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“Hass ist das richtige Gefühl gegen Nazis”

Nach den Ausschreitungen rund um die Hofburg: Wie denken die Betreiber der Seite nowkr.at? Wieso lehnen sie es ab, sich von Gewalt zu distanzieren? Ein Gespräch mit zwei Aktivisten und ein Einblick in ihre Gedankenwelt

Am 24. Jänner fand der Akademikerball in der Wiener Hofburg statt, der von der FPÖ organisiert wird und auf dem sich Burschenschafter und Rechte aus ganz Europa treffen. Erneut fanden Demos gegen diesen Ball in der Hofburg statt, bei denen es diesmal auch zu Ausschreitungen kam.  Insgesamt wurden fünf Beamte verletzt, 14 Menschen festgenommen, 30 Geschäfte beschädigt, lautete das vorläufige Resümee von Polizei und Wirtschaftskammer. Hier eine sehr gute Reportage zur Ballnacht.

Lukas und Tobi sind zwei Aktivisten von NOWKR, jenem linken Bündnis, das gemeinsam mit anderen Plattformen die Demo gegen den Akademikerball organisierte und mit einem angriffigen Slogan auffiel: “Unseren Hass, den könnt ihr haben.” Bei einem Gespräch im Café Merkur in Wien-Josefstadt erklärten mir die beiden Mittzwanziger, warum sie sogar gewalttätige Demonstranten verteidigen.

Falter: Derzeit wird viel über die Webseite nowkr.at geredet. Aber was ist die Plattform NOWKR eigentlich?

Lukas: Wir sind ein antinationales, antikapitalistisches Bündnis, das die Proteste gegen den Burschenschafterball organisiert. Wir betreiben die Homepage und liefern im Vorfeld auch theoretischen Background; so etwa war der Holocaust-Überlebenden Rudi Gelbard zu Gast bei uns.

Wer gehört zu diesem Bündnis?

Lukas: Wir sind Privatpersonen, als einzige Gruppe ist die autonome Antifa-Wien dabei.

Und Sie selbst? Sehen Sie sich als Autonome?

Lukas: Ja, schon.

Tobi: Schwierig: Da müssen wir zuerst eine lange Diskussion führen, was das heißt.

Lukas, was bedeutet das für Sie, dass Sie ein Autonomer sind?

Lukas: Das heißt, dass ich meine politische Praxis nicht unbedingt nach dem geltenden Recht ausrichte -also dass man geltendes Recht brechen kann, wenn es notwendig ist.

Bei der Demo wurde das Gesetz gebrochen: Fenster wurden eingeschmissen, Mistkübel demoliert. Jetzt gibt es die Forderung, dass Sie sich als Veranstalter klar von der Gewalt distanzieren. Wie denken Sie darüber?

Tobi: Das ist eine komplett irrelevante Frage. Als diese Ausschreitungen stattfanden, war die Demo schon aufgelöst. Wir haben keinen Einfluss darauf, was nach einer Demo passiert, die wir organisieren. Außerdem sind wir der Auffassung, dass es verschiedene Arten gibt, Protest auszudrücken. Diese gesamte Gewaltdiskussion ist absurd: Man schießt sich auf ein paar Fensterscheiben ein, die zu Bruch gegangen sind. Aber es ist genauso Gewalt, wenn 1000 Menschen im Mittelmeer ertrinken, weil sie die EU nicht hier leben lässt. Was sind ein paar kaputte Fensterscheiben gegen 1000 Tote im Mittelmeer?

Sie sprechen von verschiedenen Formen von Protest. Aber ist Protest in Ordnung, wenn dabei gezielt Dinge beschädigt werden?

Lukas: Da kann man keine pauschalen Aussagen treffen. In Dresden schützte die Polizei über Jahre hinweg den Naziaufmarsch. Dann kam es immer wieder zu Sachbeschädigungen. In meinen Augen ein legitimes Mittel, denn es zeigt der Polizei: Ihr könnt doch nicht Nazis beschützen!

Sie wollen keine pauschalen Aussagen treffen, aber was ist denn mit der einzelnen eingeschlagenen Fensterscheibe am Graben: War das okay?

Lukas: Das ist schwierig zu sagen: Die Proteste gegen den WKR-Ball sind eine Geschichte der Provokation. Heuer gab es eine Sperrzone, die größer war als beim Besuch des US-Präsidenten. Ich frage mich: Warum redet man nicht darüber? Ich selbst habe keine Fensterscheibe eingehaut, aber ich sehe mich nicht verpflichtet, mich öffentlich davon zu distanzieren.

