Ohne Hetz im Netz
Wer online gezielt Menschen fertigmacht, Klassenkameraden mobbt oder Arbeitskollegen verunglimpft, muss künftig harte Strafen befürchten. Die Strafrechtsreform ahndet die übelsten Formen von Hass und Hetze im Internet – viele Wutpostings werden trotzdem ungesühnt bleiben.
Rebecca* war ein schüchternes Mädchen, etwas pummelig und unsicher. Die zwölfjährige Schülerin trug stets ein T-Shirt, wenn sie baden ging, damit keiner ihren Körper sieht. Eines Tages fasste sie Vertrauen: Ein Klassenkollege schrieb ihr freundliche Nachrichten auf WhatsApp. Er bat sie – eine gute Schülerin – um Hilfe bei den Hausaufgaben, er scherzte mit ihr und meinte, dass sie echt in Ordnung sei. Rebecca antwortete, tippte Nachrichten in ihr Handy, flirtete. Zum ersten Mal interessierte sich ein Bub für sie. Schmeichelnd bat sie der Klassenkollege um ein Foto ihrer Brüste. Er sendete ihr ein Bild seines Penis und meinte, jetzt sei sie an der Reihe. Zögerlich ließ sich Rebecca überreden, machte ein Oben-ohne-Foto und drückte auf “Senden“.
Der Bub war von zwei Klassenkolleginnen dazu angestiftet worden. Er leitete den beiden das Bild weiter, und diese sendeten es der ganzen Klasse.
Als Rebecca am nächsten Tag in die Schule ging, lachte man über sie. Im Klassenzimmer und auf WhatsApp machten sie sich stets aufs Neue darüber lustig. Rebeccas Alptraum war eingetreten. “Das Grausame am Onlinemobbing ist, dass Jugendliche das Gefühl bekommen, keiner will sie, die ganze Welt lehnt sie ab“, erzählt die Psychologin Barbara Frauendorff von der Salzburger Kinder- und Jugendanwaltschaft. Sie lernte Rebecca bei einem Workshop an ihrer Schule kennen und konnte ihr schließlich helfen. Zu diesem Zeitpunkt hatte das Mädchen zwei Mal versucht, sich das Leben zu nehmen.
Grausamkeiten unter Kindern gab es immer. Neu ist, wie leicht es den Mobbern fällt, ihr Opfer überall hin zu verfolgen – dank Digitalisierung. Früher konnte ein Kind zu Hause abschalten, wenn es in der Klasse gefrotzelt wurde. Heute liest es rund um die Uhr auf WhatsApp, welche Gemeinheiten die Schulkameraden verbreiten. Auch Erwachsene erleben diese digitale Hetze, etwa wenn der Ex-Partner oder die Ex-Partnerin immer wieder Bösartigkeiten loslässt. Opfer fühlen sich oft machtlos: Unentwegt tauchen online Verunglimpfungen auf.
Das soll sich ändern. Mit 1. Jänner 2016 tritt die Strafrechtsreform in Kraft, die der Nationalrat Anfang Juli beschlossen hat. Künftig werden Hass und Häme härter sanktioniert. Eines der Beispiele ist “Cybermobbing“, das nun als eigener Straftatbestand gilt. In Paragraf 107c des Strafgesetzbuches steht: “Wer im Wege einer Telekommunikation“ eine Person “in ihrer Lebensführung unzumutbar“ über “eine längere Zeit“ beeinträchtigt, kann zu maximal einem Jahr Haft oder einer Geldstrafe verurteilt werden. Begeht das Opfer Suizid, drohen bis zu drei Jahre Haft.
