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“Du solltest es mögen, gefickt zu werden“

Die Musikerin Amanda Palmer sammelte online 1,2 Millionen Dollar. Ein Gespräch über das Leben als Künstlerin in digitalen Zeiten

Interview: Gerhard Stöger & Ingrid Brodnig

Sie nennt sich kaum zufällig Amanda Fucking Palmer: Die als Teil des Cabaret-Punk-Duos The Dresden Dolls bekannt gewordene US-Musikerin flucht mit Leidenschaft und nimmt sich nie ein Blatt vor den Mund. Einen untergriffigen Text der britischen Zeitung Daily Mail beantwortete sie heuer im Sommer mit einer pointierten Nacktperformance (auf Youtube unter “Dear Daily Mail“ zu finden), die Scharmützel mit ihrem alten Plattenlabel trug sie öffentlich aus. Die Aufregung um ihr aktuelles Soloalbum “Theatre Is Evil“ hatte andere Gründe: Amanda Palmer sammelte auf dem Onlineportal Kickstarter dafür 1,2 Millionen Dollar und finanzierte es so zur Gänze über das Internet. Das Gespräch fand am Rande ihres umjubelten Auftritts beim Blue Bird Festival im Porgy & Bess statt.

Falter: Sie standen jahrelang beim großen Plattenlabel Roadrunner unter Vertrag. Warum haben Sie Ihr aktuelles Album über die Crowdfunding-Plattform Kickstarter finanziert?

Amanda Palmer: Die Ehe mit Roadrunner war einfach eine Katastrophe, daher habe ich die Scheidung gefordert. Ich stand dann vor der Frage, ob ich zu einem Independent-Label gehe oder mich selbst um alles kümmere. Kickstarter erschien mir der praktischere Weg. Jetzt lebe ich mit meinen Fans quasi in einer offene Beziehung, und die funktioniert bisher sehr gut.

Wird unabhängig produzierte Popmusik künftig vor allem über Seiten wie Kickstarter finanziert?

Palmer: Man sollte das nicht zu hoch hängen. Aber einigen Künstlern erleichtert das sicher die Arbeit. Man kann heute dank dem Internet unmittelbar mit seinem Publikum kommunizieren, und künftig wird diese direkte Zusammenarbeit zwischen dem Künstler und Publikum noch zunehmen. Deswegen ist Crowdfunding sicher keine Mode, die vorübergeht.

Aber ist es eine Antwort für alle?

Palmer: Nein! Für mich hat das wunderbar funktioniert, aber Kickstarter ist gewiss nicht die Antwort auf die Krise der Musikindustrie, es ist ein möglicher Weg aus der Krise. Ein Weg allerdings, für den gewiss nicht jeder geeignet ist.

Es scheint, als Musiker muss man heute auch Experte in Sachen digitaler Selbstpromotion sein. Sollten sich Künstler nicht lieber auf ihre Kunst konzentrieren?

Palmer: Klar, aber so läuft es leider nicht – so lief es nie. Künstler mussten sich immer schon mit allerlei Bullshit herumschlagen, durch die technologische Veränderung hat der Bullshit eben eine andere Farbe bekommen. Denken Sie nur an Mozart, Bach oder Andy Warhol. Auch bei denen findet man verrückte Geschichten, wie sie vor dem Ruhm die Miete finanzierten.

Kurz: Die Kunst ist ein hartes Brot?

Palmer: Sagen wir so: Du solltest es mögen, gefickt zu werden. Denn in dem Moment, in dem du dich für ein Leben als Künstler entscheidest, nimmst du das in Kauf.

Mozart wurde von Mäzenen durchgefüttert. Ist Crowdfunding die Fortführung dessen? Jetzt füttern Internetuser die Musiker durch?

Palmer: Musiker verheimlichen oft, wo ihre Unterstützung herkommt. Wohl auch wegen dieses romantischen Ideals des Künstlers als leidender Seele, für die nichts anderes zählt als die Kunst. Auch ich musste mir für das erste Dresden-Dolls-Album Geld von meinem Onkel ausborgen. Habe ich das herumposaunt? Nein. Dabei ist das nichts Beschämendes: Viele Bands brauchen anfangs einen reichen Kumpel oder einen wohltätigen Exzentriker, der sie unterstützt.

Warum ist die künstlerische Unschuld ausgerechnet im Pop so ein großes Thema?

