X

Auch Google darf nicht einfach so Bücher klauen

Ein New Yorker Richter hat ein wegweisendes Urteil gefällt: Google darf doch nicht ungefragt fremde Bücher online stellen

Es ist ein bahnbrechendes und überraschendes Urteil. Der amerikanische Richter Danny Chin entschied gegen den Internetriesen Google: Er kippte einen Vergleich zwischen dem Suchmaschinenanbieter und amerikanischen Autoren sowie Verlagen. Diese Einigung hätte auch weitreichende Folgen für das europäische Buchwesen gehabt.

Im Rechtsstreit geht es um den Webdienst Google Books und die Frage, ob der Konzern ohne vorherige Zustimmung fremde Bücher online stellen darf. Dies strebte Google an und verkündete 2004, eine Weltbibliothek zu starten.

Bisher wurden mehr als zwölf Millionen Werke digitalisiert. “Allerdings sind Millionen der Bücher, die Google einscannte, noch immer vom Urheberrecht geschützt und Google hat nicht die urheberrechtliche Erlaubnis eingeholt, diese Bücher zu scannen“, schreibt Chin. Seine 48 Seiten lange Urteilsbegründung ist ein juristisches Glanzstück.

Der Richter hat die Argumente sorgfältig abgewogen. Er geht durchaus auf den Nutzen einer solchen Welt bibliothek ein und schreibt: “Googles Buchprojekt brächte etliche Vorteile. Bücher wären leichter zugänglich. Bibliotheken, Schulen, Forscher und benachteiligte Bevölkerungsgruppen würden größeren Zugang zu wesentlich mehr Büchern bekommen. (…) Autoren und Verleger würden ebenso profitieren, weil ein neues Publikum und neue Einkommensquellen entstünden. Ältere Bücher – speziell jene, die vergriffen sind-, die oftmals in Bibliotheken versteckt liegen und zerbröckeln, würden konserviert und zu neuem Leben erweckt.“

Letztlich entschied der New Yorker Richter doch gegen Google: “Der Vergleich ist nicht fair, zweckgemäß und angemessen.“ Google hätte demnach 125 Millionen Dollar gezahlt und das Recht erworben, urheberrechtlich geschützte, aber vergriffene Bücher zu veröffentlichen.

Erst wenn der Urheber Einspruch erhebt, hätte Google die digitale Kopie löschen müssen. In der Techniksprache nennt man das eine Opt-out-Klausel. Wenn dies durchgegangen wäre, hätten Autoren dezidiert auf ihr Urheberrecht pochen müssen – anstatt darauf vertrauen zu können, dass es automatisch geschützt wird.

Es ist überdies nicht die Aufgabe eines Gerichts, über solche folgenschweren Urheberrechtsfragen zu entscheiden, befand Chin. Dies solle der Gesetzgeber, der US-Kongress, tun. Der Richter signalisierte aber, dass er einer sogenannten Opt-in-Lösung zustimmen würde; bei dieser kann der Urheber vorab bestimmen, ob er mit Google kooperieren will.

 

Die nächste Anhörung findet am 25. April statt. Hier das Urteil zum Nachlesen:

Google Settlement Rejection Filing

 

Diese Würdigung wurde im Falter 13/11 veröffentlicht. Illustration: Jochen Schievink

View Comments

  • Wer keine Sorgen hat, der macht sich welche und untermauert sie auch noch wissenschaftlich... 🤣

  • Eine weitere Ursache könnte sein, dass solche Falschmeldungen aus journalistischer Sicht einfach "origineller" und damit auffälliger sind als die "alltägliche Wahrheit". Journalist/innen wollen, dass ihre Meldungen möglichst gut ankommen. Dafür haben sie vor allem zwei Möglichkeiten:
    1.) Sie finden ein Sensation und berichten darüber.
    2.) Sie erfinden eine Sensation und berichten darüber.
    Nur Qualitätsjournalist/innen haben eine dritte Option:
    Sie gehen in die Tiefe und decken Hintergründe sowie Beweggründe von Geschehnissen auf. Damit erreichen sie aber leider meist nicht die Massen.

  • zu 9: correctiv meldet am Schluss, dass nicht 2,6 sondern 5,3% aller Immigranten als Flüchtlinge anerkannt wurden. Wow, das ändert die Lage ja völlig, Hahaha!! Heißt jetzt, mit "5 von Hundert" wäre die Schlagzeile korrekt, die Aussage der Schlagzeile, dass nur ein verschwindend geringer Anteil der uns immer als "Flüchtlinge" verkauften Menschen tatsächlich Flüchtlingsstatus haben, bleibt also völlig intakt!