Die permanenten Sticheleien: verboten
Dieser Paragraf ist bahnbrechend. Denn bisher waren Opfer digitaler Hasskampagnen tatsächlich oft wehrlos: Permanenten Sticheleien waren zwar unangenehm, aber meist keine “gefährlichen Drohungen“ nach dem Gesetz. Dass es hier eine klare Rechtslage brauchte, zeigten inländische Fälle, aber auch ein internationaler Vorfall – die Tragödie der Amanda Todd. Die 15-jährige Kanadierin nahm sich selbst das Leben. Mit 13 hatte sie ein Fremder online überredet, ihren Busen herzuzeigen. Er erpresste sie und machte die Bilder publik. Obwohl sie die Schule wechselte, tauchten die Nacktfotos erneut auf. Ihre Klassenkollegen mobbten sie. Schließlich nahm Amanda Todd ein Video über ihre Pein auf: Das Mädchen hält Zettel in die Kamera, auf denen sie ihre traurige Lebensgeschichte beschreibt. Auf einem Blatt steht: “I have nobody. I need someone.“ Drei Tage später war sie tot.
Ihre Geschichte rührte anscheinend auch den österreichischen Gesetzgeber. In den Erläuterungen der Gesetzesnovelle wird dezidiert Amanda Todd erwähnt. “Cybermobbing kann in schweren Fällen zur systematischen Zerstörung der Persönlichkeit des Opfers führen“, heißt es dort.
Auch Erwachsenen nützt diese Reform, und nicht nur dann, wenn der Ex-Partner oder die Ex-Partnerin einen Rachefeldzug führt. Der Wiener Rechtsanwalt Michael Pilz kennt ein weiteres großes Problemfeld: Immer wieder passiert es Unternehmen, Ärzten oder Ämtern, dass ehemalige Kunden nicht nur über die vermeintlich schlechte Arbeit schimpfen, sondern persönlich werden. Sie stellen mitunter die Wohnadresse von Mitarbeitern ins Netz oder erfinden böse Details über ihr Privatleben. Auch das ist Cybermobbing. “Hier wird tatsächlich eine Rechtslücke geschlossen. Bei einigen Fällen hatten wir das Problem, dass kein Gesetzesparagraf so richtig zutraf“, sagt Pilz. Da Cybermobbing ein sogenanntes “Offizialdelikt“ ist, muss die Staatsanwaltschaft aktiv werden und kann häufig auch die Identität anonymer User ausforschen. Die Internetprovider müssen Auskunft geben, welcher Kunde hinter einer IP-Adresse steckt (die IP-Adresse ist eine Art Nummerntafel im Netz). Zwar ist es technisch möglich, die eigenen Spuren zu verschleiern, doch viele Täter sind zu achtlos oder ahnungslos.
Die Hetze gegen Ausländer: strafbar
Der Cybermobbing-Paragraf ist die eine große Verschärfung rund um die Hetz im Netz, die andere Neuerung betrifft “Hate Speech“ – die hasserfüllte Sprache gegenüber Minderheiten. Schon bisher war es strafbar, zu Gewalt gegenüber Menschen bestimmter Herkunft oder Religionszugehörigkeit aufzurufen oder Hass gegen diese zu schüren, dies gilt als “Verhetzung“. Nun ist auch die Hetze gegen “Ausländer“ strafbar, und es reicht, wenn nur 30 Menschen online das Posting sehen konnten. Bisher waren 150 Menschen notwendig.
In einem einzelnen Punkt wird der Verhetzungsparagraf jedoch eingegrenzt: Strafbar ist nur, wenn das Gericht davon ausgeht, dass der Angeklagte auch wirklich die Menschenwürde dieser Minderheit verletzten wollte – es braucht also Vorsatz. Das achtlose Hinschmettern von Stammtischparolen alleine, wo man zwar in Rage, aber nicht in Absicht handelt, wird nicht bestraft. Immerhin stehen auf Verhetzung bis zu zwei Jahre Haft.
Hier zeigt sich das Dilemma bei Wutpostings: Viele Aussagen sind unfassbar übel, aber nicht strafrechtlich relevant, da sie zu vage oder zu wenig bedrohlich sind.