Palmer: Gute Frage. Ich kann nur sagen: Es ist doch toll, wenn ein Freak mit Geld in deine Band anstatt in eine neue Rolex investiert! Bei einer Konferenz über neue Medien habe ich dazu kürzlich einen interessanten Vortrag über Henry David Thoreau gehört.

Thoreau lebte im 19. Jahrhundert, was hat der mit neuen Medien zu tun?

Palmer: Für sein wichtigstes Werk, “Walden“, zog sich Thoreau in die Wälder zurück und lebte dort. Viele wissen aber nicht: Wenn Thoreau hungrig war, brachten ihm seine Mutter und seine Schwester Donuts, wenn es im Wald zu kalt wurde, schlief er bei ihnen zu Hause. Die Pointe des Vortrags lautete: Nehmt die verdammten Donuts! Genau darum geht es: Man muss sich als Künstler nicht genieren, Hilfe anzunehmen, und es ist toll, wenn Menschen Hilfe freiwillig anbieten.

Viele Österreicher kennen Ihre Musik aus der TV-Werbung, seit Jahren läuft der Dresden-Dolls-Song “Coin-Operated Boy“ in Darbo-Spots. Fällt das auch unter “sich helfen lassen“?

Palmer: Ich wäge von Fall zu Fall ab, ob ich meine Musik für Werbung freigebe. Meistens sage ich Nein, bei Darbo fand ich es aber okay. Mir hat auch noch niemand vorgeworfen, ich hätte mich für Marmeladewerbung verkauft. Und wissen Sie was: Bis heute finanziert Darbo den Dresden Dolls die jährliche Gesundheitsversicherung. Das ist doch toll.

Bei Ihrer Crowdfunding-Kampagne haben rund 25.000 Menschen insgesamt 1.192.793 Dollar bezahlt. Was haben Sie mit so viel Geld angestellt?

Palmer: Bei einem Blick auf meine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung würden Sie aus allen Wolken fallen. Zuerst einmal musste ich die Schulden zurückzahlen, die ich mit der Aufnahme des Albums angehäuft hatte. Dann mussten all die Produkte, von der CD über die Vinylschallplatte bis zum Kunstbuch, produziert und alle beteiligten Künstler bezahlt werden. Dummerweise hatte ich auch allen Unterstützern einen weltweit kostenlosen Versand versprochen. Das alleine hat mich dann 300.000 Dollar gekostet.

“Hurra, ich bin reich!“, haben Sie sich also nie gedacht?

Palmer: Nein, keine Sekunde. Ich bin aber glücklich, wie gut es lief.

Ihre zwei teuersten Kickstarter-Pakete kosteten 5000 und 10.000 Dollar. Wer kauft sich das?

Palmer: Die Leute fragen immer: Sind das verrückte Reiche oder Stalker? Weder noch. Um 5000 Dollar spielte ich ein Privatkonzert. Da haben oft 50 Leute zusammengelegt, damit ich bei ihnen zu Hause spiele, speziell in Gegenden, wo ich sonst nie auftrete.

Zwei Leute haben auch 10.000 Dollar bezahlt. Wer war das?

Palmer: Die eine war eine schüchterne Frau in Washington. Für 10.000 Dollar hätte ich sie gezeichnet, aber das wollte sie gar nicht. Sie hatte ein dreijähriges Kind und war wieder schwanger, also haben mein Mann Neil und ich im Kinderzimmer ein Wandbild gestaltet. Der zweite Fan lebt in Australien und leistete sich das im Gedenken an einen verstorbenen Freund.

Gab es auch Fans, die meinten, Sie hätten Besitzansprüche an Ihnen, weil sie auf Kickstarter für Sie zahlten?

Palmer: Nein, aber meine Fans kennen mich und wissen, ich würde sie auslachen. Sie sollen auch nicht alles bedingungslos gut finden, was ich mache. Sonst wäre ich ja keine Künstlerin mehr, sondern eine Sektenführerin.

Was ist der Unterschied, wenn man nicht mehr bei einer Plattenfirma, sondern über Crowdfunding bei seinen Fans unter Vertrag steht?

Palmer: Es gibt nicht mehr den Druck, Geld für andere machen zu müssen. Beim Label gab es einen Typen in der Finanzabteilung, der quartalsmäßig Berichte über die Dresden Dolls vorlegte: Wie viel hatten wir ausgegeben? Wie viel hatten wir verdient? Nur das entschied, wie das Label über uns dachte. Die Kunst war zweitrangig.

