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Frau Poitras, wie geht es Edward Snowden heute?

Diese Frau ist ganz wesentlich mitverantwortlich, dass wir von der NSA-Überwachung erfahren haben. Nun hat Laura Poitras einen Film über den wichtigsten Informanten unserer Zeit gemacht

In einem Hotelzimmer in Hongkong saßen sie zu dritt und enthüllten eines der bestgehüteten Geheimnisse der US-Regierung: den riesigen Überwachungsapparat der National Security Agency. Der Whistleblower Edward Snowden, der Journalist Glenn Greenwald und die Filmemacherin Laura Poitras erklärten der Welt im Juni 2013, wie sehr sich der Geheimdienst der demokratischen Kontrolle entzogen hat.

Die Amerikanerin Poitras, 52, war nahezu prädestiniert für diesen Fall: Sie hatte in den Jahren zuvor aus dem Irak kritisch berichtet, wurde von der US-Regierung auf eine Watchlist gesetzt und bei der Einreise in die USA immer wieder schikaniert. Sie lernte, wie man die eigenen Daten verschlüsselt und sich nicht von den Behörden einschüchtern lässt. Daraufhin kontaktierte sie ein anonymer Informant, der sich selbst “Citizenfour” nannte. Hinter dem Pseudonym steckte Edward Snowden.

Der Rest ist Geschichte – eine Geschichte, die Poitras nun anschaulich in ihrer Doku “Citizenfour” erzählt. Originalaufnahmen zeigen darin Edward Snowden in den gefährlichen ersten Tagen der NSA-Affäre. Am 1. Jänner läuft der Film in heimischen Kinos an.

Als erstes österreichisches Medium hat der Falter Poitras zu dieser Extremsituation und zu ihrem Werk befragt, das nun für den Oscar als beste Dokumentation nominiert ist.

Falter: Frau Poitras, glauben Sie, unser Telefonat wird gerade abgehört?

Laura Poitras: Ich sitze gerade im Büro meiner Presseagentin und bezweifle, dass dieser Anschluss hier abgehört wird. Ich gehe jedoch davon aus, dass alle elektronischen Geräte, die auf meinen eigenen Namen angemeldet sind, überwacht werden.

Wie genau beobachtet Sie denn die NSA?

Poitras: Für die NSA ist es ein Kinderspiel, zu ermitteln, mit wem man E-Mails austauscht. Sie erstellen sogenannte “Social Graphs”, die zeigen, mit welchen Menschen man in Kontakt ist. Ich vermute, dass sie solche Social Graphs auch für mich und meinen Kollegen Glenn Greenwald erstellt haben – also dass sie wissen wollen, mit wem wir kommunizieren. Das wirkliche Ausmaß ist schwierig abzuschätzen: Ich bin Journalistin, und es wäre wohl ein Skandal, falls einmal aufflöge, dass sich die NSA auch den Inhalt meiner E-Mails ansieht. Da müssen sie schon vorsichtig sein.

Es geht dem Geheimdienst also eher um sogenannte “Verbindungsdaten”, darum, mit wem Sie in Kontakt stehen, und nicht um die konkreten Inhalte Ihrer Nachrichten?

Poitras: Das vermute ich zumindest. Mir hat einmal jemand mit Kontakten zum deutschen Geheimdienst gesagt, dass ich wie ein Weihnachtsbaum leuchten würde, das heißt, dass meine elektronische Kommunikation sehr genau erfasst wird.

Sie haben die NSA-Affäre mit aufgedeckt und leben in Berlin, um fern der US-Behörden zu arbeiten. Können Sie überhaupt noch ein normales Leben führen?

Poitras: Das glaube ich schon. Meine Arbeit hat ja nicht dazu geführt, dass ich jeden Teil meines Lebens verändern musste. Ich muss mehr Vorsichtsmaßnahmen treffen, um meine Quellen zu schützen. Zum Beispiel verschlüsselte ich die Filmaufnahmen von Edward Snowden, und es gab nur wenige, die die Passwörter dafür kannten. Auch würde ich unser rohes Filmmaterial nie in die USA mitnehmen. Aber es stimmt schon: Die pure Tatsache, dass ich heute in Berlin lebe, verursachte natürlich einen Bruch in meinem Leben. Das ging nicht anders: Als Filmemacherin wurde ich auf eine Watchlist gesetzt und immer wieder aufgehalten, wenn ich die US-Grenze überschritt. Da schien es mir zu riskant, diesen Film über Überwachung zu drehen und das Material in den USA zu lagern. Ganz normal ist meine Situation natürlich nicht.