Dies illustriert ein berühmter Fall aus dem Juni 2014. Frauenministerin Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ) legte sich auf Facebook mit Volksmusiker Andreas Gabalier an. Dieser hatte sich geweigert, die mittlerweile offizielle Version der Bundeshymne zu singen, in der nicht nur die “großen Söhne“, sondern auch die “großen Töchter“ vorkommen. Ihr Team postete ein Foto der Ministerin. Sie lächelt in die Kamera, deutet auf einen Zettel mit der offiziellen Version der Hymne, darüber steht: “Im Sinne des lebenslangen Lernens hier eine kleine Lernhilfe für Andreas Gabalier ;)“.
Dieses Posting löste den schlimmsten Shitstorm aus, den Österreich bisher erlebt hat. Mehr als 18.000 Kommentare erntete das Bild. Unter seinem echten Namen schrieb ein User: “Du Idioten Weib.“ Ein anderer meinte, Heinisch-Hosek gehöre auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Einige Postings wurden angezeigt, die Ermittler befragten User – und stellten keine “gefährliche Drohung“ fest. Rein juristisch hätte die Ministerin viele Bürger anzeigen können, die unter ihrem richtigen Namen den Tatbestand der Beleidigung erfüllt hatten. Tat sie aber nicht.
Das diffuse Geschimpfe: legal
Es gibt Stolpersteine bei der Verfolgung solcher Hasspostings: Die Ministerin kannte die realen Namen vieler Poster. Ist der Übeltäter jedoch anonym, kann der Staatsanwalt bei schweren Delikten wie Cybermobbing oder der gefährlichen Drohung versuchen, die Anonymität aufzuheben. Bei Beleidigungen oder üble Nachrede liegt es am Opfer, die Identität des Users festzustellen – hier handelt es sich um “Privatanklagedelikte“, bei denen der Staatsanwalt im Vorfeld nicht aktiv ist. Für Privatpersonen ist es oft sehr schwierig bis unmöglich, die Identität eines anonymen Posters festzustellen.
Die zweite große Hürde: Viele Äußerungen sind zu vage, um juristische Konsequenzen nach sich zu ziehen. Schreibt ein User auf Facebook, “die Politiker gehören alle mit einer Eisenstange verprügelt“, dann ist dies eine unbehagliche Aussage, sie erfüllt aber keinen Tatbestand. Für eine gefährliche Drohung ist sie zu unkonkret, da eine solche gegen eine bestimmte Person gerichtet sein muss.
Diffuse Wut ist strafrechtlich nicht verboten – was ärgerlich, aber aus juristischer Sicht logisch ist. “Bedenken Sie nur: Wenn Sie außerhalb des Internet eine wütende Äußerung machen, wird dies meist auch nicht verfolgt werden. Mit der Reform versuchen wir, zumindest in jenen Fällen hart vorzugehen, wo wirklich eine Kampagne im Netz gegen jemanden stattfindet“, sagt Christian Pilnacek, der zuständige Sektionschef im Justizministerium. Er hofft, dass die Gesetzesänderung Strahlkraft hat.
Ähnlich sieht dies Barbara Frauendorff von der Kinder- und Jugendanwaltschaft, die gemobbte Teenager wie Rebecca betreut. Sie ist optimistisch: “Sicher wussten viele Jugendliche auch schon jetzt, dass es nicht in Ordnung ist, andere online fertigzumachen. Aber es macht einen Unterschied, ob etwas nur verpönt oder unter Strafe gestellt ist. Viele werden zurückschrecken, wenn sie wissen, dass sie schlimmstenfalls vor einem Richter landen.“
* Name geändert
Dieser Artikel erschien in “profil” (Ausgabe 30/15). Das Bild ist ein Screenshot von Amanda Todds Video.
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Meng hyperkinetic syndromes that by 2030, Chinese edifices would feature used furnish the most up to appointment selective information to the Indian public.
In India, English, Hindi, Punjabi and regional gagespapers supply
on the job, acan help. If it is new info, the feline cancer of the
blood vaccine turned useable.