Aber die Dresden Dolls waren doch eine erfolgreiche Band?

Palmer: In meinen Augen schon. In den Augen des Labels nicht. Unser Debütalbum lief extrem gut und Roadrunner dachte, der Nachfolger würde zehn Mal so viel verkaufen. Als das nicht funktionierte, widmeten sie ihre Aufmerksamkeit wieder Millionensellern wie Nickelback und Slipknot. Wir waren komplett gegenteiliger Ansicht darüber, was Erfolg bedeutet.

Sie haben den großen Popstartraum wirklich nie geträumt?

Palmer: Nein. Hätte uns der Zufall über Nacht in andere Erfolgsdimensionen katapultiert, wäre das wie Gift gewesen. Ich mag es, nahe an meinem Publikum zu sein. Bist du erst einmal Madonna, führt kein Weg zurück.

Wie meinen Sie das?

Palmer: Als Kind war Madonna für mich überlebensgroß. Die Idee, je Kontakt mit ihr zu haben, erschien mir völlig unvorstellbar. Aber was hat ihr der spektakuläre Erfolg denn gebracht? Sagen wir so: Ich glaube nicht, dass Madonna der glücklichste Mensch der Welt ist. Für mich selbst suchte ich einen anderen Weg: Wie kann ich so menschlich wie möglich sein und trotzdem diesen Job haben?

Und hat es funktioniert?

Palmer: Fuck ja. Ich bin tatsächlich ein großes Glückskind, ich komme nach Wien, habe zwei Stunden lang meinen Spaß auf der Bühne und werde auch noch dafür bezahlt.

Was können junge Musikerinnen und Musiker von Ihnen lernen?

Palmer: Ich habe nur einen Ratschlag: Verbringt Zeit mit euren Fans, setzt euch mit ihnen auseinander, sammelt ihre E-Mail-Adressen, bleibt in Kontakt! Bei jedem einzelnen Konzert achte ich als Erstes darauf, ob auch ja beim Merchandise-Stand eine Mailingliste liegt, auf der man sich eintragen kann. Myspace, Facebook und Twitter kommen und gehen, E-Mail wird bleiben. Wie soll ich sonst die Leute erreichen, wenn ich das nächste Mal nach Wien komme?

 

Zur Person:

Amanda Palmer wurde 2004 mit den Dresden Dolls berühmt, der größte Hit des US-Duos, “Coin-Operated Boy“, läuft noch heute in der Darbo-Werbung. Mittlerweile vor allem solo aktiv, hat die Musikerin ihr aktuelles Album via Kickstarter finanziert; sie bloggt, twittert und gilt als “Social-Media-Queen“. Palmer ist mit Autor Neil Gaiman verheiratet

Zum Album:

“Theatre Is Evil“ von Amanda Palmer & The Grand Theft Orchestra ist 2012 auf 8 ft. Records erschienen, dem Label der Künstlerin

 

Dieses Interview von Gerhard Stöger und mir erschien in Falter 51/13. Foto: Karin Wasner (oben), Albumcover “Theatre is evil” (unten) 

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  • Es scheint doch eine ähnliche Situation wie in einer realen Gruppe zu bestehen: wenn jemand sagt "Leitln DER Ton muss aber net sein", bewirkt es allein noch keine Änderung, wenn es mehrere werden, wirkts dann doch.

    Aber die Inhaber tun so, als wären sie vollkommen machtlos dem Gerülpse ausgeliefert. Herzlichen Dank für den "Weckruf".

    • Ich glaube, dass viele Menschen (mich eingeschlossen!) oftmals den Fehler machen, sich von der Unmittelbarkeit und der Synchronität des Internets bzw. von Online-Medien dazu hinreißen zu lassen, Gedanken aus einer ersten Emotion heraus ungefiltert und unüberlegt preiszugeben (das mag auf den ersten Blick ein klassisches "Henne-Ei-Problem" sein - das es das nicht ist, versuche ich ganz unten zu argumentieren).

      Neben der Diskussion darüber, wie wir mit der Anonymität im Netz umgehen, brauchen wir, wie Sie völlig richtig schreiben, eine Diskussion darüber, wie Menschen dazu gebracht werden können, konstruktiv-kritsche Postings zu verfassen, ohne beleidigend zu werden und einen Diskurs darüber, welche Rolle die Medien in diesem Prozess spielen (wollen).