In Ihrem Film erfährt man, wie Snowden Sie kontaktierte. Damals war er ein anonymer Informant und nannte sich selbst “Citizenfour”. Er schrieb, dass er nicht Sie als Journalistin ausgesucht habe, Sie selbst hätten sich ausgesucht. Wie meinte er das?

Als ich das erste E-Mail von Snowden erhielt, war ich ziemlich überrascht. Warum schreibt er ausgerechnet mir?
Poitras: Als ich das erste E-Mail von Snowden erhielt, war ich ziemlich überrascht. Ich bin Filmemacherin, drehe lange Dokumentationen. Normalerweise muss ich die Leute bitten, Zugang zu bekommen. Nur selten wenden sich Informanten von selbst an mich. Also wollte ich wissen: Warum schreibt er ausgerechnet mir? Der Grund war, Snowden wusste, dass ich auf einer Watchliste stand, dass ich sechs Jahre lang jedes Mal, wenn ich die Grenze überschritt, aufgehalten wurde. Ausschlaggebend war also, dass ich die Gefahren der Überwachung selbst gut genug kannte und trotzdem weitergearbeitet hatte. Rückblickend glaube ich auch, dass Snowden mich anschrieb, weil er wusste, dass Glenn Greenwald und ich Kollegen sind. Er hatte ja schon früher probiert, Glenn zu kontaktieren, doch das scheiterte, weil Glenn keine E-Mail-Verschlüsselung installierte.

Sie sind die Person, die alle entscheidenden Charaktere zusammenbrachte. Glenn Greenwald, Edward Snowden und Sie, in einem Hotelzimmer in Hongkong haben Sie drei den Überwachungsapparat der NSA aufgedeckt.

Poitras: Stimmt, ich bin wohl dafür verantwortlich, dass wir alle zusammenkamen. Ich holte Glenn dazu, weil ich bald erkannte, dass mehr als eine Person an diesem Fall arbeiten musste. Diese Geschichte brauchte einen Printjournalisten, der sie als Schreiber aufarbeitete. Ich komme stärker aus dem visuellen Bereich.

Bei anonymen Informanten weiß man anfangs oft nicht, ob sie glaubwürdig sind. Hatten Sie auch bei Snowden Zweifel?

Poitras: Absolut. Meine ersten Fragen lauteten: Woher weiß ich, dass Sie nicht verrückt sind, dass Sie mich nicht in die Irre führen wollen, und überhaupt, warum kontaktieren Sie mich? Ich blieb sehr zurückhaltend, gleichzeitig sagte mir aber mein Bauchgefühl, dass ich extrem behutsam kommunizieren, dass ich noch mehr Sicherheitsmaßnahmen als sonst anwenden muss. Ich fragte meine E-Mails weder von zu Hause noch vom Arbeitsplatz ab, ich hatte einen eigenen Computer, den ich einzig und allein für den Austausch mit diesem Informanten einsetzte. Ich wollte diesen Informanten so gut wie möglich schützen.

Gab es einen Moment, wo Sie ihm dann plötzlich geglaubt haben?

Poitras: Es gab zwei solche Momente, einer war eher ein Gefühl. In einem E-Mail, das auch im Film vorkommt, schrieb er in etwa: “Ich weiß, an welchem Ort die meiste amerikanische Kommunikation abgefangen wird, und kann es beweisen. Ich weiß, dass Vertreter des Staates die Öffentlichkeit angelogen haben, und kann es beweisen.” Das war ein langes E-Mail mit ziemlich kühnen Ansagen, und ich habe mir gedacht: Okay, das könnte arg werden. Der zweite Moment war, als ich erstmals eines der NSA-Dokumente sah. Kurz bevor ich nach Hongkong flog, konnte ich einige Dateien entschlüsseln. Da wusste ich sofort, das ist real.