Der Wecker hat geläutet, die wichtigsten europäischen Regierungen haben mitgemacht, möglicherweise auch die österreichischen Regierungen - falls das Frau Brodnig entgangen sein soll - und wenn der auch hier mobilisierte Antiamerikanismus (ein österreichischer Schulterschluß vom Falter bis zur FPÖ) der am Rande der Auflösung befindlichen EU nicht zu Hilfe kommt, werden die JournalistInnen wieder in geistigen Tiefschlaf verfallen, bis zurm nächsten Hornberger Schießen.
Ich würde die Hasspostings nur dann zensurieren, wenn Aufforderungen zur Gewalt gegen andere oder geheimes Material für den Bau von Atomwaffen oder Kinderpornographie darinnen enthalten ist.
Es gibt Leute, die möchten was vermitteln oder haben eine These zu einem Sachverhalt, der jetzt schlecht rennt und wollen Möglichkeiten aufzeigen, wie es besser gehen könnte.
Dieser Sachverhalt stellt aber gewisse regierenden Parteien vor ein Problem.
Die Hasspostings nehmen im Netz zu, weil die Leute auf Verämderung zum Positiven hoffen und versuchen etwas dazu beizutragen und dann permanent entäuscht werden.
Anstatt kommunikativ nach Lösungen zu suchen, wie "hey suchen wir gemeinsam eine Lösung" => wird in vielen Foren nur mit NLP oder Drüberfahren Meinungen discrambeld!
Wenn wissenschaftliche These durch Inquisition anstatt durch den Gegenbeweis falsifiziert wird => Mittelalter
Die Anonymität im Netz, Tor und die Wächter sichern, dass keine Schriften digital zerstört und verbrannt werden, weil eine Idee kann man nicht zerstören.
Schwierig.
Ich seh, dass es problematisch ist, wenn es Kommentarbereiche gibt und die werden nur mit unnützen Texten gefüllt. Aber ich finde die Möglichkeit der Anonymität von Webseitenbesuchen ist wichtiger als die Diskussionbereiche.
Das ist in der Tat eine schwierige Abwägungsfrage. Es gäbe jedoch etliche Maßnahmen, die Onlineforenbetreiber setzen könnten, um generell das Klima zu verbessern - auch ohne die Anonymität aufzuheben. Da ließe sich noch viel, viel mehr machen.
Gerade ein Forum wie das des Standard, in dem Postings nicht veröffentlicht werden, weil man den Autor eines Artikels auf Fehler wie "als" nicht "wie" hinweist, hat einen Community Manager eh dringend nötig.
Generell halte ich es für vermessen, zu glauben, dass man mit Leuten "eh auf Twitter diskutieren" kann. Grundsätzlich gibt es drei Kategorien von Menschen online: die einen wollen ihren Dreck ablassen und scheren sich sowieso nicht um die Konsequenzen/antworten/wasauchimmer. Die zweite Gruppe agiert politisch indoktriniert/motiviert uns ist nur auf Streit/Trolling aus. die dritte Gruppe ist diejenige, mit der man auch diskutieren könnte, die am Austausch interessiert ist. Dieser Gruppe ist auch die Grundvernunft nicht verloren gegangen, weswegen eine Diskussion mit Ihr auch weniger bringt, weil man sich auf Grundsätzlichkeiten verständigen kann. Im Gegensatz zu den beiden erstgenannten, die Dinge wie "Das Internet kommt aus den USA, also habe ich Absolute Redefreiheit" (:facepalm:) propagieren.
R. hat seit 2002 unter mehreren, z.T. parallel geführten Nicks (zb. "A.B. Artig", "Xulu Hulu" etc.) ihr Unwesen getrieben.
Sie hat sich darauf spezialisiert Mitposter mit anderen Meinungen als Nazis zu denunzieren; hinter jedem unangenehmem Posting einen "Blaunen", mindestens, zu erschnüffeln und entsprechend zu beleidigen. Natürlich auch fleissig zu "melden", auf dass der Gegner es möglichst schwer hat, angesichts der Fülle an Denunzierungen vielleicht sogar gesperrt wird.