      Noch viel stärker, und das ist wahrlich kein Thema der sozialen Medien alleine, müssen wir uns jedoch vergegenwärtigen, dass jeder Mensch (zumindest jeder geistig und körperlich gesunde) für sein eigenes Handeln und Tun selbst verantwortlich ist und sich die Konsequenzen daraus stets gefallen lassen muss. Selbst wenn der KI Kants alleine hier zu kurz greift, erscheint mir der philosophische Diskurs darüber aktueller denn je.

      Autonomie und Freiheit, die wahrscheinlich größten Errungenschaften unserer westlichen Welt, entbinden (gerade deshalb!) nicht von individueller Verantwortung für die Gesellschaft. Die Abschaffung der Anonymität im Netz würde wahrscheinlich einen kleinen Beitrag zu weniger Shitstorms leisten - einen entscheidenden Schritt weiterbringen würde sie die Gesellschaft respektive Gesellschaften, offline, wie online, allerdings nicht.

      • Danke, sehr gut gesagt. Ich glaube, wir müssen online Umgangsformen und auch technische Sicherheitsmechanismen entwickeln, die diese individuelle Verantwortung für die Gesellschaft fördern. Es ist aber nicht so, als gäbe es keine Ideen. Das Spannende ist sogar, dass sich derzeit sehr viel tut. Österreich ist nicht das einzige Land, wo genau das diskutiert wird, und vielerorts gibt es spannende Ansätze - siehe auch die Links oben zu den Lösungsansätzen. Ich habe Gefühl, dass dies immer mehr Menschen bewusst wird und auch bewusst wird, dass es hier nicht allein um die Anonymität geht.

  • ich möchte nur anmerken, dass nicht jeder klarname in facebook dem wirklichen namen des dahinterstehend users entspricht. und die foruminternet explosion 4chan hat schon bewiesen, dass anonymität derbe konsequenzen mit sich bringen kann.
    lg,
    acjsvgcyhnsakux

    • Jö, endlich trifft man dich mal wieder! Lieber acjsvgcyhnsakux, ich dachte schon, du hättest dich völlig in die Untiefen des IRC zurückgezogen.

    • Absolut, vor allem so ein radikales Anonymitätsmodell wie jenes auf 4Chan führt dazu, dass viele User noch enthemmter sind. Das sieht man dort sehr deutlich. Ich warne nur davor, die Anonymität als einzigen Grund für die Enthemmung im Netz zu sehen.

  • Dass sich manche Lobbyisten für Klarnamen einsetzen, ist nicht verwunderlich. Schließlich geht es dabei auch um WhistleblowerInnen, welche anonym bleiben wollen. Und nichts scheuen manche Lobbyisten mehr als WhistlebloweInnen.

  • Die Frage ist auch, WARUM sich Rosam für Klarnamen einsetzt. Als Gutmensch ist er ja gerade nicht bekannt oder irre ich mich da?

  • Was ich noch hinzfügen möchte:

    Der Ton wird auch dadurch verschärft, dass man nix zurücknehmen kann, wenn man einfach loslegt. Die Aufzeichnug bleibt sichtbar.
    Es gibt keine Editierfunktionen. Bleibt nur eine Entschuldigung, die man anfügt.

    Dass keiner der Poster die Frau Brodnig anschrieb geantwortet hat, heißt womöglich, dass den Leuten im Nachhinein nicht ganz wohl zu Mute war.

    Gehört am Rande zum Thema:
    Das Recht auf Vergessen für alle Foren einforderbar machen ?
    Nach ~3 Jahren soll auf Aufforderung gelöscht werden müssen.
    Es gibt Für und Wider.
    Wäre womöglich bei Sach-Foren schade.
    Ich stolpere manchmal über Sachbeiträge von 2006 !

    • Sorry, der Link war falsch. Jetzt sollte es passen. Danke für Hinweis!

  • Ich find ihre Reaktion grundsätzlich gut. Sie tritt für ihre Meinung ein. Aber: Peinlicherweise ist ihr Text in Interpunktion und Rechtschreibung nicht korrekt. Und das als Unterrichtsministerin. Sorry, aber das find ich doch etwas peinlich. Man kann über die Bundeshymne denken, wie man will, aber sie hätte es besser machen können. Hätte Frau Heimisch-Hosek es besser machen müssen? Naja… Als Unterrichtsministerin???