Wie fühlt es sich an, wenn man als Erster so ein Dokument sieht?

Poitras: Es ist absolut schockierend. Bei den ersten Dokumenten waren die Informationen zu PRISM und zum geheimen Budget der Geheimdienste dabei. Da war ich gleich noch alarmierter, weil mir bewusst wurde: Es geht hier um wirklich, wirklich viel.

Dieses PRISM-Dokument machte vielen Menschen schlagartig bewusst: Oje, wir leben in einer ganz anderen Welt, als wir bis dahin vermutet hatten.

Poitras: Mir ging es genauso. Ein bisschen fühlte ich mich wie in der “Matrix”. Man ist in der einen Realität und dann geht eine Tür auf und dahinter gibt es eine ganz andere Realität. So war das für mich. Und dann gab es diese Erfahrungskurve: Diese Dokumente sind voller Codenamen und ziemlich technisch und es war so, als würde man eine zweite Sprache lernen.

Sie flogen dann mit Glenn Greenwald nach Hongkong, um Ihren Informanten zu treffen. Sie wussten damals noch gar nichts über diese Person. War das nicht seltsam?

Poitras: Absolut seltsam! Wobei ich schon ein paar Informationen hatte. Unter den entschlüsselten Dokumenten war auch ein Brief mit seinem Namen. Ich hatte also die Vermutung, dass der Informant Edward Snowden hieß, aber ich wollte diesen Namen nicht googeln. Ich wusste, wenn ich ihn google, könnte das irgendein Warnsignal bei der NSA auslösen. Ich hielt mich also zurück, um nicht unser Treffen in Hongkong zu gefährden. Als wir uns dann wirklich trafen, haben mich mehrere Sachen überrascht – vor allem, dass er so viel jünger war, als ich ihn mir vorgestellt hatte.

Worüber waren Sie sonst noch überrascht?

Poitras: Das Alter war für mich besonders gewöhnungsbedürftig. Monatelang hatte ich gedacht, ich spreche mit einer viel älteren Person. Auch überraschte uns, wie ruhig Snowden war. In seiner Situation wäre ich extrem nervös gewesen. Er war jedoch unglaublich ruhig. Anfangs waren eher Glenn und ich die Nervösen, aber dann begannen wir ziemlich intensiv zusammenzuarbeiten. Wir wussten, uns bleibt nicht viel Zeit.

Sie filmten Snowden in seinem Hotelzimmer in Hongkong. Es stimmt, dass seine Stimme immer ruhig bleibt, aber sein Gesicht erzählt eine ganz andere Geschichte.

Poitras: Das stimmt, man merkt es auch an seiner Atmung – eine Unruhe. Unter der Oberfläche schwelgt ein Gefühl der Unsicherheit und Angst, das wir alle spürten.

Lief das Ganze für Snowden bisher gut?

Snowden hatte Angst, dass die Welt das gar nicht interessiert. Wir sahen ziemlich schnell, dass dem nicht so war
Poitras: Ja. Snowden hatte Angst, dass die Welt das gar nicht interessiert. Wir sahen ziemlich schnell, dass dem nicht so war. Gewiss weiß er, welche Bedeutung er hatte. Persönlich finde ich es enttäuschend, wie die Regierungen darauf reagiert haben, sowohl die US-amerikanische als auch die anderen. Ich glaube aber, dass seine Enthüllungen vielen Menschen erst bewusst machten, wie gefährlich das Sammeln all dieser Daten ist. Dieses Unbehagen spürt man – vor allem hier in Deutschland. Auch technisch entwickelt sich gerade einiges, das unsere Privatsphäre künftig stärken wird. Snowden hat viele Dinge in Bewegung gesetzt.

Er lebt jetzt mit seiner Freundin in Russland. Wie geht es Snowden heute?

Poitras: Da habe ich nur einen beschränkten Einblick. Snowden arbeitet nach dem “Need to know”-Prinzip. Er erzählt Menschen nur Dinge, die sie wirklich wissen müssen. Sollte ich irgendwann verhört werden, kann ich bei vielen Sachen sagen: Ich habe keine Ahnung. Deswegen weiß ich auch vieles nicht aus seinem Leben. Ich glaube aber, es macht ihn glücklich, dass seine Partnerin Lindsay Mills bei ihm ist. Ich habe ihn besucht, bevor sie zu ihm kam, und auch danach. Mein Eindruck ist, dass es ihm jetzt deutlich besser geht.