Sollte die Redaktion nicht von sich aus gewusst haben wer sich hinter den R.-Nicks verbirgt, so wurde sie schon vor Jahren von aufmerksamen Postern (die gelegentliche Hinweise auf Persönliches in den Beiträgen der R. logisch verknüpften) darauf aufmerksam gemacht, hat R. aber - die dann und wann Beiträge auf derstandard veröffentlichen durfte - einfach machen lassen. Ihr "Engagement" passt schliesslich zur Blattlinie.
Passen in Postings zum Ausdruck gebrachte Meinungen allerdings dauerhaft *nicht* zur Blattlinie - ist der Poster also "unbelehrbar" und widersetzt er sich politisch korrekter Erziehung by (Meinungs-)Zensur - dann wird dem die allgemeine Netiquette selbstverständlich achtende User auch gerne mal der Account gesperrt.
Der Art. 19.1. - "Jeder User hat das Recht auf freie Meinungsäusserung" - ist jedenfalls pure Heuchelei.
Aus dem gleichen Holz wie R. ist auch Misik geschnitzt, der ebenfalls gerne Klarnamen-Poster sähe auf dass die "Schwarmvertrottelung" (Öha - Publikumsbeschimpfung!) ein Ende haben möge. Er selbst leistet sich unfassbare Entgleisungen:
"geh, das sind doch die immergleichen 20 ausländerhasser, die sich gegenseitig grün geben. ..."
http://derstandard.at/plink/1361240962345?_pid=30385155&#pid30385155
"Der Misik hat auch schon mal Poster der 'KZ-Wächter Mentalität' bezichtigt."
http://webcache.googleusercontent.com/search?q=cache:nqQmahDyDAEJ:https://derstandard.at/Userprofil/Postings/233095%3FpageNumber%3D150%26sortMode%3D2+&cd=1&hl=de&ct=clnk&gl=at
Das Motto dieses sich mit politischer Korrektheit tarnenden Heuchlertyps charakterisiert Shakespeare ganz gut: "Ich tu das Üble, schrei dann selbst zuerst. Das Unheil das ich angerichtet, leg ich den anderen dann zur Last"
Das ist pure Verleumdung und demaskiert sich von selbst.
Peinliche Anwürfe haben hier und auch anderswo übrigens nichts verloren und lenken auch nicht von der Tatsache ab, dass in den Foren Unduldbares stehen bleibt, z.b. Mordaufrufe an Muslimen.
Und, Richard, zu feig, deine Identität preiszugeben aber verleumden? Igitt.
"Das ist pure Verleumdung"...ja klar ;->
Selbst Der Standard schreibt ja dass sie aufgrund zahlreicher Problempostings, die natürlich unter verschiedenen Nicknames anonym gemacht wurden, fürs Forum gesperrt wurden.
Mir ist nur ein Rätsel warum man so einem Community-Troll dann auch noch eine mediale Bühne schenkt.
(Beitrag gelöscht, bitte bleiben Sie sachlich und breiten Sie hier keine persönlichen Animositäten aus. Danke, I.B.)
(Beitrag gelöscht, bitte bleiben Sie sachlich und beleidigen Sie nicht den Diskussionspartner. Danke, I.B.)
Der Hinweis auf dieses "absolute Rededreiheit"-Denken ist gut! In der Tat ist ein Teil des Problems, dass Leute die Meinungsfreiheit mit der Freiheit verwechseln, herumzumaulen oder wirre Verschwörungstheorien zu verbreiten. Teilweise ist dabei nicht einmal die konkrete Meinung das Problem, sondern die Tonalität der Postings. Aber stimmt, das liegt auch daran, dass Leute ein Ventil für ihren Unmut suchen und an diesem Gefühl der Konsequenzenlosigkeit. Bei diesem Gefühl müsste man ansetzen und das Online-Diskutieren auch aufwerten. Das versuchen übrigens einige Foren auch zunehmend. Insofern bin ich zu einem gewissen Grad sogar hoffnungsvoll.