    • Inwiefern ist denn die Interpunktion und Rechtschreibung falsch? Weil "vielgerühmtes" groß geschrieben ist? Ich muss gestehen, mir fiel da gar kein Fehler auf, aber natürlich ist das ein bisserl peinlich für die Unterrichtsministerin. Ob man deswegen einen Shitstorm und so viel Aggression verdient? Wohl eher nicht. Aber ich vermute, da sind wir eh einer Meinung..

      • Natürlich ist es peinlich, aber meiner Meinung nach ist das nicht der Grund des Shitstorms. Die Ministerin hat in ihren Ressorts bis heute absolut nichts weitergebracht. Ganz im Gegenteil: ein ständiges Buckelmachen vor Gewerkschaften und Beamten kennzeichnet ihre Tätigkeit. Und dann stellt sie sich als Oberlehrerin mit einem Tafel zum unwichtigsten Thema hin? Ich verurteile diese Art des Shitstorms, aber auch ich empfinde das als präpotent und abgehoben. Wie sie sicherlich wissen hat diese Ministerien erst vor kurzem eine Genossin vom Rednerpult verwiesen., weil ihr der Inhalt nicht gepasst hat. Wer derart austeilt, muss letztendlich auch einstecken. Oder vielleicht endlich bei wichtigen Themen etwas weiterbringen. So wie die gesamte Regierung überhaupt.

        • Dass viele enttäuscht sind, weil im Bildungsbereich keine Reformen kommen, glaub ich sofort. Bin mir nur ehrlich gesagt nicht sicher, ob die Wut gegenüber Heinisch-Hosek tatsächlich aufgrund der fehlenden Reformen in ihrem wichtigen Ressort entspringt oder sie da generell der Blitzableiter für die diffuse Wut gegenüber der Regierung ist - womöglich eine Mischung. Hinzu kommt auch noch die ganze Heimatsdebatte, für die die Hymne ein Synonym ist. Bernhard Schindler hat dazu gut gebloggt, siehe http://bernhardschindler.net/hymnen-debatte/

          Danke für den Hinweis auf die Szene, in der die Ministerin die junge Genossin zurechtweist! Hier nochmal das Video https://www.youtube.com/watch?v=G-tZR4YH6j8 - ich muss bei diesen Ton immer an die eigene Schulzeit denken. Wirkt echt sehr lehrerhaft!

          • Ich bin mir sogar sicher, dass diese Wut an die gesamte Regierung gerichtet ist. Und wenn sich wieder nur irgendwie ein kleines Ventil öffnet, wird diese Wut wieder ausbrechen. Trotzdem bin ich mir auch sicher, dass sich der Großteil denkt "Gibt es wirklich nichts Wichtigeres?" Aber genau so arbeitet die Regierung; ablenken wo es nur möglich ist.

            Danke übrigens für den Link. Habe mir das schon seit längerem nicht mehr angesehen, GENIAL bleibt der Satz: "..und wie demokratisch wir sind zeigt sich darin, dass wir auch Gäste reden lassen; ich werde mir das noch einmal in den Statuten genau ansehen..."

          • "... weil im Bildungsbereich keine Reformen kommen" finde ich lieb. Die Grundsatzdebatte (Gesamtschule) wird zwischen ÖVP und SPÖ seit den 1920-er Jahren (!) diskutiert. Ergebnis nach fast hundert Jahen: Nahezu null.

            Zweiter Gesichtspunkt: Wenn eine Ministerin ihre Zeit dafür verwendet, andere Menschen "zurechtzuweisen", dann ergibt sich die Frage, ob Sie ihre Prioritäten richtig setzt. Gerade in ihrem Gebiet.

            Dritter Gesichtspunkt: Welche Art von Öffentlichkeitsarbeit wird denn in diesem Ministerium gemacht? Hat da niemand ein Gespür dafür, was so ein Bild (Ministerin mit Zeigefinger auf die rot markierte Textstelle der Hymne) auslösen wird? Ich war entsetzt, als ich das Bild gesehen habe...

    • "Vielgerühmtes" ist deshalb groß geschrieben, da es sich hier um "Lyrics" bzw. ein Versmaß handelt, denke ich.

      • Ich denke auch, dass die Großschreibung hier im Zusammenhang damit steht, dass der Text der Hymne in Versform geschrieben ist. Diese Art der Schreibung ist mittlerweile etwas aus der Mode, daher wirkt sie wahrscheinlich auffällig.