Tobi: Wir haben auch nirgendwo zur Gewalt aufgerufen. Davon abgesehen: Der Wiener Gemeinderat hat nun beschlossen, dass der Akademikerball doch bitte nicht mehr in der Hofburg stattfinden soll, weil die Proteste und der Polizeieinsatz so viel Geld kosten. Im Nachhinein kann man sagen, dass das eine Art Druckmittel ist – wenn die Stadt Wien zulässt, dass Rechtsextreme und Holocaustleugner dort ungestört ihre Feste feiern können, dann muss sie mit einem hohen Sachschaden rechnen.

Ist das nicht Erpressung zu sagen, solange Rechte in der Hofburg tanzen, werden draußen Dinge kaputtgemacht?

Lukas: Na ja, Erpressung ist der falsche Ausdruck. Wie gesagt: In Dresden gibt es immer wieder Ausschreitungen, das ist nur die logische Konsequenz, wenn die Polizei solche Provokationen setzt.

Was kann ein Geschäftsmann dafür, dessen Fenster eingeschlagen werden?

Lukas: Der kann nichts dafür. Wir sehen das auch nicht als Kapitalismuskritik, das wäre verkürzt. Natürlich wollen wir nicht, dass deswegen irgendein Geschäft zugrunde geht, aber wir glauben, dass die alle recht gut versichert sind.

Warum fällt es Ihnen so schwer, Kritik daran zu äußern, dass Scheiben eingeschlagen werden?

Tobi: Das wäre ein Akt der Entsolidarisierung mit Leuten, die prinzipiell das gleiche Ziel haben wie wir, nämlich, erstens, den Wiener Akademikerball unmöglich zu machen, und zweitens, einen gesellschaftlichen Zustand herzustellen, in dem die Menschen ohne Angst verschieden sein können.

Bei Ihrem Demozug ist der schwarze Block sogar vorangegangen. Warum haben Sie als Organisatoren nicht dafür gesorgt, dass der schwarze Block weniger präsent ist?

Tobi: Diesen ominösen schwarzen Block gibt es doch so gar nicht. Das ist nichts, wo man eine Mitgliedschaft erwerben kann.

Stimmt, der schwarze Block ist eine Verhaltensweise auf einer Demo. Aber ich kann als Demo-Organisator sehr wohl versuchen, diese schwarz Vermummten zurückzuhalten. Man sieht immer wieder, dass friedliche Demonstranten Menschenketten zwischen dem schwarzen Block und der Polizei bilden.

Lukas: Warum sollten wir uns vor den schwarzen Block stellen? Wenn die es für richtig halten, eine Polizeikette zu durchbrechen, warum sollten wir dann dazwischengehen?

Die Antwort ist einfach: Weil dann die gesellschaftliche Akzeptanz dieser Demo größer wäre. Viele Menschen wollen sich nicht mit etwas solidarisieren, wo es zu Gewalt kommt.

Lukas: Das zeigt für mich: Der Antifaschismus ist in Österreich nicht mehrheitsfähig. Wir werden’s ohnehin nicht schaffen – egal, wie friedlich wir auf die Straße gehen -, dass plötzlich alle aufstehen und sagen: “Nie wieder WKR-Ball!”

Aber es gibt doch nicht nur null oder 100 Prozent Solidarität. Ich kann etwas für ein berechtigtes Anliegen halten, aber wir können über die Mittel streiten, die dafür eingesetzt werden sollen.

Lukas: Stimmt, ich finde es auch wichtig, über die Mittel zu diskutieren. Aber das tue ich nicht mit einer Öffentlichkeit, die nicht denselben Grundkonsens teilt wie ich. Das mache ich im kleinen Rahmen mit Leuten, die zum Beispiel ebenfalls anerkennen, dass Kapitalismus ein Gewaltverhältnis ist.

Das Ganze ist auch hochgekocht, weil der Slogan sehr provokant war.

Lukas: Stimmt, der Slogan sollte zum Nachdenken anregen, ob man Nazis wegkuscheln kann oder ob Hass als Gefühl legitim ist. Der Satz stammt aus dem Lied “Scheiß-Rassisten”, das von der Ermordung des Antifaschisten Silvio Meier handelt. Da heißt es: “Unseren Hass, den könnt ihr haben, unser Lachen kriegt ihr nicht.” Es soll zeigen: Hass ist ein unangenehmes Gefühl, aber es ist das richtige Gefühl gegenüber Nazis.