Wie kommst du darauf das Kommentatoren die gleiche Meinung wie der Autor oder die Masse der Besucher teilen müssen? Und wenn man nicht bereit ist das ganze Meinungsspektrum zu ertragen, sollte man entweder diese Seiten nicht mehr besuchen oder techn. Hilfsmittel zum ausblenden nutzen. Damit wir uns nicht falsch verstehen, ich hab kein Problem wenn persönl. Kränkungen und OT sonstwohin verschoben werden. Aber gerade der Kommentarbereich zeigen andere Meinungen abseits dpa und sonstiger Propaganda, die in den Medien unterrepräsentiert sind und für die Medienlandschaft zu kontrovers sind. Debatten wie Sarrazin haben gezeigt, dass es nicht ein unbedeuteter Teil der Bevölkung, weltfremder Spinner sind; eher haben die meisten das Gefühl der Einheitsbrei etwas entgegenzusetzen zu müssen.
Das ist das große Missverständnis: Ich bin für Meinungsvielfalt, aber gegen untergriffige, hasserfüllte und beleidigende Postings. Eine derartig aggressive Tonalität verhindert, dass diskutiert werden kann und Menschen ihre Argumente austauschen. In den meisten Fällen ist nicht unbedingt die Meinung der Poster das Problematische, sondern die Beleidigungen, die gemeinsam mit dieser Meinung gepostet werden. Wie negativ die Auswirkungen davon sind, kann man hier nachlesen: http://www.nytimes.com/2013/03/03/opinion/sunday/this-story-stinks.html?_r=0
Ich halte es für zumutbar, dass in einem Land wie Österreich die Menschen hinkünftig nur mehr unter ihrem Klarnamen posten. Anonyme oder Fake-Leserbriefe werden ja - zumindest in Qualitätsmedien - nicht in Printprodukten veröffentlicht. Mein Hinweis an für Standard.at und Presse.com: Die teilweise unterirdischen, und manchmal wirklich völlig inakzeptablen Postings haben meiner Meinung nach das Potential, die Medien-Marken der Posting-Hosts erheblich zu beschädigen.
Nein, Klarnamenpflicht halte ich für den absolut falschen Weg. Gerade wenn man etwa einen "selteren" Namen hat, reicht eine Google-Suche um alle Beiträge die man geschrieben hat für andere aufzulisten. Abgesehen davon wären damit nicht nur die Pöbler abgeschreckt, sondern auch Menschen, die interessantes zu sagen haben.
Onlinemedien wie standard.at und presse etc kommen da wohl nicht drumherum aktiv zu moderieren und dafür auch das Geld in die Hand zu nehmen entsprechende Leute zu bezahlen. Ich sehe nichts falsches darin wenn hier ein paar neue Studentenjobs entstehen, die die Qualität der Foren steigern.
Nein, Herr "McFly", das stimmt nicht.
Die Idee hinter diesem Vorschlag ist ja genau, solche Pöbler aus der allzu bequemen Anonymität herauszureißen. Wenn ihnen bewusst ist, dass ihre menschenverachtenden Äußerungen mit ihrer Person assiziiert werden können, denken sie hoffentlich zwei Mal nach. Wer etwas Kluges oder Sinnvolles zu sagen hat, wird sich dafür nicht verstecken wollen. So handhabe ich das zumindest.
Der einzige Weg um Klarnamenzwang durchzusetzen wäre doch Post-Ident, abgesehen vieleicht davon, die Leute mit einem Ausweis antanzen zu lassen.
Nutzen Sie wirklich diesen Weg, oder darf sich jeder einen real klingenden Namen aussuchen? Wodurch natürlich wieder nur die Ehrlichen die Dummen wären.
Ich bin übrigens froh, dass mir keiner meine pubertären Ansichten von vor 20 Jahren vorhalten kann.