Snowden darf die nächsten drei Jahre in Russland bleiben. Was passiert danach?

Poitras: Seine Rechtsberater haben in einigen Ländern um Asyl angesucht, und ich glaube, sie sind auch mit einigen Staaten in Gesprächen. Ich bin in diesen Prozess nicht involviert, aber es würde mich nicht wundern, wenn ein Land hervortritt und ihm politisches Asyl gibt.

Sollte das nicht Europa tun?

Poitras: Oh, auf jeden Fall. Wäre Snowden ein Whistleblower aus China, hätte er längst politisches Asyl. Wieso kriegt er es nicht? Wegen des politischen Drucks der USA. Auch die deutsche Regierung ist sehr zurückhaltend. Dabei glaube ich wirklich, dass sich Europa hier hervortun sollte.

Besteht die Gefahr, dass nun zwar alle von den Geheimdienstaktivitäten wissen, es vielen Menschen aber zunehmend egal ist, sie sich an diese Überwachung gewöhnen?

Poitras: Edward Snowden hat enorme Risiken auf sich genommen, um diese Information offenzulegen. Es ist die Aufgabe von uns als Öffentlichkeit, etwas zu tun. Die Geschichte wird zeigen, wie wir mit diesem Wissen umgehen, das ist ähnlich wie mit dem Klimawandel. Wir haben von einer Gefahr für uns alle erfahren. Die Frage ist nun, wie wir darauf reagieren. Die gute Nachricht dabei ist, dass wir gar nicht auf die Regierungen warten müssen, jeder Einzelne kann zum Wandel beitragen, indem er Verschlüsselungsmethoden nutzt. Nehmen Sie nur den Sony-Hack, wo kürzlich höchst sensible Daten gestohlen wurden. Die große Frage dabei lautet: Warum war diese Information nicht von vornherein verschlüsselt? Medizinische Akten, Sozialversicherungsnummern, wären diese Informationen verschlüsselt gespeichert gewesen, hätten die Hacker nichts damit anfangen können. Technische Lösungen existieren längst.

Wie sollte sich jeder technisch schützen?

Poitras: Es gibt simple Tools wie den TOR-Browser, mit dem man anonym das Internet nutzen kann. TOR ist gratis und funktioniert wie jeder andere Webbrowser. Wenn Sie mit Ihrem Handy Textnachrichten verschicken wollen, können Sie zum Beispiel TextSecure nutzen, das Programm ist gratis und auch verschlüsselt.

Dabei gibt es aber Hindernisse: TextSecure ist nur für Android-Handys erhältlich, der TOR-Browser ist wiederum ziemlich langsam, wenn man damit herumsurft.

Poitras: Ich mache es mit TOR oft so: Ich habe zwei Browser geöffnet, TOR und einen ganz normalen Browser. Wenn ich etwas unbeobachtet recherchieren möchte, verwende ich TOR. Wenn ich mehr Geschwindigkeit will, etwa für ein Onlinevideo, dann nutze ich den anderen Browser. Das ist gar nicht so schwer: Wir haben dauernd verschiedenste Applikationen am Computer laufen, jetzt läuft halt eine mehr, wenn ich meine Privatsphäre schützen will.

Snowden war anfangs ziemlich überrascht, wie viele Journalisten keine E-Mail-Verschlüsselung nutzen. Sind wir Journalisten technisch zu naiv?

Poitras: Definitiv. Jeder Journalist sollte lernen, wie man sich technisch absichert. Es ist aber nicht rein die Schuld der Journalisten. Viele Medien bieten ihren Mitarbeitern das gar nicht an. Die US-Regierung ist derzeit immens daran interessiert, Whistleblower aufzudecken. Journalisten müssen wissen, womit sie ihre Informanten in Gefahr bringen. Wenn Sie eine anonyme Quelle treffen, sollten Sie das Handy zu Hause lassen oder die Batterie vorher rausnehmen. Das sollte das Standardprozedere sein, aber für viele Medien ist das alles neu.