Der Slogan war groß auf Ihrer Webseite zu lesen. Warum stellen Ihnen ausgerechnet die Jungen Grünen die Domain zur Verfügung?

Tobi: Es sollte eine Art von Schutz sein. Wäre die Webseite auf eine Einzelperson angemeldet, hätte diese Person garantiert Probleme bekommen, sei es von staatlichen Repressionsbehörden oder von aggressiven Neonazis.

Und wie geht es nun weiter mit der Seite?

Tobi: Ich weiß es nicht. Derzeit schaut es so aus, als sei die Seite nowkr.at nicht mehr verfügbar. Allerdings haben uns nun schon andere Gruppen angeboten, uns zu helfen, sollten die Jungen Grünen das nicht mehr tun.

 

Dieses Interview erschien in Falter 6/14. Der obige Screenshot stammt von der Webseite nowkr.at, wie diese früher aussah, sieht man mittels Wayback Machine des Internet Archive

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    Lieben Gruß
    Christian Lang

  • Ich denke in der Diskussion werden gerade einige (juristische) Aspekte vermischt, die man auseinander halten und nicht in eine Topf werfen sollte.

    1. Es gibt eine Regelungslücke. Es ist sicher ein Problem, dass sich Frauen die derart extrem obszön beleidigt werden strafrechtlich nicht wehren können. Zivilrechtlich könnte frau den Absender wohl auf Unterlassung klagen. Einen Straftatbestand kann das aber natürlich nicht setzen. => hier muss der Gesetzgeber was tun. Zb die erwähnte deutsche Regelung übernehmen.
    2. Die Anfeindung von Frauen die sich währen: Das ist ein gesellschaftliches Problem und muss politisch/gesellschaftlich diskutiert und geändert werden. Z.B. durch Bewusstseinsbildung in Schulen etc.
    3. Die Rechte (mutmaßlicher) Täter. Auch wenn es vielen gerade nicht passt. Rechtsstaat heißt: Auch Arschlöcher haben Rechte. Z.B. gewisse Persönlichkeitsrechte, selbst wenn mann Täter ist. Der „steirische Arzt mit dem Spitzenpolitiker-Bruder“ wird in Medien nicht mit vollem Namen genannt. Obwohl absolut glaubwürdig ist, dass er ein richtiger Ungustl ist, hat er Persönlichkeitsrechte und es gilt für Ihn die Unschuldsvermutung. Gleiches gilt für den „niederösterreichischen Medienmanager“ der im Suff seinen Freund mit dem Motorboot überfahren hat. Der ist mittlerweile rechtskräftig verurteilt und durchaus eine Person öffentlichen Interesses. Trotzdem nennen Medien seinen Namen nicht.

    Der Twitter-Pranger und ein virtueller Lynchmob sind keine Lösung für die Probleme 1. und 2. Und das soll auch so bleiben. Maurer hätte die Nachrichten anonymisiert veröffentlichen sollen und den Typen (wenn möglich) klagen/anzeigen sollen

    • zu 1. Nein, Beleidigungen unter Erwachsenen müssen vollkommen straffrei bleiben, solange es zu keiner Bedrohung oder sonstigen Straftat kommt. Für Kinder gilt das natürlich nicht, weil diese Beleidigungen durch Erwachsene als Bedrohung empfinden. Auch, wo ein Machtgefälle herrscht, muss es Ausnahmen geben. Ansonsten muss es unter gleichberechtigten Erwachsenen - und um die handelt es sich bei Sigrid Maurer und Bierkraft - völlige Freiheit geben.
      zu 2. Hier müssen sich vor allem Frauen ändern. Dieses "Tante! Der blöde Bub war gemein zu mir!" von Sigrid Maurer war zum Fremdschämen. Sie braucht offensichtlich einen Kurs in Facebook. Die Kinder lernen das heute schon in der Schule. Sigrid Maurer hat das wohl verpasst.
      zu 3. vollste Zustimmung. Im konkreten Fall wurde die Privatsphäre des Absenders verletzt, indem seine Korrespondenz veröffentlicht wurde. Ich gehe davon aus, dass er es war, und glaube ihm nicht, dass ein Phantom in sein Geschäft geschlichen ist. Trotzdem hat er das Recht, dass seine - auch tiafsten - Ergüsse dort bleiben, wo er sie erzeugt hat - im Privatbereich. Sigrid Maurer und andere social-media-User müssen den Unterschied zwischen privat und öffentlich lernen, und die Grenze respektieren. Ich kann einer Freundin Hassnachrichten am Handy zeigen, aber nicht allen meinen Followern. Die dann hingehen und Bierkraft aufs Geschäft spucken.