  • ich diskutiere nicht deshalb nicht mit, weil ich angst vor kritik hätte, sondern weil das niveau (oft) deratig tief ist, daß ich keine lust habe darauf zu antworten und es tlw. auch nicht möglich ist. was habe ich David R. mit sei´m “Halt doch s maul he”, schon zu sagen?

    • Mir wär spontan: "Sei ein Gentleman und geh' mit gutem Beispiel voran!" eingefallen.
      Aber ja, wie heißt's so schön: Streite Dich nie mit Idioten. Die ziehen Dich auf ihr Niveau herunter und schlagen Dich dann mit Erfahrung…

      • Das Problem ist leider, dass genau durch diesen harten Ton oftmals jene Stimmen verstummen, die eben nachdenklicher oder etwas leiser wären. Und das führt mitunter dazu, dass man online meist jene hört, die hauptsächlich schreien. Ein Beispiel: Manche User posten in Zeitungsforen einmal, weil sie nur eine Sache zum Sagen haben, nur einen Gedanken beisteuern wollen. Manche posten hundert Mal, und weil in den meisten Foren der neueste Beitrag immer der oberste ist, sieht man zuerst diese lauten Stimmen - und die weniger lauten findet man mitunter gar nicht, weil sie erst an Stelle 371 im Forum (also total vergraben) sind

  • Imho wird in die Sache zu viel hineininterpretiert: Wir leben in einer Zeit, in der bestimmte Arbeitsgruppen immer mehr buckeln müssen, damit am Ende trotzdem weniger übrig bleibt. Die Menschen kochen innerlich und der Zorn wird eben abgelassen, wenn "die da oben" solche lächerlichen Aktionen abziehen, anstatt endlich mal richtige Brocken anzupacken. Und ja, sicher ist das ein Problem, allerdings nicht, wie es hier im Fazit erwähnt wird. Meine Sorge ist, dass sich die Shitstorms eines Tages (und ich rechne damit, dass das in sehr naher Zukunft sein wird) auf die Straße verlegen werden und wir Ukraine-ähnliche Zustände haben werden...

    • Muss gestehen, das glaube ich nicht. Erstens ist die Situation in der Ukraine kaum mit der unseren vergleichbar, auch wenn viele sicher unzufrieden sind. Und zweitens, glaube ich, sieht man da eine Wut, die es womöglich auch schon früher gab - nur wurde sie halt in kleineren Kreisen geäußert, am Stammtisch, beim Abendessen, im Büro. Die große Veränderung ist, dass das Netz all dies sichtbar macht. Und hinzu kommt, dass im Netz viele Schranken wegfallen, die dazu führen, dass sich Menschen eine Spur freundlicher verhalten. Also zum Beispiel der Augenkontakt oder unmittelbares Feedback von Menschen, die einem wichtig sind. Über dieses Thema schreibe ich sehr oft: https://www.brodnig.org/2014/05/14/wo-die-meinungsmutigen-irren/

  • Wie ich schon bei der Recherche zu meinem profil-Artikel zu Conchita Wurst erfahren habe, kommen (und kamen) auch hier die meisten antifeministschen Hasspostings aus der zweiten und dritten Generation Migranten (also inzwischen auch österr. Staatsbürger). Das stellt die Integration in Frage und derart die Integrationspoltik..

    • Danke für den Hinweis - war ein spannender Text im Profil, auch weil man sah, dass eben viele das tatsächlich unter ihrem Klarnamen posten. Bzgl. den Migranten: Bin mir nicht sicher, ob das auf die Antifeministen tatsächlich zutrifft, vielen haben typisch österreichisch klingende Namen. Dieser Streit um die Hymne ist zu einem gewissen Grad auch eine Debatte rund um den Heimatsbegriff, siehe auch: http://bernhardschindler.net/hymnen-debatte/

      Aber zur Profil-Geschichte zurück: Das war sehr interessant, das ziemlich viele Österreicher zweiter Generation anscheinend Probleme mit Conchita Wurst hatten. Die Frage, inwiefern Homophobie tatsächlich in manchen Migrantengruppen stark verbreitet ist, ist also wohl berechtigt. Gerade bei solchen (schwierigen) Integrationsthemen findet die österreichische Politik leider keinen passenden Umgang. Dazu ein super Text aus der Wiener Zeitung: http://www.wienerzeitung.at/nachrichten/oesterreich/politik/556468_Augen-zu-und-durch.html

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