  • Zu dieser Thematik fallen mir gleich eine ganze Reihe von Zitaten ein, die belegen, dass die hier behandelten sozialen Wirkungen schon längst bekannt sind und kein wirklich neues Phänomen darstellen.
    „Aus Lügen, die wir ständig wiederholen, werden Wahrheiten, die unser tägliches Leben bestimmen.“ Hegel (1770-1831)
    „Nicht Tatsachen, sondern Meinungen über Tatsachen, bestimmen das Zusammenleben“ Epiktet (um 50 bis 138 n.Chr.)
    Und der größte Unsinn ist der Spruch im Volksmund:
    „wer einmal lügt, dem glaubt man nicht“
    Richtig ist: „wer ständig lügt, dem glaubt man schließlich“
    oder wenn oft genug Falsches gesagt, gedacht, geschrieben wird, wird es richtig!
    Siehe dazu auch solch banale Dinge, wie die Falschschreibung(sprechung) des Adjektivs extrovertiert.
    Natürlich heißt es extravertiert, aber es wurde die letzten 50 Jahre so oft falsch geschrieben und gesprochen, dass es schließlich in der falschen Form im Duden gelandet ist....
    keep groovin´& over the tellerrand thinkin´´

  • Tja, wenn's nur immer so leicht ginge eine Fake News zu identifizieren. Genau Schritt 3 ist nämlich das Problem - in vielen Fällen lässt sich eben nicht oder erst viel zu spät nachweisen, dass gezielte Irreführung betrieben wird. Und dann ist eine Fake News schon eine gewisse Zeit Fakt News geworden...

  • Ungefähr jedes Merkmal oder jede Manipulationstechnik, die hier exklusiv "rechts" zugeschrieben wird, ist von allen Akteuren im politischen Spektrum in exakt der angeprangerten Form genutzt worden und wird es weiterhin. Die "AfD-Wut" über irgendwas unterscheidet sich beim Facebook-Emoji nicht von der Wut über Lohnungerechtigkeit oder tote Kinder am Strand unter einem taz-Artikel, die patriotische App unterscheidet sich funktional rein gar nicht von gleichartigen Apps, die zur "Vernetzung von Protest" erstellt wurden und nun ja, "Revolutionsversprechen" sind rechts? ... kicher ... schon mal auf 'ner 1.Mai-Demo gewesen?

    • Es gibt signifikant messbare Unterschiede zwischen den Parteien - dass die AfD stärker Wut erntet als andere, ist das Ergebnis dieser Untersuchung von Josef Holnburger: http://holnburger.com/Auf_den_Spuren_des_Wutbuergers.pdf Man kann dort auch alle anderen Parteien ansehen und nachlesen, welche Reaktionen diese ernten. Aber natürlich: Wut ist eine universelle Emotion, gesellschaftlicher Wandel wird oft über Wut erreicht, zB weil Menschen einen unfairen Zustand nicht länger hinnehmen wollen. In meinen Augen macht es einen qualitativen Unterschied, in welche Richtung Parteien Wut einsetzen - problematisch wird Wut meines Erachtens, wenn man sie gegen gesellschaftlich schwächer gestellte Menschengruppen einsetzt

  • Vielleicht nur am Rande (oder auch gar nicht...) interessant, aber hier noch ein kleiner Exkurs zum Thema Technologie und Utopie: Bereits im Zusammenhang mit elektrischer Telegrafie und mit der Verlegung des ersten transatlantischen Unterseekabels in den 1850er/60er Jahren äußerten Zeitgenossen immer wieder die Idee, dass, sobald dieses Kabel verlegt und somit Kommunikation im Minutentakt zwischen Großbritannien und Nordamerika möglich sei, eine Ära immerwährenden Friedens zwischen GB und den USA ihren Anfang nähme. Wer sich minutenschnell austauschen könne, der könne schließlich alle potentiellen Konflikte oder Unstimmigkeiten im Nu aus dem Weg räumen. Bald musste man aber feststellen, dass dem nicht so war, wobei hier unterschiedliche Faktoren ihren Teil dazu beitrugen (hohe Kosten pro Nachricht, weshalb diese stark verkürzt wurden, diplomatisches Prozedere, das mit dieser neuen Form der Kommunikation nur schwer zu vereinbaren war, etc.) - In der britischen Presse der damaligen Zeit wurde diese Entwicklung dann wiederum ausgesprochen reflektiert betrachtet und techniksoziologische Betrachtungen angestellt, die heutigen Ansätzen in nichts nachstehen (ich habe da nur Einblicke in die britische Presse, wie an anderer Stelle darüber geschrieben wurde, weiß ich nicht). Ironischerweise war es dann einige Jahrzehnte später ein Telegramm, mit dem Österreich-Ungarn Serbien den Krieg erklärte...
    Aber wie gesagt... das nur am Rande.
    Ansonsten - schöner Vortrag! Like! Respect! :)

    • Das ist total spannend! Sorry für die späte Antwort, aber hatte den Kommentar noch gar nicht gesehen: Das ist eine extrem interessante Anekdote! Ist das vielleicht irgendwo beschrieben, wo ich mehr dazu lesen kann? Ich sammle solche Beispiele auch gerne, weil man weiß nie, wo man solche Beispiele unterbringen kann... Auf jeden Fall: Danke schön für die interessante Rückmeldung!

  • „Politische Diskussionskultur“ - das ist freilich speziell in Österreich sowieso eine der permanent endangered species.

  • Bald sind wir so durchgeregelt, dass wir gar keinen Spielraum mehr für Meinungsbildung haben und nur noch das politisch Erwünschte denken. Wünsche aber sind keine Rechte. Sie sind höchstens ein Anzeichen verwöhnten Wohlstands, der Befindlichkeiten zum Nachteil aller anderen hochhält, Menschen gegeneinander ausspielt und Beliebigkeit statt Kritik- und Konfliktfähigkeit kultiviert. Haben wir uns zur modernen Wohlstandsgesellschaft entwickelt, um solche Menschen zu werden?

  • 1 24 25 26 27 28 37