      Aber den letzten Satz verstehe ich nicht. Auf was hätte sie ihn klagen bzw. wegen was anzeigen sollen?

  • Es ist schade, dass es in vielen Diskussionen zum Thema scheinbar(!) hauptsächlich um Frauen geht. Der Schein trügt: Auch Männer können sich aufgrund dieses Urteils - sofern es stand hält - nicht mehr effektiv vor Stalking und Mobbing schützen.
    Da wäre es wirklich wundervoll, wenn wir einfach mal von MENSCHEN sprechen. Dann fühlen sich hoffentlich wieder mehr Leute angesprochen, sich für eine bessere Gesetzgebung einzusetzen.

    • Zustimmung zur Frage des Geschlechts. Es wird auch nicht möglich sein, das Gesetz geschlechtsspezifisch zu formulieren, obwohl es natürlich so gemeint ist - Frauen Opfer, Männer Täter.
      Aber wo ich widersprechen muss, ist dass sich Beleidigungsopfer aufgrund dieses Urteils nicht mehr effektiv vor Stalking und Mobbing schützen können. Das ist nicht richtig. Stalking ist als beharrliche Verfolgung verboten und strafbar und hier außerdem nicht passiert, Mobbing ebenfalls nicht, weit davon entfernt. Es hat nur ein Facebook-Account eine Abgeordnete beleidigt. Das kommt bei Politikern sehr oft vor. Üblicherweise besitzen diese aber die persönliche Reife, damit nicht an die Öffentlichkeit zu gehen. Auch als Nichtpromi kann man solche Nachrichten einfach löschen, oder den Absender blockieren, oder einfach davon unberührt bleiben. Wenn man einen Kommunikationskurs gemacht hat, können sich daraus sogar nette Gespräche entwickeln.

  • Ich finde den Blogbeitrag interessant, aber etwas doof dass es nur auf Frauen bezogen ist. Auch Männer können obszöne Botschaften erhalten! Sollte alles auch etwas geschlechtsneutraler betrachtet werden!

    • Nicht nur. Solange es privat bleibt, ist es maximal lästig. Erst wenn sich ein bedrohliches Muster abzeichnet, sollte der Staat einschreiten. Aber passende Gesetze gibt es jetzt schon. Neue Gesetze für beleidigte Frauen würden sich verheerend auf die gesamte zwischenmenschliche Kommunikation auswirken.
      Potenziellen "Tätern" muss klar sein, wen sie vor sich haben, einen Erwachsenen oder ein Kind in einem Erwachsenenkörper. Sie haben einfach das Recht zu wissen, mit wem sie reden. Ob ein böses Wort adäquat gekontert wird, oder ob das Baby zum Weinen anfangt. Man ist sonst ständig mit einem Bein im Häfen.

  • Warum muss sich eine Frau dagegen "wehren". Wenn sie unaufgefordert solche Nachrichten bekommt, kann sie sie einfach ignorieren. Wenn sie etwas dazu beigetragen hat, ist es IHR Konflikt genauso wie der des Absenders, auf jeden Fall aber privat.
    Und grundsätzlich sind Frauen nicht schützenswerter als Männern, denn wir haben Gleichberechtigung, und sexuelle Beleidigungen nicht schlimmer als andere.
    Ja, eine erwachsene Frau muss das aushalten. Und ein Promi noch mehr.
    Ich möchte jedenfalls nicht per Gesetz auf die Stufe eines wehrlosen Kindes gestellt werden, nur weil ich eine Frau bin, und werde mich, falls es soweit kommt, dagegen wehren. Ich kann mit beleidigenden Nachrichten nämlich selbst ganz gut umgehen und möchte auch die Hoheit darüber behalten. Ich brauch keinen "Tante, der blöde Bub was gemein zu mir!"-Alarmknopf. DAS ist dann eine Beleidigung, mit der ich nicht umgehen kann.

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