterm Strich wird wohl in den naechsten Jahren immer noch mehr mit Zeitungsanzeigen zu holen sein. Doch koennen gewisse Online Kampagnen natuerlich ueber den offline Preisen liegen. Wenn zB gezielt Werbung fuer eine gewisse Zielgruppe geschaltet wird ("nur die 25-35 jaehrigen, alleinstehenden Maenner mit Sportwagen") sind die Preise dementsprechend hoeher.
Ich moechte auch noch anmerken, dass die Zahlen, die ich oben geschrieben haben nicht die wirklichen Zahlen der NYT sind. Es sind lediglich Schaetzungen aufgrund meiner Erfahrungen (beschaeftige mich seit 2001 mit Online Werbung und die Preise sind seither stetig gesunken - Ende 90er Jahre waren die Preise am ehesten mit Offline Preisen zu vergleichen). Darueber hinaus bin ich mir ziemlich sicher, dass die NYT bessere Preise fuer Online Kampagnen erzielt als irgendein 08/15 Blog. Trotzdem sind die Preise im Keller, auch wenn die NYT einen 50-fach hoeheren Preis bekommt :-)
Zu apple: der von dir verlinkte Artikel ist leider etwas einseitig geschrieben. Kurz die Gegenseite: Das mit den 30% stimmt. Allerdings nur fuer "neue" Kunden, also Kunden, die ueber die App angeworben wurden. Es steht jedem Verlag frei, ausserhalb des App Stores Abos zu verkaufen (die dann natuerlich auch innerhalb der App genutzt werden koennen). Fuer solche Verkaeufe bekommen die Verlage dann 100%. So das Argument von Apple.
Natuerlich sitzt der Dollar lockerer wenn man in der App ist, die Zahlungsdaten hinterlegt sind und man nur noch auf "abonnieren" druecken muss. Das weiss Apple natuerlich auch ...
Warum ich es schrecklich und unverständlich finde, dass so viele Leute so viel Geld für Dreckjournale ohne Wert ausgeben, während niemand für echten Journalismus zahlen will:
http://karinkoller.wordpress.com/2011/03/26/dinge-die-wir-hassen-frauenzeitschriften/
Selbstredend gibt nichts dagegen zu sagen für die NYT zu zahlen. Vielleicht nur, dass wir in seltsamen medialen Zeiten leben, wenn eine Journalistin eine Art Rechtfertigung dafür postet. Es ist aber auch mehr als nur "für guten Journalismus" zahlen - es ist ein Commitment zur Marke, zum Medium und wahrscheinlich eine Art Freude über das implizite Bildungsversprechen einer Zeitung wie die New York Times. Und unterstreicht den Mangel an solchen Angeboten in Österreich. Was ein derartiges Commitment zu geben zur Zeit schwer macht, ist die schiere mediale Vielfalt am Bildschirm. Ein zunehmend diffuser gewordenes Angebot, die oft zitierte mediale Herausforderung. Tageszeitung lesen, Magazine rezipieren und sich dann um die Feeds kümmern. Welches Medium greife ich heraus, um es finanziell zu unterstützen? - NYT, SZ, NZZ, FAZ,...,....,....,....,.....,...,....,....,....,.....,,...,....,....,....,.....,,...,....,....,....,.....,,...,....,....,....,.....,,...,....,....,.Glückwunsch, wenn man hier klar sieht und für sich zu einer Entscheidung kommt. Unglücklich hingegen finde ich die Formulierung "guter Journalismus". Was das ist, ist stets persektiven-abhängig und kommt meist oberlehrerhaft herüber. Ob die Strasser-Aufdeckung etwa ein Beispiel für "guten Journalismus" ist, halte ich etwa für dikussionswürdig - Büros mieten, Politiker in Versuchung führen usw. Eine Top-Story allemal. Aber "guter Journalismus". Naja, für mich verwunderlich. Aber egal. Schönes Wochenende.