Ich bin auch skeptisch, ob eine Abschaffung der Anonymität funktionieren würde. Gerade auf staatlicher Ebene birgt das Gefahren, wie das Beispiel Südkorea zeigt, siehe auch hier: http://brodnig.org/2013/07/26/warum-hass-postings-so-gefahrlich-sind/
Nur eines sollte man schon anmerken: Es gibt durchaus eine Kompromisslösung - eine verbindliche Online-Identität. Etliche Foren wenden Mechanismen an, bei denen User zwar anonym sind, aber nicht ihrem eigenen Online-Ruf schaden wollen. Bei Gawker werden nur dann Postings automatisch freigeschaltet, nachdem User bewiesen haben, dass sie keinen Dreck posten. Und bei der Frage-Antwort-Seite Stackoverflow gibt es ein höchst komplexes Reputationssystem, bei der die User immer mehr Rechte erhalten, je mehr Reputationspunkte sie haben.
Das klingt jetzt sehr kompliziert, aber im Kern geht es darum, dass Leute selbst ernstnehmen sollen, was sie schreiben. Sie sollen sich selbst fragen: Stehe ich wirklich zu dieser Meinung und Ausdrucksweise?
Bei Ihrer Antwort auf meinen Kommentar bin ich voll auf Ihrer Seite.
Im Artikel geht es aber mehr um Zensur und so etwas steht einer Institutione, die selbest sehr von freier Meinungsäußerung profitiert, schlecht zu Gesicht.
Besonders wenn das Publikum die f. M. besonders hoch schätzt. Weil es zB. mit dem Internet und einer recht amerikanischen Einstellung dazu aufgewachsen ist. Ein Publikum dass beim erzwingen des Leistungsschutzgesetz mit erleben durfte, wie verlogen, intransparent, undemokratisch und die f. M. missbrauchend die etablierten deutschen Medien wirklich arbeiten wenn sie ihre Agenda durchdrücken wollen.
Daher empfehle ich, Zensur möglichst so wenig wie möglich, dafür so transparent es geht.
Natürlich sind Web Angebote keine demokratischen Systeme und der Betreiber kann mit seinen Nutzern so diktatorisch umgehen wie er will. Aber die Nutzer haben eben gefühlte unendliche Alternativen... und evtl es genau die f. M. liebenden Nutzer, welche die (Mühe auf sich nehmen und die) wünschenswerten Kommentare schreiben und mit Links für Reichweite sorgen.
Wenn man sich manche Kommentare auf z.B. Facebook (oder seit der Verknüpfung mit g+ auch auf Youtube) ansieht, bewirkt eine Klarnamenpflicht allerhöchstens noch etwas bei Menschen, die sich tendentiell noch vor dem Internet fürchten.
Hass Beiträge sollten ruhig gelöscht werden, die tragen nichts dazu bei, die Debatte voran zu bringen.
Aber wenn alles gelöscht wird, was dem Redakteur politisch nicht passt, dann ist das unschön.
Gerade in Medien die eher links stehen, leider nicht unüblich.
Sehe ich nicht so. Medien, die angeblich links sind, wird das häufig vorgeworfen. Nur warum sind dann dort trotzdem so viele rechte Meinungen zu finden? Würden die Redakteure tatsächlich so vorgehen, dann gäbe es all diese Postings nicht.
Aber sonst stimme ich zu: Solange die Tonalität passt, der Kommentar nicht off topic ist und keine bösartigen Untergriffe kommen, finde ich, sollte man auch Postings mit konträrer Meinung zulassen.
Aha, Buchwerbung.
Ansonsten bin ich ganz auf der Seite von Hitchens: “Freedom of Speech Includes the Freedom to Hate”.
Nein, Meinungsfreiheit bedeutet nicht Hassfreiheit. Zumindest werden strafrechtlich klare Grenzen gezogen, was nicht mehr zur Meinungsfreiheit gehört. Sogar in den USA, die noch viel mehr Hate Speech zulassen, gibt es Grenzen.