Viele Journalisten werden fragen, ob dieser Aufwand echt nötig ist. Nicht jeder hat so einen wichtigen Informanten wie Snowden.

Es geht da auch um Solidarität: Je mehr Menschen Verschlüsselungstools nutzen, desto weniger fallen diejenigen auf, die diese Tools dringend benötigen
Poitras: Ich hatte früher auch keinen Kontakt zu Edward Snowden. Hätte ich damals nicht gewusst, wie man Nachrichten verschlüsselt, wäre er zu jemand anderem gegangen. Zweitens geht es da auch um Solidarität: Sie mögen vielleicht nicht mit anonymen Informanten arbeiten, aber vielleicht sitzt in Ihrer Redaktion zwei Tische entfernt ein Kollege, der das sehr wohl tut. Je mehr Menschen Verschlüsselungstools nutzen, desto weniger fallen diejenigen auf, die diese Tools dringend benötigen.

Sie selbst verwenden schon länger Verschlüsselungstools, weil Sie immer wieder bei der Einreise in die USA aufgehalten und durchsucht wurden. Wieso stehen Sie überhaupt auf einer Watchlist?

Poitras: Ich habe keine Ahnung. Das ist das Furchteinflößende an diesem Watchlist-System, die rechtstaatlichen Prinzipien sind außer Kraft gesetzt. Man findet nicht heraus, warum man auf einer Watchlist landete, man kann nicht dagegen vorgehen. Das fühlt sich ziemlich kafkaesk an, wenn man jedes Mal beim Reisen aufgehalten und befragt wird. Und es hat natürlich meine Arbeit zunehmend erschwert, als ich noch in den USA lebte, weil die Grenzbehörden auch meine Notizbücher kopierten, mir meinen Computer zwischenzeitlich wegnahmen.

Sie wurden einmal sogar in Österreich von Grenzschutzbeamten aufgehalten.

Poitras: Stimmt, aber um korrekt zu sein: Ich wurde immer auf das Ansuchen der US-Regierung hin aufgehalten. Das passierte in einigen Städten, in Wien, in Amsterdam, in London.

Das Faszinierende daran ist, dass Sie ausgerechnet aufgrund dieser Erfahrungen von Edward Snowden kontaktiert wurden.

Poitras: Ja, er hatte noch nie Kontakt mit Journalisten gehabt und suchte Menschen, die nicht so leicht von der Regierung einzuschüchtern sind; die von diesen Dokumenten berichten, komme, was wolle. Er wusste, dass ich Filme über den Irak-Krieg und Guantánamo gemacht hatte, dass Glenn ein ausgesprochener Kritiker der USA nach 9/11 ist. Es ist ironisch: Die Tatsache, dass ich auf einer Watchlist landete, war die beste Vorbereitung für dieses Thema.

Wie ist Ihre Beziehung zu Snowden heute, sehen Sie ihn rein als Informanten oder auch als Freund?

Poitras: Was wir erlebt haben, führt natürlich zu einer besonderen Beziehung, so eine Extremsituation schweißt zusammen – so sehe ich übrigens auch Glenn. Es ist aber schon eine Beziehung zwischen einer Journalistin und einer Quelle. Für mich ist Snowden ein Informant. Wenn ich an einer Geschichte arbeite, kontaktiere ich ihn, wir tauschen aber keine privaten Details aus.

Ihr Film startet nun in Österreich. Wenn Sie sich eine Erkenntnis wünschen könnten, die Menschen daraus mit nach Hause nehmen, welche wäre das?

Poitras: Gute Frage. Ich sehe meinen Film als eine Erzählung über Menschen, die aufstehen, wenn sie etwas sehen, das falsch läuft, und die persönliche Risiken eingehen. So jemand ist Edward Snowden oder auch der Whistleblower William Binney, der früher für die NSA arbeitete und im Film vorkommt. In speziellen Momenten in der Geschichte braucht es Menschen, die Stellung beziehen. Ich hoffe, dass der Film vermittelt, wie wichtig das ist.

 

Zur Person:

Laura Poitras, geb. 1962 in Boston, studierte am San Francisco Art Institute und zog nach New York. Als 2003 US-Truppen in den Irak einmarschierten, war dies ein entscheidender Moment in ihrer Filmkarriere. Die Regisseurin reiste 2004 in den Irak.

Ihre oscarnominierte Doku “My Country, My Country”(2006) zeigt die Besatzungszeit, das Nachfolgewerk “The Oath”(2010) handelt von zwei Männern, die in den Krieg gegen den Terror verwickelt werden. Die Filme sind Teil einer Trilogie, deren Abschluss nun “Citizenfour” ist. Zwischen 2006 und 2012 wurde Poitras Dutzende Male von US-Grenzbehörden aufgehalten und befragt. Später stellte sich heraus, sie steht auf einer Watchlist der US-Regierung. Um von den US-Behörden ungestört arbeiten zu können, lebt sie mittlerweile in Berlin.

 

Dieses Interview erschien im Falter (Ausgabe 52/14). Die verwendeten Fotos stammen aus der Citizenfour-Pressemappe und wurden zu einer Collage verarbeitet mittels Photovisi.

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  • Ich glaube, dem ORF fehlt der Mut, wirklich zu diesen komplexeren Serien zu stehen und auch in Kauf zu nehmen, dass sie nicht ad hoc ein Massenpublikum anziehen. Für den Artikel habe ich mit mehreren Fernsehmachern oder -experten gesprochen und ein spannender Aspekt an dem Ganzen ist auch die Frage der Programmierung: Zu welcher Uhrzeit läuft was und weiß das Publikum das überhaupt?

    Beispiel Serienmontag im ORF. Den gibt's mittlerweile seit ein paar Jahren und die Zuseher können sich darauf verlassen: Am Montag laufen abends unterhaltsame Serien wie Grey's Anatomy oder CSI NY. Das funktioniert sehr gut, weil der Serienmontag zu einer Art Marke des ORF wurde.

    Wenn hingegen neue und komplexere Serien gar keine Chance gegeben wird und sie nach mittelmäßigen Quoten sofort in die späte Nacht verbannt werden, kann sich das Publikum gar nicht daran gewöhnen, dass es zu einer gewissen Uhrzeit einschalten und hochqualitatives Programm sehen kann.

    Ich fände es zum Beispiel spannend, wenn der ORF sagen würde: Mittwoch ist unser Abend für anspruchsvolle, aber sehenswerte Serien. Egal, ob diese dann Californication, Dexter oder Damages heißen, kann man sich als Zuseher merken: Wenn ich am Mittwoch einschalte, erwartet mich kein Blödsinn, sondern gutes Programm. Natürlich ist die ganze Thematik noch komplexer als das. Aber eine verlässliche Programmierung ist wahrscheinlich ein wichtiger Aspekt beim Erfolg einer Serie.

  • Sowas wurde doch auch mit der Donnerstag Nacht versucht. Die war mal wirklich gut! Serie - (Grey's) - Serie (House) - Die 4 da - Sendung ohne Namen - Serie (My name ist Earl) oder so. Hat sich auch nicht so recht durchgesetzt. Die 4 da war dem ORF wohl zu systemkritisch.

    Es ist ja nicht so, dass komplexere Serien nicht dem Zuseher Angeboten wurde. Auf alle Fälle gab es die erste Staffel Rom zu sehen und falls ich mich nicht komplett irre auch Band of Brothers. Für Rome wurde einiges an Werbeaufwand betrieben und soweit ich mich erinnern kann waren die Folgen mit 21:05 auch zu einer brauchbaren Uhrzeit.

    Was zusätzlich noch zur ganzen Thematik aber auch die Frage aufwirft, warum sich die Masse des Fernsehpublikums lieber den 27sten Aufguss einer Castingshow ansieht als eine komplexe, spannende Fernsehserie und ist es wirklich so, oder ist es die Auffassung der ORF Programmgestalter?
    Ist es echt nur, weil man dann ja keine Folge verpassen darf und der ORF mit Wiederholungen zu unflexibel ist, oder ist es weil sich Großteil des Publikums nur stumpfsinnig berieseln lassen will? Und wer hat den Konsument so werden lassen, wurde man durch immer mehr werdenden Stumpfsinn ausgehöhlt oder fordert das Publikum Stumpfsinn einfach ein?

  • Eines der Hauptprobleme ist jedoch nicht das vervollständigen von Daten, sondern die meist Kontextlose Verwendung.

    Vor einigen Tagen erst wurde der Erfolg des neuen Personalausweises gerühmt, mit der bestärkenden Information, dass die Online Abfrage in der Verkehrssündenkartei im Vergleichszeitraum um 200% gestiegen ist. Problematisch nur, wenn man bei dieser Erfolgsstory verschweigt, dass es sich hier gerade mal um eine 2-stellige Personenzahl handelt.

    Viele Daten werden einfach so weit herunter-reduziert, dass man jede gewünschte Aussage damit untermauern kann.

  • Gut geschriebener Artikel - vor allem der Titel gefällt mir :-)
    Leider ist mein Zitat ein wenig aus dem Zusammenhang gerissen. Ich halte auch das jetzige, wenn auch noch kleine Angebot der Stadt Wien in Sache offene Daten keineswegs für einen Witz, sondern ganz im Gegenteil: Wien wird denke ich für andere österreichische Städte und auch den Bund Vorbild und Benchmark sein, was die nachhaltige Veröffentlichung von Datensätzen betrifft.
    Das auch mit wenigen Datensätze bereits nützliche Apps und Visualisierungen erstellt werden können, zeigt außerdem ja das App-Verzeichnis auf data.wien.gv.at
    Natürlich ist der Weg zur vollständigen Integration von Open Government-Prinzipien in der Wiener Stadtverwaltung/in Österreich noch weit (im Vergleich zu Großbritannien beispielsweise), aber die Richtung stimmt mal würde ich sagen :-)

  • Verstehe den Artikel - frag mich aber nach dem Sinn ...
    meiner Meinung nach sollte der ORF weniger Serien bringen. Das kann man ja den anderen (privaten) überlassen.
    der ORF sollte das Geld nehmen und eigene Formate entwickeln. Und wenn alle in die Hose gehen - was soll's? Immer noch besser als teure Serien zu kaufen, die sich dann nur die drei Leute (du und die anderen hippen Hyper [gebildet]) ansehen, die ein Bedürfnis danach haben, die Speerspitze von etwas zu sein, das eben hipp-gehypt wurde von jemandem, der das schon ist (Nüchtern vielleicht in dem seltsamen Artikel über die Serien - vor ein paar Faltern). Das klingt jetzt nicht so gemein, wie es klingen sollte. :-)

  • Domainnamen haben sich in Wahrheit nie wirklich durchgesetzt und sind bereits jetzt auf dem Rückzug, wo Otto-Normal-Nutzer sowieso nur mehr ein Stichwort in das Suchfeld des Browsers eingibt, und damit im Extremfall nach Google googlet.
    Mit den neuen TLDs wird das Chaos nur noch größer, niemand wird sich zusätzlich zu einem Stichwort auch noch die Endung merken (heute: implizit ".com").
    Schade.

  • Ich würde derartige Verallgemeinerungen vermeiden. Mathematik war für mich das einfachste Fach überhaupt, habe nie etwas gelernt, nicht aufgepasst und trotzdem fast nur "Sehr Gut" erhalten; dafür waren Aufsätze in allen unterrichteten Sprachen meist eher rot angezeichnet. Dennoch bin ich der Meinung, dass der Mathematik-Unterricht an der AHS, so wie er jetzt stattfindet, sinnlos ist.

  • Frage: Ist Loslösung von der Gesellschaft per se schlecht?
    2. Frage: Wie kann ich eine Vorstellung/Vision haben, wenn ich im banalen (nicht negativ gemeint) feststecke.
    Das Problem bei unseren doch oft sehr dumpfen Volksvertretern ist, dass viele von ihnen losgelöst von der Gesellschaft skuril banal sind.
    Hat wenig mit dem Thema zu tun - gebe ich hin. Ich habe mich durch den Artikel gequält ... seit wann brauchen artikel twists. Muss der Leser bis zum Schluß im Unklaren bleiben wo es hingeht?
    LG Paolo

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